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China Verstehen

Sonderausgabe 2024

Die Sonderausgabe 2024 von Dialógo Político bietet eine tiefgreifende Analyse zur geopolitischen Rolle Chinas in Lateinamerika und der Welt. Hier finden Sie die komplette Ausgabe.

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Partner, Konkurrent oder Systemrivale - oder vielleicht alles drei? Sicher ist, dass die Volksrepublik China zu einem unausweichlichen Faktor auf der internationalen Bühne geworden ist. Handel, Klimawandel, Ressourcenausbeutung, Investitionen, Netzwerke - keines dieser Themen kann ernsthaft angegangen werden, ohne Chinas wachsende Rolle auf der internationalen Bühne zu berücksichtigen.

In einem Kontext, der von Kriegen und geopolitischen Spannungen geprägt ist, müssen wir genau beobachten und vor allem daraus lernen, was in der chinesischen Politik offenkundig ist und was nicht. Das gilt für Lateinamerika und die Welt. Die Konfrontation zwischen zwei Gesellschaftsmodellen ist in verschiedenen Bereichen offensichtlich. Das „gemeinsame Schicksal der menschlichen Gemeinschaft“ wird nicht mehr vom Westen gelenkt werden. So zitiert Shi Ming Xi Jinping. Unser Autor warnt, dass sich China „dem Hightech-Niveau der Vereinigten Staaten gefährlich annähern könnte“. Tim Rühlig warnt, dass China, um seinen Einfluss auszudehnen, „westliche Ansätze sorgfältig studiert und diese Praktiken selektiv modifiziert hat, um sie für die eigene Staatswirtschaft nutzbar zu machen“.

Im Hinblick auf die Wirtschaft stellt Alicia García Herrero fest, dass „das anhaltende Wachstum, die Arbeitskosten in China über einen längeren Zeitraum niedrig gehalten hat und dem Land geholfen hat, weltweit wettbewerbsfähig zu bleiben“. Dies ist einer der Gründe für das chinesische Wirtschaftswunder und die damit verbundene Befreiung von 800 Millionen Menschen aus der Armut. Die Kehrseite der Medaille ist die Unterdrückung der Menschenrechte, auf welche die Autorin Alicia Hennig eingeht.

China ist eine Herausforderung für Demokratie und Freiheit. Seine wirtschaftlichen und technologischen Errungenschaften positionieren es als eine Macht, die nicht mehr nur regional, sondern global ist. Es ist klar, dass hinter der sanften Politik und den unwiderstehlichen Angeboten seines gigantischen Marktes geopolitische Ziele stehen. Hinter den Exportchancen stehen Risiken, die rechtzeitig erkannt werden sollten.

Aya Adachi betont: „Lateinamerikanische Länder profitieren von der Ausweitung der Märkte für ihre Rohstoffe. Gleichzeitig sind sie der Konkurrenz durch chinesische Produkte ausgesetzt, was Druck auf die lokale Industrie ausüben kann“. Juan Pablo Cardenal weist seinerseits darauf hin, dass „die Rohstoffpreise in die Höhe schossen und die chinesische Nachfrage das BIP vieler Länder stark belastete“. Und er kommt zu dem Schluss, dass „die neue Welt, die aus der Pandemie hervorgegangen ist, das Ende der Globalisierung, wie wir sie kennen, und die Entstehung zweier ideologisch und geopolitisch gegensätzlicher Blöcke bedeutet“.

 

Die Schlüsselkomponenten von Soft Power sind Kultur, politische Werte und Außenpolitik. Der Autor Vladimir Rouvinski warnt davor, dass „China damit versucht, lateinamerikanische Regierungen und Völker für seine neuen globalen Initiativen zu gewinnen, welche darauf abzielen, die Architektur der künftigen Weltordnung neu zu gestalten“. Die Kehrseite der Soft Power sind die militärischen Ambitionen der asiatischen Macht. Die Autorin Meia Nouwens argumentiert, dass „die Volksbefreiungsarmee der bewaffnete Flügel der politischen Partei und nicht die Armee eines Landes ist“. Chinas Reformen, deuten darauf hin, dass es im Zweifel die Fähigkeit haben möchte, eine mögliche Wiedervereinigung auch mit Gewalt zu erreichen“.

 

Die Autorin Zsuzsa Anna Ferenczy analysiert das Thema im Zusammenhang mit dem Angriffskrieg gegen die Ukraine und kommt zu dem Schluss, dass „die Freundschaft zwischen Russland und China eine Weltordnung fördert, in der das Recht des Stärkeren gilt". David Merkle fragt, wie eine erfolgreiche Neukalibrierung der chinesischen Politik erreicht werden kann. Er kommt zu dem Schluss, dass „China unter Xi Jinping einen Kurs eingeschlagen hat, der den Westen selbst zunehmend als Gegner versteht und versucht, universalistischen Ansprüchen eigene Werte, Ideen und Normen entgegenzusetzen". Dies macht es unabdingbar, sich in der Interaktion mit China auf die eigene Widerstandsfähigkeit zu konzentrieren.

Das Szenario ist komplex und die Konflikte der letzten Jahre zeigen, wie schnell der als selbstverständlich geltene Frieden, verloren gehen kann. Die Volksrepublik China ist ein unumgänglicher Akteur, der einerseits einen gigantischen Markt bietet und andererseits im Zusammenhang mit Taiwan oder der Beschränkung des Marktzugangs seine Zähne zeigt. Lateinamerika hat in China einen Abnehmer für viele seiner Produkte, aber mehr noch einen eifrigen Käufer von Rohstoffen, der daran interessiert ist, deren Kommerzialisierung zu beeinflussen und seine Spielregeln durchzusetzen.

Mit Diálogo Político wollen wir zum Nachdenken über diese gigantische Herausforderung anregen, die von den Behörden, den politischen Parteien und der öffentlichen Meinung in Lateinamerika nicht immer ausreichend anerkannt zu werden scheint. Es ist nicht an der Zeit, naiv an scheinbar großzügige Angebote zu glauben. Im Gegenteil, es ist notwendig, das Kleingedruckte in Verträgen und Vereinbarungen zu lesen.

"Die Euphorie in Lateinamerika ähnelt der unseren (in Osteuropa) vor einem Jahrzehnt", sagt Martin Hála in einem Exklusivinterview mit Diálogo Político. Der tschechische Experte warnt vor der Tragweite von Freihandelsabkommen mit der kommunistischen Macht. Die chinesische Regierung entwickelt ein Projekt, das ihre Absicht zum Ausdruck bringt, die Weltordnung neu zu ordnen.

Das Überleben der Demokratie, der Regelordnung, der uneingeschränkten Geltung der Menschenrechte steht auf dem Spiel. Um dieser Herausforderung zu begegnen, ist ein gutes Verständnis von China zentral. China gut zu kennen, ist der erste Schritt zu einem guten Umgang mit China. Wir hoffen, dass diese Sonderausgabe einen Beitrag zu hierzu darstellt.

 

Sebastian Grundberger und Manfred Steffen

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