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Veranstaltungsberichte

„Wenn Menschen wieder wichtiger werden…“ :: Beginn des Campus Adenauer zu Wahlkampfstrategien

von David Brähler

25 Wahlkampfexperten Lateinamerikas und Deutschlands sind in Montevideo am Start

2017 steckt voller spannender Wahlkämpfe. Es braucht viel Know-How, um dieses demokratische Instrument erfolgreich zu spielen. Das Regionalprogramm Parteienförderung in Lateinamerika lud 25 Kommunikations- und Wahlkampfexperten zum Austauschen und Netzwerken nach Montevideo, einem ersten Teil des Campus Adenauer: Wahlkampfstrategien.

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Netzwerke bilden, Nachwuchs fördern und Parteien beraten seien drei Schwerpunkte des Regionalprogramms Parteienförderung und Demokratie der Konrad-Adenauer-Stiftung e.V. mit Sitz in Montevideo, wie die Leiterin Kristin Wesemann zu Beginn hervorhob. „Parteien werden gestärkt durch den Blick über den Tellerrand“, so Wesemann. Man wolle „von Parteien für Parteien“ gemeinsam die Demokratie stärken.

Zu Beginn des Workshops gab Klaus Schüler, Bundesgeschäftsführer der CDU Deutschlands und Wahlkampfmanager Angela Merkels, einen Überblick über die wichtigsten Trends und die „Do’s and Dont’s“ moderner Wahlkampfführung. In seiner Darstellung ließ er dabei nicht nur Erfahrungen und Erkenntnisse aus Wahlkämpfen in Deutschland einfließen, sondern auch aus vielen anderen Ländern sowie aus dem regelmäßigen Austausch mit Kollegen und Experten im Campaign Managers Committee der IDU, des weltweiten Dachverbandes christlich-demokratischer und konservativer Parteien, dessen Vorsitzender Schüler seit vielen Jahren ist.

Schüler betonte in seinem Vortrag insbesondere die Notwendigkeit einer sorgfältigen Planung, einer präzisen Analyse der Ausgangslage der politischen Wettbewerber sowie einer präzisen Definition eigener strategischer Ziele.

„Wahlkampf ist keine Frage der Intuition, sondern eine Frage der sorgfältigen Planung und harter Arbeit“, so Schüler.

Für eine erfolgreiche Kampagne sei das abgestimmte Zusammenspiel von Strategie, Kommunikation und Organisation entscheidend.

„Kommunikation und Organisation einer Kampagne folgt dem strategischen Plan. Keine erfolgreiche Kampagne ohne vernünftige Organisation, kein Zuspruch beim Wähler ohne effektive und relevante Kommunikation“.

Diese Grundsätze erläuterte er auch am Beispiel verschiedener Wahlkämpfe in Deutschland.

Bezüglich der Kommunikation betonte Schüler insbesondere die Fokussierung auf die wesentlichen zentralen Botschaften. Bezüglich der Organisation insbesondere die Notwendigkeit klarer Abläufe, Zuständigkeiten und Entscheidungswege.

Schüler skizzierte die politische Ausgangslage sechs Monate vor der Bundestagswahl und zeigte die politischen Alternativen auf, zwischen denen die deutsche Bevölkerung im Jahr 2017 wählen werde. Anschließend erläuterte er die strategischen, kommunikativen und organisatorischen Grundzüge der Wahlkampagne Angela Merkels.

Er hob hervor, dass die Ausgangslage für die Union insofern durchaus chancenreich sei, als die Zustimmungs- und Zufriedenheitswerte mit der Bilanz der Regierung und insbesondere der Lage auf dem Arbeitsmarkt und bei der wirtschaftlichen Entwicklung gut seien und eine Wechselstimmung deswegen zurzeit nicht festzustellen sei.

Allerdings wies er auf die generell gestiegene Volatilität des Wählerverhaltens hin, weshalb sich der Ausgang der Wahl erst in unmittelbarer Nähe des Wahltags entscheiden werde. Mehr als 40 Prozent der Menschen entschieden sich erst kurz vor der Wahl, ob und wen sie wählten. Insofern ergebe sich die Notwendigkeit mit langem Atem bis zum letzten Tag für eine Mehrheit für Angela Merkel und die Union zu kämpfen. Dabei werde die CDU neben massenmedialer Kommunikation über traditionelle Medien, die in Deutschland nach wie vor von großer Bedeutung seien, ebenso über soziale Medien, deren Bedeutung im Anwachsen begriffen sei, den Kontakt mit Wählerinnen und Wählern suchen, vor allem aber auch über das direkte Gespräch mit dem Bürger, insbesondere durch verstärkte Haustürbesuche.

In verschiedenen Diskussionsrunden über moderne Wahlkampfführung und politische Kommunikation vertieften die Teilnehmer die Frage der Auseinandersetzung zwischen gemäßigten politischen Kräften der Mitte und populistischen Parteien am linken und rechten Rand des politischen Parteienspektrums. Hierzu gab es einen regen Austausch über Strategien und Erfahrungen in Lateinamerika und Europa. Angesichts der vielen gemeinsamen Herausforderungen, denen sich gemäßigte politische Parteien der Mitte gegenüber sehen, wurde von den Teilnehmern übereinstimmend der hohe Wert und die dringende Notwendigkeit intensiven Austauschs, nicht zuletzt auf Veranstaltungen wie dem KAS-Workshop in Montevideo, hervorgehoben.

Der Landesvorsitzende und Fraktionsvorsitzende der CDU in Mecklenburg-Vorpommern Vincent Kokert führte die Politikexperten in die deutsche Parteienlandschaft ein. „Dass es von 1945 bis 1980 vor allem drei Parteien gab, hat für viel Stabilität gesorgt“, so Kokert. Aus wichtigen gesellschaftlichen Trends seien im Laufe der Zeit die Partei die Grünen und die Alternative für Deutschland entstanden. Die Angst vor Islamisierung und Zuwanderung sei bis heute das alleinige Thema der AFD.

Der Rechtspopulismus sei in vielen Ländern Europas auf dem Vormarsch. Sowohl in Deutschland, als auch in Frankreich würden Rechtspopulisten mit russischem Geld unterstützt. Ihr Zugewinn an Boden in vielen Kernländern Europas beruhe auf drei Säulen: einerseits der Angst vor dem Islam, andererseits die Gegnerschaft zur EU und drittens der Angst vor dem sozialen Abstieg. Dies spreche viele Menschen an, die Migration und Globalisierung kritisch sähen – sowohl auch rechter, als auch auf linker Seite. Es sei erstaunlich, wie sich die rechten und linken Ränder annäherten.

In der Folge habe das politische Interesse und Austausch in sozialen Medien zugenommen. Viele Rechtspopulisten informierten sich jedoch ausschließlich über letztere Medien, was zur Konstruktion einer eigenen Realität führe. Die Medienstrategie des konstanten Tabubruchs brauche effektive Antworten der etablierten Parteien. Zu den Herausforderungen gehöre die Repräsentationslücken zu schließen, den Rechtspopulisten ihre Nahrung zu entziehen – vor allem eigene Schlagzeilen – und echte Alternativen zu bieten.

Im Gespräch mit den Teilnehmern gestand der Abgeordnete ein, dass die medialen Bilder der Flüchtlingsströme gemeinsam mit einer zu späten politischen Reaktion zu einer großen Verunsicherung geführt haben. Die anschließenden Maßnahmen zur Verschärfung der Asylgesetze seien bei einem Großteil der Menschen gar nicht angekommen. Die Angst vor Terror bleibe und könne nur durch das direkte, persönliche Gespräch beantwortet werden.

Die Venezolaner Armando Briquet und Alejandro Vivas brachten Licht in die verworrene Situation ihres Heimatlandes Venezuela. Zwischen 1999 und 2005 sei eine konstante Machtzunahme des mittlerweile verstorbenen Präsidenten Hugo Chavez zu beobachten gewesen. Seit sich die Opposition ab 2006 diesem Trend entgegengestellt habe, sei sie bis auf den heutigen Tag stark angewachsen. „Im Jahr 2012 stellte sich der weniger bekannte Oppositionsführer Henrique Capriles dem übermächtigen Hugo Chavez entgegen“, so Briquet. In den Mittelpunkt seiner Kampagne habe Capriles die Antagonie von Vergangenheit und Zukunft gestellt. Auf Grundlage einer Datenbank verschickte man schon damals Textnachrichten an segmentierte Wählergruppen, um diese für das Zukunftsprojekt zu gewinnen. Als Hugo Chavez plötzlich verstarb, seien genau 37 Tage bis zur Wahl verblieben. Dennoch gewann sein Nachfolger in der Partei Nicolas Maduro. Bei den Parlamentswahlen 2015 habe die Opposition im Zusammenschluss aller Oppositionsparteien zu einem Bündnis eine neue Chance gesehen. Die ausgefeiltere Strategie mit Fokus auf Wechselwähler bescherte den erhofften Sieg. Dennoch habe sich die Lage durch immer diktatorischere Maßnahmen der Regierung, die Auflösung der Gewaltenteilung und die Missachtung der Menschenrechte immer weiter verschlechtert.

Gegen diese staatliche Kontrolle der Medien, der Politik und des Alltags stemme sich seit Jahren die größte Oppositionspartei Primero Justicia, wie Alejandro Vivas ausführte. „Um zu bewegen, muss man zunächst kommunizieren und wissen was man sagen will“, so der Kommunikationschef von Primero Justicia zu Beginn seiner Präsentation. Parteien müssten einen Kontakt zu den Menschen aufbauen, sie überzeugen und gewinnen und sie schließlich zu den Wahlurnen bewegen. Die Wahlkreise seien in kleinste Einheiten unterteilt worden und Parteimitglieder kümmerten sich vor Ort um den Wahlkampf.

Während am Anfang der 2000er Jahre der Opposition noch die traditionellen Medien zur Verfügung gestanden hätten, könne man heute ausschließlich die sozialen Netzwerke und andere digitale Kanäle nutzen. „Gegen die massive Falschinformation seitens der Regierung, können nur unsere eigenen, gut informierten Mitglieder ein wirksames Schutzschild bilden“, so Vivas.

Die gut aufgestellte Kommunikationsabteilung von Vivas übersetze die jeweilige politische Entscheidung und Strategie in Kommunikation mit den Mitgliedern.

Der dramatische Kampf gegen die schikanös agierende Regierung beeindruckte die anwesenden Wahlkampfexperten. Die Regierung setze aktuell darauf die Opposition immer weiter auszuschalten, in dem sie ihre Anführer aus dem Weg räume. Deshalb, so Vivas, sei insbesondere die internationale Unterstützung von entscheidender Bedeutung, um die Regierung auf ihre Fehler hinzuweisen.

Der langjährige brasilianische Politikberater Carlos Manhanelli wies den Weg politischer Kommunikation. Parteien und Politiker dürften hierbei keine halben Sachen machen. Wer nur zum Selbstzweck kommunizieren wolle, sei auf dem Holzweg. Wesentlich wichtiger als finanzielle Ressourcen sei eine klare Botschaft. Eine Botschaft müsse dann mindestens 12 mal wiederholt werden, um beim Wähler wirklich anzukommen. Dazu seien alle verfügbaren Kanäle zu nutzen. „Doch das Ganze funktioniert nur mit einem Plan. Wer nicht plant, hat kein Ziel“, so Manhanelli. Politiker und Parteien müssten dazu sehr genau die Medien- und Kommunikationslandschaft ihres Landes kennen. Die eigene Botschaft gut zu verkaufen, sei die Aufgabe guten Marketings. Die sozialen Netzwerke böten dazu exzellente Möglichkeiten. Doch Kommunikation alleine könne auch keine Wunder bewirken. Es gehe darum ehrlich die Wahrheit zu kommunizieren und kein Theater zu spielen. In Brasilien fehle der Politik und den Politikern jede Glaubwürdigkeit. Dies spiele populistischen Tendenzen in die Hände und lasse neuerdings vor allem Unternehmer als erfolgreiche Manager in den Blick der Wähler geraten. Diesen traue man mit ihrer administrativen Kompetenz eher zu ein Land zu führen als dem politischen Establishment.

Das kleine Andenland Ecuador durchlebte erst kürzlich einen spannenden Wahlkampf. Die sozialistische Regierung des Präsidenten Rafael Correa habe eine Wahlreform durchgedrückt, die der Mehrheit der eigenen Partei in die Hände spiele, so der Politikberater Diego Carrasco. „Nur 20 Prozent aller existierenden Parteien dürfen überhaupt zu Wahlen antreten“. In den Vorwahlen seien aufgrund der Wahlreform nur 35 Prozent aller Wählerstimmen gültig geblieben. Da die Regierung die nationale Wahlagentur kontrolliere, stünden die Oppositionsparteien konstant unter Beobachtung, während die Regierungspartei einen Freifahrtschein für ihre Arbeit erhalte. Die Staatsmedien hätten zudem mehr als 60 Prozent ihrer politischen Sendezeit zur Diskreditierung des Oppositionskandidaten Guillermo Lasso verwendet.

Am Wahltag habe sich die Bedeutung des Internets bewiesen. Je mehr Menschen einer Gegend Zugang zu unabhängigen Medien gehabt hätten, desto mehr sei der Oppositionskandidat Lasso gewählt worden, so der Politikwissenschaftler. Aus den Wahlen in April ging die Regierung schließlich sieghaft hervor, obwohl viele die Sauberkeit der Wahl anzweifeln. „Wenn ein ganzer Staat gegen einen unabhängigen Kandidaten kämpfe, bliebe diesem ‚David‘ keine Apellationsinstanz mehr gegen ‚Goliath“, so Carrasco.

Im zentralamerikanischen Costa Rica laufen sich aktuell fünf große Parteien für die kommenden Wahlen warm. Die Vertreter der Partei Unidad Social Cristiana (Pusc) Pablo Abarca und Agustín Castro berichteten von einem großen Misstrauen der Bevölkerung gegenüber der etablierten Politik. „Im Augenblick kämpfen zwei große Oppositionsparteien um die Gunst der Wähler“, so Abarca. Zu den zentralen Problemen gehörten Arbeitslosigkeit, eine schwächelnde Wirtschaft und Korruption. Zu den Stärken seiner Partei, der Pusc, so Castro, der gerade erst vom Tourismussektor in die Politik gewechselt ist, gehörten viele Nachwuchspolitiker, die der Partei eine neue Dynamik verliehen hätten.

Vladimir Peña aus Bolivien präsentierte als Case Study den erfolgreichen Wahlkampf gegen die vierte Wiederwahl des Staatspräsidenten Evo Morales. Dessen Aufruf zu einem Verfassungsreferendum habe die Opposition unter dem Motto „Bolivia dice NO“ – Bolivia sagt Nein geeingt und mobilisiert. 10 klare Gründe für das Nein, ein schlagender Slogan und die Nutzung der Anti-Regierungsstimmung hätten dem „NO“ schließlich zum Sieg verholfen. Der Rückenwind dieses Wahlkampfes habe sich zuletzt im Zusammenschluss eines Oppositionsbündnisses demokratischer Kräfte niedergeschlagen, so Peña.

Ein Shootingstar der lateinamerikanischen Politik ist die chilenische Präsidentschaftskandidatin der Christdemokratie Carolina Goic. Innerhalb veralteter und traditionell männlicher Strukturen versuche die Senatorin einen neuen Stil zu pflegen, suche Ausgleich und Erneuerung, so Jorge Pereira. Der Kontext sei ein Erdbeben an aufgedeckten Korruptionsskandalen in Staat, Politik und öffentlichen Institutionen, erklärte Pereira, der als Goics Pressesprecher arbeitet. Mit einer extremen Rechten und Linken müsse sich die große Mitte der Bevölkerung für einen neuen politischen Weg entscheiden. Die Christdemokratie hoffe, dass Goic Teil dieses Weges werde.

Im moderierten Abschlussgespräch des Tages verwies Klaus Schüler auf die Bedeutung, nicht zu schnell zu Urteilen über eine Lage zu kommen. Dies sei ein ernstes Gebot jeder Strategie. Er habe den Tag entlang gelernt, dass die Demokratie kräftig und lebendig sei in Lateinamerika. „Die Demokratie ist in Bewegung, da vieles in der Welt in Bewegung ist“, so der Wahlkampfmanager der CDU. Es sei eine gute Nachricht, dass die Wähler wieder wichtiger würden. Damit würde die Konjunktur für die christdemokratischen Werte günstiger. Das Zukunftsmodell für das 21. Jahrhundert kann konservativ sein, wenn man dies definiere. Der entscheidende Punkt liege im Abwägen von Bewahren und Verändern. Dies antworte auf die Bedürfnisse von Sicherheit und Fortschritt. Moderne Parteien bräuchten mehr Beteiligung von Jugend und Frauen. „Wir sind gut beraten mehr Frauen in politische Verantwortung zu bringen und damit letztlich unsere Wählerchancen zu steigern“, so Schülern.

Wenn Menschen wieder wichtiger würden, dann auch das Mittel des Tür-zu-Tür-Wahlkampfs. Dies favorisiere die Demokratie, die davon lebe, das eine Mehrheit sich beteilige und von dieser Staatsform überzeugt sei.

Der Kern politischer Kommunikation sei das Warum, das der Wähler von den Parteien einfordere. Hier liege eine Chance tiefer zu reflektieren und sich über das eigene Engagement klar zu werden. „Die Macht steht im Dienst des Ziels das Leben von Menschen zu verbessern“, unterst ich der Berater.

Als Konsequenz aus diesen Eckpunkten gelte es Parteistrukturen zu professionalisieren, Nachwuchs zu rekrutieren und Mitglieder zu schulen. Dazu komme der Aspekt des Austausches und Netzwerkens: „Wir gewinnen Stärke, wenn wir von einander lernen“, bemerkte der Bundesgeschäftsführer der CDU.

Bezüglich politischen Engagements in repressiven Systemen äußerte Schüler seinen tiefen Respekt vor den entsprechenden Parteien. Der Geist der Freiheit sei aus der Flasche und die Menschen ließen sich nicht auf Dauer einsperren. Der lange Weg zur Freiheit sei am Ende ein erfolgreicher.

„Wenn wir Gläubwürdigkeit gewinnen, dann gewinnen wir Vertrauen und wenn wir Vertrauen gewinnen, gewinnen wir Wahlen“, so Schüler

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