Veranstaltungsberichte
Der zweite Tag des Campus Konrad Adenauer stand unter ganz praktischen Vorzeichen. Die Grundlagen, die Arbeitsweise und die Theorie des Populismus waren ja erklärt. Und zwar so weit, dass die Teilnehmer selbst – junge Politiker aus 12 Ländern Lateinamerikas – meinten: „Wir dürfen das Thema nicht überanalysieren.“ Dafür war an diesem Tag gleichwohl gar keine Gelegenheit. Danny Freymark und Christian Graeff, beide Mitglieder des Berliner Abgeordnetenhauses, zeigten ihren lateinamerikanischen Kollegen, wie sie in Berlin Politik machen und die Menschen dabei mitnehmen. Beiden haben ihre Wahlkreise im Osten der Stadt direkt gewonnen – und zwar dort, wo sonst oft die Linke reüssierte. Populismus, vermeintlich einfache Lösungen für komplizierte Probleme, das kennen beide schon aus vielen Jahren in der Lokalpolitik. Beide haben es geschafft, die Bürger mit ehrlicher, respektvoller und kontinuierlicher Arbeit zu überzeugen. Und dennoch sind sie besorgt. „Ich bin traurig, dass man in einem Land wie Deutschland heute, mehr als 70 Jahre nach dem Ende des 2. Weltkriegs, wieder unsere Demokratie infrage stellt,“ sagt Freymark von der CDU Berlin Hohenschönhausen. Denn genau das machen die Populisten, die von rechts angreifen. Und sie haben einen starken Nährboden. Vorurteile, Abneigung gegen die politische Klasse insgesamt, schlichtweg Desinteresse – all das sind Phänomene, mit denen sich die Berliner Abgeordneten täglich auseinandersetzen müssen. Umso stärker würden Volksparteien gebraucht. Doch auch sie sind längst in den Schlechtmacherjargon der Populisten eingegangen. Die Partei Alternative für Deutschland (AfD) schert Christdemokraten, Sozialdemokraten und Grüne gar über einen Kamm, „alte Parteien“, „Kartellparteien“ seien sie. Davon abgesehen, dass das nicht stimme, so Freymark, sprächen die AfDler den Parteien eine ihrer wichtigsten Aufgaben ab: das ständige Streiten, Ringen, Diskutieren, um zu einem Konsens zu kommen. Freymark sagt, Konsens, das sei Vernunft, das sei der Kern jeder demokratischen politischen Entscheidung.
„Populisten kommen dann zum Zuge, wenn es Gesellschaften zu gut oder zu schlecht geht,“ sagt der Abgeordnete. Und natürlich dann, wenn Themen über die Gesellschaften hereinbrächen. In Deutschland seien das die so genannte Eurokrise, der Brexit und vor allem die vielen Flüchtlinge gewesen, die in die Bundesrepublik gekommen seien. Die AfD, das erklärte Christian Gräff, sei im Zuge der Diskussion um die Griechenlandkrise entstanden. Doch erst die Migration habe die Partei richtig stark gemacht. Seitdem aber viele Menschen gemerkt hätten, dass die Flüchtlinge den Menschen in der Bundesrepublik nichts wegnähmen, seien die Umfragewerte wieder geringer geworden. Wie eine Berg- und Talfahrt sieht der Chart der Zustimmung zur AfD aus. Und dennoch säße die Partei mittlerweile in vielen Lokal- und Länderparlamenten. Doch was lässt sich tun? Was kann jeder einzelne Politiker tun, um populistischen Avancen Einhalt zu gebieten?
Zunächst einmal, so Freymark, müsse man wieder viel mehr mit den Menschen reden, „ihnen unsere Politik wieder besser erklären“. Wir Politiker müssen uns vorwerfen, zulange nicht mehr zu den Menschen gegangen zu sein“. Aber man lebe ja nicht auf einem anderen Planeten. „Wir müssen überall hingehen, auch wenn man uns eigentlich gar nicht sehen will. „Erklären, erklären, erklären: gerade wenn es um komplizierte politischen Entscheidungen geht.“ Denn: „Wer Fragen stellt, muss Antworten erhalten.“ Er, Freymark, mache damit die besten Erfahrungen. Auch solle man die Menschen in die Parlamente holen, an der Politik teilhaben lassen. Ein Zahlenbeispiel ist eindringlich: Nur 16000 Besucher pro Jahr habe das Berliner Abgeordnetenhaus. Die Stadt aber habe 3,5 Millionen Einwohner, 12 Bezirke und 78 Wahlkreise. Die Zahl sei viel zu gering, sagen die Abgeordneten. Vielmehr müssten die Bürger sich jeden Tag selbst als Teil des Parlaments verstehen. Denn: „Wir sind die Vertreter der Bürger und die Menschen sollten spüren, dass sie auch ein bisschen Abgeordnete sind, wenn sie uns wählen.“
Die Politiker des Red Humanista, die sich der vielen unterschiedlichen Realitäten in ihren Ländern bewusst sind, nahmen den Ball auf, erläuterten die vielen Hindernisse, die sie täglich zu überwinden hätten, um bei den Menschen auf Verständnis zu stoßen. Doch eine Wahrheit kristallierte sich auch hier heraus und Danny Freymark fasste sie zusammen: erfolgreiche Politik brauche vor allem ein Ziel, Durchhaltevermögen, Kraft, Ethik, Moral, ein gutes Team, und ja, auch eine gute Finanzplanung.