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Veranstaltungsberichte

"Wir verlassen die Union, nicht aber Europa"

von Elisa Walke

KAS-Mittagsgespräch

In Kooperation mit der EVP-Fraktion im Europäischen Parlament fand auf dem für sein jährliches "British Weekend" bekannte Rittergut Remeringhausen ein KAS-Mittagsgespräch zum Thema „Brexit“ statt. Zu Stand und zu den Perspektiven der Brexit-Verhandlungen diskutierten Burkard Balz, MdEP und Sir Sebastian Wood, britischer Botschafter in Deutschland, mit über 200 Gästen sowie Schülerinnen und Schülern des Ratsgymnasiums Stadthagen.

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„Der Ausgang des Brexit-Referendums hat uns alle sehr hart getroffen“, leitete Burkard Balz seinen Vortrag aus der Sicht des Europäischen Parlamentes ein. Das Vereinigte Königreich sei immer ein freundlicher und geschätzter Partner Deutschlands innerhalb der EU gewesen. In Richtung der Schülerinnen und Schüler des Ratsgymnasiums fügte er hinzu, dass die Freizügigkeit innerhalb der EU gerade für die jüngeren Generationen mittlerweile eine Selbstverständlichkeit darstelle.

Wirtschaftliche Schwächung des Vereinigten Königreiches durch den Brexit?

Balz kritisierte, dass der Brexit-Wahlkampf sehr emotional geführt wurde, besonders beim Thema Einwanderung, während mögliche wirtschaftliche Folgen eher ausgeblendet wurden. Aus seiner Sicht werde sich das Versprechen vieler Brexit-Befürworter, das Einsparen von Kosten, langfristig nicht erfüllen. So werde der Brexit beispielsweise London als noch größten Finanzplatz der Welt schwächen, da schließlich hohe rechtliche Hürden für Finanztransaktionen zu erwarten seien, führte der Finanzexperte aus. Dadurch entstehe eine große Unsicherheit, die langfristig dazu führe, dass Banken ihren Sitz von London wegverlagern. Laut Balz könnte besonders Deutschland, mit Frankfurt als Finanzmetropole, davon profitieren. Er appellierte weiterhin an das Vereinigte Königreich, dass es nach dem Brexit nicht zu einem Deregulierungswettbewerb kommen dürfe.

Anschließend gab Balz einen Einblick in die laufenden Brexit-Verhandlungen, die seit dem 29. März 2017 stattfinden. So seien beide Seiten bemüht, erfolgreich zu verhandeln. Erst kürzlich wäre die sechste Verhandlungsrunde gestartet, welche noch Teil der ersten Verhandlungsphase sei. Darin würden unter anderem die zollrechtliche Handhabung der grünen Grenze zwischen Irland und Nordirland und die finanzielle Regelung, die sogenannte „Brexit-Bill“ verhandelt. Erst in der zweiten Verhandlungsphase werde dann über die zukünftigen Beziehungen sowie über einzelne Themen beraten.

Gründe für den Ausgang des Referendums

Sebastian Wood, seit 2015 britischer Botschafter in Deutschland, nannte vor allem geschichtliche Gründe als Grund für den Ausgang des Brexit-Votums. Aufgrund seiner geografischen Lage sei das Vereinigte Königreich seit 900 Jahren nicht mehr von anderen Völkern erobert worden. Es habe keine großen politischen Umbrüche wie die Französische Revolution oder den Dreißigjährigen Krieg wie anderswo in Europa gegeben. Dies habe bewirkt, dass die politischen Institutionen im Vereinigten Königreich sich unabhängig und frei etablieren konnten. Im Gegensatz dazu seien die politischen Institutionen der EU relativ neu und genössen nicht soviel Vertrauen. Für viele Briten sei daher nicht ersichtlich, warum so viele Kompetenzen und Macht an die EU abgegeben wird. Diese Entwicklung habe sich dann besonders in den 90er Jahren verstärkt.

Ein weiterer Grund für den Ausgang des Votums sei die Einwanderungspolitik gewesen: so wäre die Bevölkerung im Vereinigten Königreich in den letzten Jahren im 11% gewachsen; nicht nur durch Einwanderung aus dem Commonwealth, besonders auch aus den östlichen EU-Mitgliedsstaaten. Trotzdem wies Wood den Vorwurf entschieden zurück, der Ausgang des Referendums sei ein Zeichen für Ausländerfeindlichkeit gewesen. Von den „remain“-Befürwortern hätten sich knapp 90% für einen Verbleib der EU-Bürger im Vereinigten Königreich ausgesprochen, von den „leave“-Befürwortern immerhin rund 70%. Viele Briten sähen sich aber trotzdem weiterhin als Europäer, auch wenn sie für „leave“ votierten.

Briten sind sich Verpflichtungen bewusst

Auch erteilte er der Befürchtung von Balz eine Absage, einen Deregulierungswettbewerb starten zu wollen. Stattdessen plädierte er für eine weiterhin enge Partnerschaft zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich, die auch Theresa May in ihrer Rede in Florenz im September 2017 gefordert hatte. Bei einem schlussendlichen Brexit solle ein Ausgleich zwischen Rechten und Pflichten stattfinden, weswegen Wood auch den Vorwurf der britischen „Rosinenpickerei“ zurückwies. Die Briten seien sich sehr wohl bewusst, dass sie nun aus dem europäischen Binnenmarkt austreten müssten. Er bekräftigte, dass das Vereinigte Königreich seinen finanziellen Verpflichtungen nachkomme und zeigte sich zuversichtlich, dass eine Einigung bald erzielt werde. Wie May sprach sich Wood für eine Übergangsphase nach dem endgültigen Austritt im März 2019 aus. Dies würde Unternehmen mehr Zeit geben, um sich auf die Zukunft vorzubereiten.

Die Möglichkeit eines „Exit vom Brexit“ bezeichnete Wood als sehr unwahrscheinlich. So hätten bei den letzten Parlamentswahlen die Labourpartei und die Konservative Partei, beide sprachen sich dafür aus die Verhandlungen aufzunehmen, zusammen fast 83% der Stimmen auf sich vereint, während die Parteien, die sich gegen die Brexit-Verhandlungen aussprachen, sogar Stimmen verloren hätten.

Einig waren sich Balz und Wood besonders in dem Punkt, dass die wirtschaftlichen und politischen Auswirkungen auf beiden Seiten so gering wie nur möglich sein sollen und das weiterhin eine enge Partnerschaft zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich bestehen soll. Außerdem sprachen sich beide gegen einen harten Brexit aus. Die Austrittsverhandlungen seien nicht als Strafe verstehen, vielmehr sollten saubere Verhandlungen geführt werden und es einen fairen Interessensausgleich geben.

Im Anschluss hatten die Gäste noch die Möglichkeit, Fragen an die beiden Referenten zu stellen. Dies wurde auch zahlreich genutzt, sodass eine rege Diskussion entstand.

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