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Symposium

Verhandlung sozio-ökonomischer Interessen in Unternehmen

Quels défis pour les managers

Am 25. und 26. Oktober veranstaltete die KAS in Kooperation mit AGEF Nord und der CGEM ein Symposium in Tanger zum Thema "Verhandlung sozio-ökonomischer Interessen in Unternehmen".

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Mit den politischen Umbrüchen in der arabischen Welt werden auch die Forderungen nach Sozialstandards in Unternehmen sowie einer lebensfähigen Sozialpartnerschaft zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter höher. Insbesondere die Jahre 2011 und 2012 waren für die Sozialpartner in Marokko turbulente und krisenreiche Jahre, in denen Unternehmer und Gewerkschaften zahlreiche Konflikte miteinander ausgetragen haben.

 

Das von der KAS in Partnerschaft mit AGEF Chamal am 25. und 26. Oktober 2013 in Tanger veranstaltete Symposium zum Thema „Verhandlung sozio-ökonomischer Interessen in Unternehmen“ hat die verschiedenen Akteure, die am sozialen Verhandlungsprozess in Unternehmen beteiligt sind, zusammengebracht, um (auch anhand von internationalen Beispielen) Lösungsmodelle für einen nachhaltigen Sozialpakt und einen strukturierten sozialen Dialog zu diskutieren.

Teilnehmer des Symposiums waren private Unternehmer und Personalleiter vor allem auch aus der Region Tanger-Tetouan, Politiker und staatliche Vertreter, Arbeitgeber- wie Arbeitnehmervertreter sowie internationale Experten.

 

Der marokkanische Minister für Arbeit und soziale Angelegenheiten, Abdesslam Seddiki, hob den beträchtlichen wirtschaftlichen und sozialen Wandel (demografischer Wandel, Ausbau von Wissenschaft und Forschung sowie Infrastruktur, etc.) in Marokko hervor, der mittlerweile auf allen Ebenen beobachtbar ist. Insbesondere die Stadt und Region Tanger sind ein Symbol dieses Wandels. Während Tanger früher nur als Ansammlungspunkt für auswanderungswillige Marokkaner bekannt gewesen sei, hat sich der Raum nun auch zu einem attraktiven Investitionsstandort für Industrie oder Wissenschaft sowie zum zweitstärksten Wirtschaftsraum Marokkos entwickelt.

 

Für einen qualitativ hochwertigen Wandel betonte der Minister die Bedeutung der Entwicklung menschlicher Ressourcen (human resources). Zudem hob er, neben der Verantwortung des Staates, auch die soziale Verantwortung von Unternehmen hervor. Ein Unternehmen sei ein soziales Gebilde, in dem sowohl Arbeitgebern als auch Arbeitnehmern Rechte und Pflichten zukommen. Das arabische Wort für „Unternehmen“ (scharika) beinhalte schon im Wort eine gewisse Partnerschaftlichkeit und Gemeinschaftlichkeit. Für einen nachhaltigen sozialen Frieden und einen sozialen Zusammenhalt sei, laut Seddiki, eine ausgeglichene Beziehung im Sinne einer Win-Win-Beziehung zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerinteressen notwendig. Marokko sei in dieser Hinsicht, zumindest im Vergleich zu seinen Nachbarländern wie Tunesien oder Algerien, auf einem guten Weg.

 

Der nationale marokkanische Unternehmerverband CGEM, vertreten durch Kamal Mazari, Präsident der CGEM Nord, betonte ebenfalls die Notwendigkeit eines nachhaltigen und direkten sozialen Dialogs zwischen Unternehmern und Gewerkschaften. Der CGEM gehe es in erster Linie um den gesicherten Fortbestand des Unternehmens. Der Staat könne und solle zudem als Mediator zwischen den verschiedenen Interessen wirken.

 

Der Ökonom Mohamed Chiguer wies in seinem Vortrag auf die 2,5 Millionen informell arbeitenden, das heißt ohne offiziellen Arbeitsvertrag und Sozialversicherung arbeitenden Marokkaner hin. Diese informellen und ungesicherten Arbeitsverhältnisse tauchen in der heutigen Diskussion zu Sozialpartnerschaften in Unternehmen gar nicht auf.

 

Youssef Sadik, Soziologe und Präsident des Observatoire des transformations sociales, bezog sich in seinem Vortrag insbesondere auf die Ausbildungs- und Arbeitsmarktproblematik von jungen Marokkanern. In Bezugnahme auf den jüngsten Bericht der Weltbank beschrieb er die mangelnden beruflichen Perspektiven von jungen Leuten. Das marokkanische Bildungssystem beschrieb er als „System der zwei Geschwindigkeiten“. Einer wachsenden Anzahl von teuren, französischsprachigen Privatschulen stehe die große Mehrheit an schlecht geführten, leistungsschwachen arabischsprachigen staatlichen Schulen gegenüber. Das Bildungssystem sowie der Arbeitsmarkt seien daher ein elitäres, ausgrenzendes und nach französischem Vorbild geprägtes System, das nicht ausreichend für Chancengleichheit sorge.

 

Die marokkanischen Jugendlichen haben, nach Sadik, nur wenig Vertrauen in das marokkanische Bildungssystem und seien überwiegend der Meinung, dass sie nur wenig Einfluss auf ihre berufliche Zukunft nehmen können. Persönliche und familiäre Beziehungen gelten immer noch als ausschlaggebend für einen erfolgreichen Berufsweg. Über 80 Prozent der jugendlichen Arbeiter besitzen keinen gültigen Arbeitsvertrag und führen gering qualifizierte Jobs aus. Gleichzeitig sind öffentliche Angebote einer Berufsausbildung überbelegt und bereiten nur unzureichend auf das tatsächliche Arbeitsleben vor. Der Ausbau von Public Private Partnerships im Bereich der Berufsausbildung sei nach Sadik daher sinnvoll.

 

Eine Studie von USAID bestätigte ebenfalls die veralteten und praxisfernen Strukturen des Bildungs- und Ausbildungssystems in Marokko. Laut USAID lasse das Bildungssystem zu wenig Flexibilität hinsichtlich der späteren Berufswahl bzw. einer späteren Umorientierung im Beruf zu. Eine rigide staatliche Bürokratie und mangelnder Unternehmergeist unter den Hochschulabsolventen behindern den erfolgreichen Ausbau von Public Private Partnerships und neuen Initiativen.

 

Matthias Schäfer, Leiter des Teams Wirtschaftspolitik der Konrad-Adenauer-Stiftung, beschrieb die bestehende Sozialpartnerschaft in Deutschland auf der Basis von Vertrauen, Interessensausgleich sowie Koordination statt Unterordnung im Arbeitsverhältnis.

Auf der Basis des Grundsatzes der Tarifautonomie, festgeschrieben in Artikel 9 des Grundgesetzes, verhandeln Arbeitnehmer und Arbeitgeber ihre Interessen ohne Einmischung des Staates. Der Grundsatz der Tarifautonomie drückt damit nicht nur das Prinzip der Subsidiarität aus, sondern symbolisiert gleichzeitig auch einen liberalen Ansatz des Interessensausgleichs, in dem die wirtschaftlichen und sozialen Akteure ihre Interessen eigenständig ohne staatliches Eingreifen verhandeln. Die Interessen des „Faktors Kapital“ sollen mit denen des „Faktors Arbeit“ friedlich und „subsidiär“ in Einklang gebracht werden. Der soziale Interessensausgleich ist in Deutschland weitreichend strukturalisiert. Ca. 86 Prozent der deutschen Unternehmen haben einen Betriebsrat. Diese Strukturen bieten, so Schäfer, vor allem auch in Zeiten von Krisen eine gewisse Stabilität.

 

Die marokkanischen Teilnehmer wollten insbesondere auch „das Geheimnis“ des deutschen Erfolges wissen. Herr Schäfer wies jedoch darauf hin, dass der deutsche Weg keineswegs durchgehend eine Erfolgsgeschichte war, sondern dass die deutsche Wirtschaft und Gesellschaft sowie das System der Sozialpartnerschaft sich über viele Krisen hinweg bewähren mussten. Für Marokko komme es darauf an, so Schäfer, sein System Schritt für Schritt zu verbessern. Das Ausbildungssystem biete hier beispielsweise viele Ansatzpunkte.

 

Zusammenfassend wurde von verschiedenen Teilnehmern festgehalten, dass die Arbeitswelt von ihrem Wesen her eine konfliktuelle Welt sei. Umso wichtiger seien daher funktionierende Kommunikationswege und nachhaltige, strukturierte Dialoge zum friedlichen Interessensausgleich. Insbesondere die turbulenten Jahre des arabischen Frühlings (2011 und 2012) haben zu zahlreichen Konflikten und gegenseitigen Misstrauen geführt, das es nun gilt, durch etablierte Dialoge und Verhandlungen abzubauen. Trotz der starken Beteiligung der Gewerkschaften bei den anhaltenden sozialen Protesten bleibt die gewerkschaftliche Organisation der marokkanischen Arbeitnehmer aufgrund des mangelnden Vertrauens in die formellen Strukturen gering.

Gleichzeitig wurde auf den tiefgreifenden sozialen und demografischen Wandel hingewiesen, der neue Antworten und Lösungswege erfordere. Die zunehmende Erwerbstätigkeit von Frauen, die abnehmende Geburtenrate (die marokkanische Geburtenrate liegt bei 2,1 Kinder pro Frau) und der Trend zur Kernfamilie erfordern auch eine Anpassung der Rahmenbedingungen in der Arbeitswelt. Positiv wurde angemerkt, dass auch ein Mentalitätswandel hinsichtlich des Arbeitnehmers stattgefunden habe. Der Arbeitnehmer werde heute als mündige und reflektierte Person mit Rechten und Pflichten wahrgenommen und nicht mehr nur als reine ausführende Arbeitskraft. Demgemäß solle auch der Gedanke einer sozialen „Partnerschaft“, in dem jeder Sozialpartner eine verantwortungsvolle Rolle für das Wohl des Unternehmens als Ganzes übernimmt, im Vordergrund stehen. Letztendlich haben sowohl Arbeitgeber wie auch Arbeitnehmer ein Interesse an einem stabilen, lebensfähigen und wettbewerbsfähigen Unternehmen.

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Veranstaltungsort

Tanger

Publikation

Sozialer Interessensausgleich in Unternehmen: Auf der Suche nach einer dauerhaften Sozialpartnerschaft in Marokko
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Dr. Helmut Reifeld

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Ellinor Zeino

Leiterin Auslandsbüro Türkei

ellinor.zeino@kas.de +90 312 440 40 80
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