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Bildungsgerechtigkeit ist machbar - aber wie?

von Reinhard Wessel

Prof. Zierer: "Nicht Schulstrukturen verschlimmbessern, sondern an der Qualität des Unterrichts arbeiten"

Der Begriff Bildungsgerechtigkeit stand im Mittelpunkt der schulpolitischen Diskussion im Anschluss an den sog. Pisa-Schock Anfang dieses Jahrtausends, die einige gravierende Veränderungen zur Folge hatte.

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„Was versteht man eigentlich unter dem Allerweltsbegriff „Bildungsgerechtigkeit““ – die Beantwortung dieser Frage stellte Prof. Zierer an den Anfang seines Referates. Er bedeute – so seine Antwort -keineswegs, allen Kindern das gleiche Bildungsangebot zu machen, sondern jedem Schüler nach dem Prinzip „suum suique“ die Förderung zuteilwerden zu lassen, die er angesichts seiner Fähigkeiten und Voraussetzungen benötige. Die zentrale Frage in Sachen Bildungsgerechtigkeit muss also lauten: Was nützt dem einzelnen Kind?

Stattdessen seien die Diskussionen der vergangenen Jahre fast ausschließlich um die Frage von Veränderungen der Schulstruktur(en) gegangen, obwohl internationale Studien längst erwiesen haben, dass diese nicht über Leistungserfolge entscheiden. Es besteht kein kausaler Zusammenhang zwischen Strukturmaßnahmen und dem erwünschten Erfolg. Die Streitigkeiten um die sechs- statt der vierjährigen Grundschule, Abschaffung der Hauptschule, Zwei- statt Dreigliedrigkeit seien vor diesem Hintergrund völlig sinnlos. Auch die Ganztagsschule biete kein brauchbares Rezept: „Wer die Studie zur „Entwicklung von Ganztagsschulen“ (StEG) liest, wird feststellen, dass es keine Beweise dafür gibt, dass Kinder aus bildungsfernen Milieus in einer Ganztagsschule besser gefördert werden und somit auf Kinder aus bildungsnahen Milieus aufschließen können“, so Zierer. Der Grund sei der, dass Kinder aus bildungsnahen Milieus die Angebote besser nutzen könnten.

Dieser Befund wird auch durch die LifE-Studie des Konstanzer Bildungsforschers Helmut Fend bestätigt, der zeigen konnte, dass es nicht entscheidend ist, ob Kinder ein dreigliedriges Schulsystem oder eine Gesamtschule besuchen, In beiden Fällen besteht ein hoher Zusammenhang zwischen sozioökonomischem Status und Schulabschluss. Wenn also die Strukturen bzw. deren Veränderungen wirkungslos bleiben, dann stellt sich die Frage danach, welchen Stellschrauben zur Verfügung bzw. besser genutzt werden können, um zu mehr Bildungsgerechtigkeit zu kommen. In diesem Zusammenhang kommen vor allem die Akteure, die Menschen ins Spiel, die die Schulstrukturen mit Leben erfüllen, vor allem also die Lehrpersonen und unter ihnen diejenigen, die als „Experten“ den größten Einfluss auf die Lernenden hat. Damit sind nicht automatisch die erfahrensten Pädagogen gemeint, sondern diejenigen, die über herausragende Expertise verfügen. Langjährige Erfahrung kann da nützlich sein, wichtiger sind allerdings die Beachtung der „7Cs“: Care, Control, Clarity, Captivate, Confer und Consolidate. Damit rückt – wie der australische Pädagoge John Hattie fordert – die Haltung der Lehrer in den Mittelpunkt unserer Aufmerksamkeit. Zierer fordert denn auch „Lehrer, die Unterricht nicht als Monolog sehen, sondern als Dialog, die immer und immer wieder im Schüler etwas suchen, wovon keiner etwas weiß, und woran schon keiner mehr glaubt, die mit Leidenschaft und Kompetenz von ihrem Wissen, aber auch ihrem Leben erzählen können, die sich mit ihren Kollegen zusammentun und die dem Schüler begegnen, wohlwissend, dass sie ihn genauso brauchen, wie er sie.“

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