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Fachkonferenz

Das Sykes-Picot-Abkommen – hundert Jahre danach

Am 20. Und 21. Mai 2016 organisierte die Konrad-Adenauer-Stiftung gemeinsam mit dem Kooperationspartner Maison du Futur eine Fachkonferenz über das Sykes-Picot-Abkommen.

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Hundert Jahre nach Unterzeichnung des Abkommens zwischen Frankreich und Großbritannien wurden dessen Auswirkungen auf den Nahen Osten reflektiert und die heutige Lage der Region thematisiert.

Die Bewertung von Sykes-Picot, das die Weichen für eine Aufteilung des zerfallenden Osmanischen Reichs nach dem Ersten Weltkrieg stellte, ist umstritten. Die künstlich gezogenen Grenzen werden oft als eine Ursache von Konflikten und Kriegen genannt, die die Region bis heute belasten.

Der ehemalige Präsident des Libanon, Amine Gemayel vom Maison du Futur, und Peter Rimmele, Leiter der Konrad-Adenauer-Stiftung im Libanon, begrüßten die Konferenzteilnehmer mit einer Ansprache. Nach Ausführungen, die das Sykes-Picot-Abkommen in den historischen Kontext einordneten, ging Amine Gemayel in seiner Rede auf aktuelle Herausforderungen ein. Dazu gehörte insbesondere, in welchem Ausmaß die arabischen Staaten in der Lage sein würden, eigene Lösungen für die jüngsten Konflikte zu finden und ihre Unabhängigkeit wiederzuerlangen – dieses Mal nicht von westlichen Kolonialmächten, sondern von islamistischen und takfiri-Dschihadisten, die die gesamte Region bedrohen. Für den Libanon nannte Gemayel ein wesentliches Ziel: nicht in die regionalen Kriege hineingezogen zu werden.

Die Konferenz war in sechs Sitzungen aufgeteilt. In der ersten und zweiten Sitzung wurde der historische Kontext thematisiert und die Frage gestellt, „Was, wenn es kein Sykes-Picot gäbe?“ Die Redner der Sektionen stimmten darüber überein, dass Sykes-Picot als Prozess gesehen werden müsse, der sich in einem weltweiten Kontext von Staatenbildung und Transitionen abspielte. Hassan Mneimneh, Direktor des Think Tanks Middle East Alternatives, hob hervor, dass es zur Zeit des Abkommens in der Öffentlichkeit durchaus Forderungen nach Nationalstaaten gegeben habe. Samy Gemayel betonte in seinem Diskussionsbeitrag, wie schwerwiegend die Folgen des Abkommens insbesondere für die Kurden waren, die in unterschiedliche Staaten verdrängt wurden. Nach Ansicht von Joseph Maïla, Professor für Internationale Beziehungen an der ESSEC, Paris, sei man heute an einem Punkt, an dem man mit den historischen Festlegungen des Sykes-Picot-Abkommens leben würde. Im Zentrum der heutigen Probleme des Nahen Ostens stünde der Palästina-Konflikt.

Die anschließenden Sitzungen beschäftigten sich mit Rückblicken und Ausblicken für die vom Sykes-Picot betroffenen Länder Syrien und Libanon, Jordanien und Palästina sowie dem Irak.

Amr el Azm, Professor an der Shawnee State University, wies Ansichten zurück, wonach die aktuelle Instabilität des Nahen Osten auf das Sykes-Picot-Abkommen zurückzuführen sei. In Jordanien, dessen Grenzen ebenfalls durch das Abkommen festgelegt wurden, habe sich eine jordanische Identität herausgebildet und das Land sei stabil. In Syrien seien demgegenüber lange Zeit supranationale Identitäten (Arabischer Nationalismus, Konfessionalismus) gefördert und das Aufkommen einer syrischen Identität unterdrückt worden. Letztere sei aber unabdingbar, sollte Syrien als Staat bestehen bleiben. In der Diskussion wurde betont, dass es sich bei dem Bürgerkrieg in Syrien um eine regionale Problematik handele, in der Staaten wie Katar, Russland, Saudi-Arabien und die Türkei ihre eigenen Interessen verfolgen würden.

Zur Lage der Palästinenser äußerte sich Nabil Amr, ein ehemaliger Minister der Palästinensischen Nationalbehörde, diese seien heute so isoliert, dass dies ihre Zukunft bedrohe. Verhandlungen mit Israel könnten kein zufriedenstellendes Resultat bringen, da die Position der Palästinenser viel schwächer sei. Auch die Zwei-Staaten-Lösung könnte aus diesem Grund nicht mehr sein als ein Slogan.

Die Sektion über den Irak fand im Lichte der aktuellen Regierungskrise statt. Trotz der konfessionellen Spaltungen zeigte sich Raid Juhi Alsaedi, Generalinspektor des irakischen Außenministeriums, überzeugt, dass die Mehrheit der Bevölkerung eine irakische Identität habe. Die ehemalige irakische Botschafterin bei den Vereinigten Staaten, Rend Al Rahim, verwies mit Blick auf die Neuordnungen in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg darauf, dass der Irak nicht „künstlicher“ sei als andere Staaten. Mit Ausnahme der kurdischen Provinzen stimmten die Redner in dieser Sektion überein, eine Neuordnung von Grenzen würde auf die innere Struktur des Irak abzielen, und nicht dessen Staatsgrenzen betreffen. Der sogenannte Islamische Staat war nicht zuletzt in den Diskussionsrunden immer wieder ein Thema.

In der Schlusssektion wurde die Frage nach einem „neuen Sykes-Picot“ aufgeworfen. Die Redner äußerten sich unter anderem dazu, ob das Taif-Abkommen auch für den Irak und Syrien Modell stehen könnte – mit unterschiedlichen Ergebnissen.

Insgesamt bot die zweitätige Konferenz ein grenzübergreifendes Forum, in dem nicht nur Ansichten über die Vergangenheit, sondern auch Überlegungen zur Zukunft des Nahen Osten offen diskutiert wurden.

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Veranstaltungsort

La Maison du Futur, Bikfaya

Kontakt

Peter Rimmele

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André Sleiman

Die neuen Grenzen nach dem Abkommen von Sykes-Picot, 1916 New York Book Review (c) 2014
Raid Juhi Alsaedi, Sykes-Picot Konferenz Maison du Futur (c) 2016
Peter Rimmele, Konferenz Sykes-Picot Maison du Futur (c) 2016
Auditorium, Konferenz Sykes-Picot Maison du Futur (c) 2016

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Auslandsbüro Libanon