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„Ich werde nicht müde, lasse nicht nach, gebe mich nicht geschlagen."

Wie führende Politikerinnen Lateinamerika verändern

Mit Kraft, Überzeugung und viel Idealismus prägten 18 Frauen aus 10 Ländern Lateinamerikas ein Treffen führender Politikerinnen in San José, Costa Rica, das weit davon entfernt war, historische Diskurse des Feminismus aufzuwärmen, sondern mit den Augen einer größeren Teilhabe von Frauen auf die regionale politische Agenda blickte.

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Nach Begrüßungsworten von Pedro Munoz, Parteichef der Christdemokraten Costa Ricas, hob Juan Carlos Latorre, Präsident der Organisation der lateinamerikanischen Christdemokratie hervor, dass jede echte Demokratie selbst die gleichberechtigte Teilnahme aller einfordert. In Lateinamerika müssten Diskriminierungen überwunden werden, die Frauen in der Vergangenheit zu oft benachteiligt hätten.

Kristin Wesemann, Leiterin des KAS-Regionalprogramms politische Parteien und Demokratieförderung, unterstrich die Notwendigkeit politischer Parteien auf die Vision von Frauen zu bauen, um die komplexe, international verwobene Gegenwart auf politischer, wirtschaftlicher und sozialer Ebene in Gänze zu erfassen. Auf dem teilweise langen Weg zu mehr politischer Teilhabe in Parteien und Politik ermutigte sie die Frauen nicht nach zulassen. Das Treffen, das dem Austausch von Erfahrungen über die Rolle der Frauen in Lateinamerika diente und die politische Wirklichkeit der einzelnen Länder analysierte, solle jede Einzelne stärken, um weitere Herausforderungen anzunehmen.

Venezuela im Fokus

Drei mutige Venezolanerinnen, unter ihnen Marialbert Barrios, die jüngste Abgeordnete des Landes, zeichneten ein düsteres Bild der humanitären Krise, die ihr Land durchlebt. Aus den Augen der Frau habe das Scheitern der Politik Venezuela zur höchsten Sterberate von Müttern in Lateinamerika geführt. Die hohen Preise und Versorgungsengpässe, die langen Schlangen für grundlegende Lebensmittel, "schaffen ein gravierendes Problem der Zukunft Venezuelas: eine unterernährte Generation", führte Elaisa Ferris aus. Hinzu komme das Fernbleiben der Kinder vom Schulunterricht, da diese Schlange stehen müssten, um das Lebensmittelpaket CLAP mit kalorienreicher Nahrung zu erstehen. In Venezuela können 17,2 Prozent der Kinder nicht zur Schule gehen, da ihre Mägen leer sind. Nun hat die Regierung von Nicolas Maduro noch 8200 Schulen die Hilfe bei der Schulspeisung gekappt, mehr als eine Million Schüler und 5000 Lehrer bleiben ohne Mahlzeiten.

Die Abgeordnete Dinorah Figuera ergänzte, dass regierungstreue Frauen an die Spitze von öffentlichen Institutionen gesetzt würden, um die humanitäre Krise kleinzureden oder die Menschenrechtsverletzungen zu rechtfertigen.

Viele der anwesenden Frauen wollten mehr zum von der Oppositionskoalition MUD (Mesa de la Unidad) betriebenen Referendum über eine mögliche Absetzung von Präsident Maduro erfahren. Dinora Figuera unterstrich: "Venezuela will den Wandel. Wir wollen einen demokratischen Wechsel und mehr als 90 Prozent der Bevölkerung sagen, dass er verfassungskonform erfolgen solle. Die Regierung behauptet, wir suchten den Staatsstreich, aber Staatstreiche sind eine Sache der Militärs und heute liegt die militärische Hoheit in den Händen der Regierung. Wir haben ein verfassungskonformes Mittel, das Referendum."

Die Abgeordnete Marialbert Barrios hob hervor, dass “jede Frau, die Politik betreibt, tut das Gleiche wie ein Mann. Wir leben diese Mischung aus Idealismus und Suche nach Gestaltungsraum in dem wir die Wähler repräsentieren sind. Im Kampf um Freiheit und Humanität darf das Geschlecht keine Rolle spielen."

Quoten, positive Aktionen, Beiträge und Herausforderungen für Frauen in der Politik

Eine zentrale Frage in Lateinamerika lautet: “Wie können Frauen einfacher und mehr in politische Verantwortung kommen?” In Costa Rica etwa gibt es ein Gesetz der Frauenquote, das Esmeralda Britton, die Frauenbeauftragte der christdemokratischen Partei (PUSC) vorstellte.

Am anderen Ende Lateinamerikas, in Uruguay, hat diese Quote kaum geholfen, Hürden für Frauen abzubauen, die sich politisch engagieren wollen. Die Senatorin Verónica Alonso erklärte, dass in ihrem Land im Privatsektor sieben von 10 Frauen Unternehmerinnen mit Master-Studium seien, in der Politik sich diese Proportion jedoch nicht widerspiegle. Die Parteibasen seien voll von Frauen, die Schaltstellen der Macht leider nicht. Es gebe Widerstände seitens der Männer, aber auch der Frauen aufgrund der patriarchalen Strukturen in denen wir leben. Frauenquoten alleine lösten dieses kulturelle Problem zwar nicht, würden aber dennoch helfen.

Der Beitrag der Frau in der Politik sei ohne Zweifel wertvoll und nicht weniger wertig als der der Männer. Er ist anders und in dieser Andersheit liege ihr größter Mehrwert, unterstrich Alonso. Die Herausforderung sei, dass künftige Generationen diesen Beitrag als selbstverständlich und normal ansähen und nicht als eine Ausnahme. Erziehung sei hierfür der Schlüssel.

Frauen zögen den Konsens der Überlegenheit des Egos vor, was ein Schlüssel sein könnte, damit die Quoten bald der Vergangenheit angehörten. So wie heute nicht mehr darüber diskutiert werde, ob Frauen wählen dürften oder nicht, so sollten auch in Zukunft keine Quoten mehr nötig sein, damit Frauen Politik betreiben. Ein faires und ausgewogenes Rennen der Geschlechter um die wichtigsten Ämter gehöre hoffentlich bald schon zum normalsten von der Welt. Alonso ergänzte, dass sich auch der Stellenwert der Mutterschaft und der Zeit, die eine Frau der Erziehung ihrer Kinder widme, ändern müsste. Schließlich solle er nicht nur wahrgenommen, sondern auch als Modell auf die Männer übergehen, so die uruguayische Senatorin.

Dass weibliche Stimmen sich zu den zentralen Themen der politischen Agenda äußern sollten sei fundamental, wie die argentinische Abgeordnete Cornelia Schmidt-Liermann hervorhob. Es gehe nicht an, dass Frauen sich nur um softe Themen wie Bildung oder Soziales bemühen dürften. In ihrer Fraktion im argentinischen Parlament hätten sich Frauen schon erfolgreich um Themen wie Landwirtschaft oder die Inklusion im Fußball gekümmert. Abgeordnete aus Costa Rica und anderen Ländern unterstrichen die Forderung, Frauen auch über die wichtigsten Ressorts wie Finanzen oder Außenpolitik bestimmen zu lassen. Als Referenz nannten viele der Teilnehmerinnen wiederholt die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihren politischen Weg.

Frauen auf dem Boden der Tatsachen, die Problemen der Menschen klar im Blick

Es ist erstaunlich, welche Kraft und Hingabe Frauen einer Sache widmen, von der sie überzeugt sind. Sie machen oft den gewissen Unterschied einer Partei oder bei einem politischen Projekt aus, wie aus den Zeugnissen der teilnehmenden Frauen in San José hervorging. Egal, ob an der Seite der Ärmsten oder als Entscheidungsträgerinnen, Frauen seien gerufen, die politische Agenda ihres Landes mit dem realen Alltag aller Frauen zu verbinden und zu versuchen, mehr Frauen für das politische Engagement zu gewinnen. Als Politikerinnen mit christlich-humanistischem Wertefundament betonten die Präsentationen aus 10 Ländern den hohen Stellenwert der Verteidigung der Demokratie, der Menschenrechte, der Freiheit und anderer humanistischer Werte.

Schließlich hätte der lateinamerikanische Sänger Luis Fonsi wohl nie gedacht, dass sein Refrain „Ich werde nicht müde, lasse nicht nach, gebe mich nicht geschlagen“ einmal zur Hymne eines Frauentreffens werden würde, dass alle 18 Teilnehmerinnen aus voller Kehle immer wieder anstimmten. Er wäre sicherlich stolz auf die Energie und Tatkraft, die diese Frauen und dieses Treffen auszeichnete. Fortsetzung folgt.

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Dr. Kristin Wesemann

Dr

Leiterin Strategie und Planung

kristin.wesemann@kas.de +49 30 26996-3803

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