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Gegen den Terror hilft nur Hoffnung

Avi Primor spricht über sein neues Buch

„Es gab in der Menschheitsgeschichte immer wieder einschneidende Ereignisse, durch die die Historie eine radikale Wendung nahm.“ Dieser Satz steht am Anfang des neuen Buches von Avi Primor und zeigt, welche herausragende Bedeutung er den Terroranschlägen auf das World Trade Center vom 11. September 2001 für die Welt des 21. Jahrhunderts zumisst.

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Der Diplomat und Publizist ist ein Mann mit Visionen – und muss trotzdem nicht zum Arzt, wie einst Helmut Schmidt jedem Visionär in Verkennung der grundlegenden Rolle des begeisternden, zukunftweisenden Denkens für alles Streben empfahl. Nicht nur in seinem Buch, auch an diesem Abend plädoyierte Avi Primor mit Geist und Überzeugungskraft.

Die meisten Moslems hätten ebenfalls Angst vor der Terrororganisation Al Qaida, hysterische Reaktionen und einseitige Anklagen gegen muslimisch geprägte Länder oder „den Islam“ seien unangebracht. Viele Gespräche, die Avi Primor mit Freunden geführt hat, mündeten in seiner Überzeugung, dass der Kampf gegen den Terror nur gemeinsam erfolgreich sein könne. Dabei müßten vor allem die sozialen und wirtschaftlichen Probleme im Nahen Osten und in anderen muslimisch geprägten Ländern bekämpft werden, denn Armut und Verzweifelung sind der Boden, auf dem Terror wachsen kann. Die unbelehrbaren, fanatischen Terroristen seien mit Härte zu verfolgen, gleichzeitig aber der einheimische Bevölkerung Aussicht auf eine bessere Zukunft zu eröffnen und Hoffnung durch konkrete Aktionen zu geben.

Hierzu berichtete Avi Primor über ein Gespräch mit dem damaligen Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl. Dieser bezeichnete nicht 1945 oder 1946, sondern 1947/48 als „Schicksalsjahr“ für die Deutschen. Zuvor habe jeder versucht, in Hunger und Not sein eigenes Überleben zu sichern, und dabei bestand auch die Gefahr, dass Deutschland dem Kommunismus zum Opfer fallen könnte; 1947 aber kündigten die USA ihre Unterstützung für den Wiederaufbau in Westeuropa an - und die Menschen gewannen wieder Hoffnung. Das, was wir heute zur Bekämpfung des islamistisch-fundamentalistischen Terrors bräuchten, sei ein neuer „Marschallplan“, so forderte Avi Primor. Und eine solche Initiative stünde im Interesse aller Staaten und würde für die reicheren Länder keineswegs große finanzielle Lasten mit sich bringen. Rund 2 Billionen Dollar stünden zur Verfügung, opferten diese Staaten lediglich 1% des Bruttosozialproduktes. Verwalten solle das Geld ein internationales Gremium, und der Blick der Menschen könne auf diese Weise „in eine andere Richtung“ gelenkt und Hoffnung auf eine bessere Zukunft vermittelt werden. Aus Mangel an Fanatismus würden die Terrororganisationen vom Schlage Al Qaidas automatisch marginalisiert.

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Über 200 Interessierte kamen in das Restaurant Leineschloss

Die Entwicklungen in den arabischen Ländern, den palästinensischen Autonomiegebieten und die Politik Israels bewertete Avi Primor denkbar spannend: Die iranische Politik sei etwa als Versuch zur Erringung regionaler Vorherrschaft mit Hilfe des Besitzes von Atomwaffen zu begreifen. Auf diesem Weg könne Iran 57% der weltweiten Erdölreserven unter seine Kontrolle bringen. Der daraus entspringende Machtzuwachs wäre für rational denkende Iraner viel attraktiver, als ideologisch motivierte, selbstmörderische Bestrebungen zur Vernichtung Israels. Es müsse mehr getan werden, um die iranische Bevölkerung aufzuklären, die überwiegend weder antiamerikanisch noch antiisraelisch eingestellt sei. Man dürfe die Menschen nicht durch militärische Angriffe an die Seite ihrer Regierungen treiben. Was von der Iranpolitik des neuen amerikanischen Präsidenten Barack Obama bislang erkennbar sei, müsse deshalb begrüßt werden. Zum Dialog mit Iran oder mit den Taliban in Afghanistan gebe es keine Alternative, urteilte er.

Die mangelnde Bereitschaft zur Integration vieler in den westlichen Demokratien lebenden Moslems bereitet Sorge. Wenn in der 3. Generation von Einwanderern dieser Wille nicht erkennbar sei, läuft etwas falsch, meinte Avi Primor. Er verwies auf die Frage der Gleichberechtigung von Mann und Frau und bedauerte, dass nicht wenige muslimische Frauen das Tragen eines Kopftuch mittlerweile als Ausdruck eigener Identität begriffen. „Die glücklichen Sklaven sind die größten Feinde der Freiheit“, zitierte er Marie von Ebner-Eschenbach.

Die Friedensvorschläge für den Nahen Osten würden die meisten Israelis akzeptieren, die gleichwohl nicht an ihre Realisierbarkeit glaubten; und zwar weil das für die israelische Bevölkerung zentrale Element in allen Plänen und Vorschlägen fehle: Sicherheit für Israel. Frieden bestehe heute mit den Ländern jener Herrscher, die dieses israelische Bedürfnis klar erkannt hätten: König Hussein von Jordanien und der ägyptische Präsident Anwar as-Sadat. Die Fähigkeit des Präsidenten der palästinensischen Autonomiebehörde, Mahmud Abbas, sich gegen die radikale Hamas im Gazastreifen durchzusetzen, müsse skeptisch bewertet werden.

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Nach dem Gespräch signierte Avi Primor Exemplare seines Buches

Zu den Motiven des jüngsten israelischen Angriffes auf den Gazastreifen bot Avi Primor folgende Einschätzung: Die israelische Regierung habe den Angriff wegen des Drucks aus der Bevölkerung unternommen. Sie habe damit einerseits versucht, die Hamas zu schwächen, so dass sie einen Waffenstillstand akzeptiert; gleichzeitig sollte die palästinensische Bevölkerung gegen die Hamas aufgebracht werden und sich aus eigenem Antrieb gegen die Kriegstreiber wenden. Mit diesen Zielen sei Israel jedoch grandios gescheitert, die Hamas habe den Kampf gar nicht angenommen. Von den 13 Gefallenen Israels seien acht Opfer von „friendly fire“. Die Bevölkerung stehe nur noch stärker hinter der Hamas. Man müsse deshalb erkennen, dass es ohne die Hamas keinen Frieden geben werde und verhandeln, so Primor. Alle anderen Möglichkeiten – Gewalt, Sanktionen etc. – habe man erfolglos probiert. Außerdem sei Israel bereits in Gespräche mit der Hamas eingetreten, etwa anlässlich des Abzuges 2005 aus Siedlungen im Gazastreifen und im Westjordanland. Damals habe die Hamas Wort gehalten und die Armee nicht attackiert. Es gelte zudem eine Annäherung unter den Palästinensern zu fördern und den Dialog fortzusetzen. Schließlich müssten die USA sich endlich mit aller Konsequenz im Nahostkonflikt engagieren. Zahllose diplomatische Anstrengungen, alle Pläne und Vorschläge könnten die ernsthafte Bereitschaft auch zum militärischen Einsatz nicht ersetzen. Alles hänge von den USA ab.

Avi Primor entwickelte diese „Vision“ weiter: Die Lösung für die verwickelte Situation im Nahen Osten bestünde in einer vergleichsweise kleinen internationalen Truppe mit einem robusten Mandat zur Herstellung von Sicherheit. Die Soldaten müssten aktiv vorgehen gegen Attacken, das stünde auch im Interesse der palästinensischen Bevölkerung, die die Soldaten wegen des mit ihrem Eintreffen verbundenen Rückzuges der israelischen Armee als Befreier begrüßen würde. Eine derartige Truppe solle am besten die Europäische Union stellen, dabei könnten muslimische Soldaten - etwa aus der Türkei - eingesetzt werden, die zur Akzeptanz der Mission bei den Menschen beitrügen. Für eine solche Truppe wären darüber hinaus folgende Voraussetzungen unerlässlich: 1. Unterstützung durch die USA; 2. Unterstützung durch Saudi-Arabien und Ägypten; 3. Zustimmung der palästinensischen und israelischen Bevölkerung.

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