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Veranstaltungsberichte

Campus Konrad Adenauer :: Politische Parteien und gute Regierungsführung auf kommunaler Ebene

von David Brähler

„Wenn wir es vor Ort selber machen, gelingt es am Besten“

Lokale Probleme dort lösen, wo sie entstehen, ist die Überzeugung kommunaler Selbstverwaltung. Für vier Tage treffen sich auf dem Campus Adenauer Bürgermeister und Gemeindevertreter aus Argentinien und Uruguay, um ihre unterschiedliche Perspektiven und Erfahrungen über den Rio de la Plata hinweg auszutauschen.

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Schon am ersten Tag war der Enthusiasmus, lokal etwas Großes zu schaffen, unter den Teilnehmern spürbar. Bei Andres Abt, der als Bürgermeister der Partido Nacional für die Stadteilgemeinde CH in Montevideo ohne große Erfahrungen angetreten war, spürte man die Begeisterung für sein Amt. Die Buchstabenbezeichnung seiner Gemeinde wandelten er und sein Team in das programmatische Motto „Cambiemos Haciendo“ um – „den Wandel schaffen“. Die aus sechs Stadtteilen bestehende Gemeinde zeichnet sich durch große Pendlerzahlen aus, darunter viele Schulkinder. Mit knapp vier Millionen Dollar Budget gestalten die fünf Mitglieder des Gemeinderates und Bürgermeister Abt und 136 Angestellten eine große Zahl von Aktivitäten.

„Die Leute müssen uns als gestaltenden Teil einer Verbesserung der Lebensqualität sehen“, so Abt. Das friedliche und sichere Zusammenleben, Inklusion und Umweltschutz sowie eine saubere und dynamische Gemeinde seien klare Ziele des Gemeinderates. Die größte Herausforderung stelle die Anonymität dar. „Bei uns kennen sich kaum die Nachbarn über die Straße“, unterstrich Abt. Als Regierung wollten sie als nahe und konkrete Gestalter wahrgenommen werden. Die direkte Kommunikation mit den Bürgern helfe, Probleme schon vor ihrer Eskalierung zu erkennen und zu lösen.

Abt und seine Mitstreiter der Partido Nacional sehen sich selbst auch als Protagonisten. „In unserer Partei gibt es niemanden, der vorher in Montevideo Bürgermeister gewesen wäre.“ Er und sein Team müssten selbst innovativ sein und könnten nicht auf gemachte Erfahrungen zurückgreifen. Für die gesamte Partei in ihren verschiedenen Sektoren sei die Zusammenarbeit in einer Gemeinde ein wichtiges Experiment. „Nur wenn die Partei geeint auftrete, habe sie auch bei den kommenden nationalen Wahlen eine echte Chance“, so der Bürgermeister.

Da die Mehrheit der Angestellten einem anderen politischen Lager angehört, ist die Zusammenarbeit herausfordernd. Dies bedeute, dass alle im Team sich die Ärmel hochkrempeln und Detailarbeit im Kleinen leisten müssten. Schon jetzt ernteten Sie viel Anerkennung von ihren Parteikollegen. „Auch die Rückmeldungen aus der Bevölkerung stimmen uns sehr zufrieden“, so Abt. Wenn eine kleine Verbesserung im Viertel zu glücklicheren Menschen führe, sei dies eine große Motivation.

Eine andere Vorkämpferin der Kommunalpolitik ist Dina Fernández. Die promovierte Anwältin hat einen langen politischen Werdegang und ließ sich zur Bürgermeisterin der neu geschaffenen Gemeinde der Stadt Maldonado wählen. Seit 2012 machte sie sich mit ihrem Team daran, Daten zu allen möglichen Themen der Gemeinde zu sammeln und zu veröffentlichen. „Verlässliche Daten sind eine wichtige Grundlage für Vertrauen und Transparenz“, so Fernández. Mehr als nur Statistiken auf einer Webseite zu publizieren, dienten offene Datenbanken zur konkreten Interaktion – dies zeigten erfolgreiche Beispiele aus Spanien, England und Mexiko. „Informationen stärken die Bürger in ihrer politischen Mündigkeit“, so die Bürgermeisterin. Angesichts des Misstrauens gegenüber Amtsträgern weltweit, sei die Arbeit mit öffentlichen Daten eine gute Investition.

Ein zweites Thema, dem sich Fernández verschrieben hat, ist das elektronische Wahlsystem. Das kontrovers diskutierte Thema kommt vor allem aufgrund des häufigen Wahlbetrugs bei analogen Wahlsystemen auf. In Maldonado wurden auf Betreiben der Bürgermeisterin die ersten Wahlen mit elektronischem Wahlsystem überhaupt in Uruguay erfolgreich durchgeführt. Die guten Erfahrungen mit einer kostenfreien Softwareversion des elektronischen Wählens könne man gut replizieren. Nur eine freie Software könne bei auch nur dem kleinsten Zweifel auditiert und von jedermann überprüft werden. „Allein mit Transparenz kann Korruption erfolgreich bekämpft werden“, unterstrich Fernández.

Diese Pionierarbeit ernte jedoch nicht nur Jubel. Selbstverständlich gebe es Zweifel und Kritik, ob man diesen Weg auch in größerem Rahmen verfolgen solle. Die argentinischen Teilnehmer hoben hervor, dass auch in Argentinien erfolgreiche Pilotprojekte in mehreren Städten durchgeführt wurden. Eine gute Ausbildung und Durchführung seien jedoch unerlässlich, um dieses Instrument gut zu nutzen.

Einen Blick auf das größere Ganze brachte Yenis Carmona ein, die als Organisationsberaterin die Tücken und Herausforderungen von gutem Management kennt. „Als Berater unterstützen wir jedwede Organisation, die Veränderungsprozesse durchläuft, diese methodisch, organisatorisch und personell gut zu steuern“, so Carmona. Besonders der technologische Wandel habe sich über die letzten 30 Jahre enorm beschleunigt. Neue Technologien veränderten auch die Verhaltensweisen der Menschen und seien auch Herausforderungen für das Vertrauen der Bürger in die Politik. „Sich verändern fällt keinem leicht“, so die Beraterin. Der Leidensdruck aber auch das Leiden am Wandel seien Emotionen, die ernst genommen werden müssten. In der Übergangsphase von einem Zustand zum anderen bestünden die größten Risiken. Entscheidend für den Erfolg sei eine genaue Kenntnis der Werte, Traditionen und bestehenden Kultur einer Bevölkerung oder Abteilung vor dem Projektstart. „Die meisten Projekte, die scheitern, denken nur an Infrastruktur und den neuen Zielstand und vernachlässigen das konkrete Befinden der Menschen“, so Carmona. Bei knapp 40 Prozent der Betroffenen eines Projektes müsse sehr intensive Überzeugungsarbeit geleistet werden, und 30 Prozent ließen erst nach erfolgreichem Abschluss des Projekts ihre Skepsis fallen. Deshalb müssten die drei Säulen Wissen, Kommunikation und menschliche Dynamik im Mittelpunkt des Projektmanagements stehen.

Der Ökonom Hernán Bonilla lenkte den Blick der Teilnehmer auf die Frage, was eine erfolgreiche kommunale Geschäftsführung eigentlich ausmache. „Es ist besser hoch gesteckte Ziele zu verfehlen, als mittelmäßige zu erreichen“, so Bonilla. Zunächst sollte die eigene Mission klar umrissen sein, um anschließend strategische Ziele abzuleiten. Es könne helfen, die größten Stärken und Schwächen, sowie Gelegenheiten und Bedrohungen festzuhalten, um die eigenen Amtsgeschäfte strategisch zu steuern. Danach beginne das detaillierte Management klar beschriebener Ziele mit einem effektiven Monitoring, dass den Erfolg oder Misserfolg messen könne.

Der Experte für kommunale Finanzangelegenheiten Daniel Sureda erklärte, dass aktuell die Gelder für Gemeinden in Uruguay seitens der höheren Regierungsebene -- der Departamentos – zugeteilt würden. Unterm Strich, so Sureda, komme bei den Bürgermeistern und ihren Gemeinden recht wenig an. Und der Umstand, kaum auf eigene Finanzierungsmittel zugreifen zu können, bedinge eine klare Abhängigkeit. Zwar hätten die Budgets der Departamentos in den letzten 25 Jahren stetig zugenommen, hätten aber gemessen an ihrem Anteil am Bruttoinlandsprodukt abgenommen. Angesichts dieser Situation gelte es als Amtsträger jede Gelegenheit für Investitionen, Querfinanzierung oder Sparmöglichkeiten zu suchen. In der Beziehung zwischen den Departamentos und Gemeinden gelte es aufeinander zuzugehen und gemeinsam nach einer besseren Zuteilung der Gelder zu suchen. Als Staat habe Uruguay noch einen langen Weg der Optimierung der Finanzierung der kommunalen Ebene zurückzulegen.

Die Landräte der Departamentos von Cerro Largo, Sergio Botana, und von Florida, Carlos Enciso, beschrieben die Herausforderungen in ihrem politischen Amt. Als ursprünglich zentralistischem Staat koste es Uruguay eine wesentlich größere Kraftanstrengung gegenüber föderalen Systemen, Macht und Autorität auf die kommunale Ebene zu verlegen. Viele strukturell ungelöste Aspekte stünden eigentlich im Hintergrund des Kampfes zwischen Departamentos und Gemeinden um mehr Budget.

Der zweite Tag des regionalen Campus stand im Zeichen des Blicks über den eigenen Tellerrand. Der Erste Kreisbeigeordnete des Landkreises Fulda, Frederik Schmitt, präsentierte in ausführlichen Best Practice-Beispielen die Kommunalverwaltung eines deutschen Landkreises.

„In Deutschland gibt es seit knapp 200 Jahren kommunale Selbstverwaltung“, so Schmitt. Die Kommunen seien allzuständig und dem Staat nicht rechenschaftspflichtig. Die einzelnen Gemeinden schlössen sich dann zu kommunalen Verbänden, den sogenannten Landkreisen zusammen, um an diese Aufgaben zu delegieren, die sie selbst nicht erfüllen könnten. „Der Landkreis ist für die Gemeinden da. Er ist nicht dem Staat Rechenschaft schuldig, sondern den Gemeinden“, so Schmitt. Diese Tatsache war besonders für die uruguayischen Teilnehmer ein wichtiger Gesichtspunkt, da hier die umgekehrte Logik herrscht, dass von oben und nach unten regiert wird.

Der Landkreis Fulda mit seinen knapp 220.000 Einwohnern stehe wirtschaftlich sehr gut da und verzeichne Vollbeschäftigung, unterstrich der studierte Anwalt. Demokratisch werde der Landkreis durch den sogenannten Kreistag vertreten, dem 81 ehrenamtliche Abgeordnete aus den Gemeinden angehörten. Die in Abteilungen gegliederten Aufgaben werden gemeinsam vom Landrat und dem Ersten Kreisbeigeordneten als stellvertretendem Landrat geführt.

Doch alle Aufgaben kosteten Geld, weshalb die Finanzierung der Gemeinden ein entscheidender Punkt sei, so Schmitt. Die Gemeinden finanzierten sich aus drei Einnahmen. Erstens teile das Bundesland 15 Prozent der Einkommenssteuer den Gemeinden zu. Zweitens haben die Gemeinden Steuerhoheit, um Gewerbe- und Grundsteuer selbst zu erheben und festzulegen. Der dritte Teil der Finanzierung erfolge durch Beiträge der Bürger für Wasser, Abwasser und Infrastruktur und durch Gebühren wie etwa die Nutzung von Schwimmbädern, Bibliotheken oder Kindergärten.

In die Zuständigkeit des Landkreises fielen etwa die Unterhaltung von Schulgebäuden und Schulmaterialen; die Gesundheitsversorgung mit einem engmaschigen Notfallnetz; der Brand- und Katastrophenschutz oder auch die Abfallsammlung und –entsorgung. Dass jeder Haushalt vier Mülltonnen habe und Mülltrennung eigentlich eine Selbstverständlichkeit sei, sorgte ebenfalls für einen Aha-Effekt.

In einer äußerst lebendigen Diskussion wurde der stellvertretende Landrat zu fast allen Aspekten der kommunalen Selbstverwaltung in Deutschland und insbesondere Fulda gelöchert. Wie funktioniere die Wasserreinigung genau und wo arbeiteten den die 1000 Mitarbeiter des Landkreises, waren nur einige der interessierten Fragen.

Als gutes Praxisbeispiel präsentierte Schmitt die Müllverwertung in seinem Landkreis. Papier werde sofort in die Papierverwertung und alles Plastik sofort in die Erzeugung neuer Plastikprodukte gegeben. Vor wenigen Jahren habe der Landkreis ein deutschlandweit innovatives Projekt zur Umwandlung von Bioabfällen in Biogas entwickelt. Dieses System funktioniere sehr erfolgreich. Da man Gas zwischenlagern könne, sei dieser Energieträger eine nachhaltige Abfallwiederverwertung.

David Brähler

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