Veranstaltungsberichte
Wie lässt sich der aktuelle Stellenwert der Demokratie weltweit besser verstehen? Welche Entwicklungen lassen sich in den unterschiedlichen Nationen der Welt beobachten? Und nicht zuletzt, was müssen die demokratischen Parteien der Mitte in Lateinamerika und überall auf der Welt dafür tun?
Um diesen Fragen nachzugehen, haben sich in der vergangenen Woche Politiker der International Young Democrat Union (IYDU) sowie zahlreiche Mitglieder lateinamerikanischer KAS-Partnerparteien in Buenos Aires getroffen. Dort hatten die Konrad-Adenauer-Stiftung e.V. Montevideo und die Jugendorganisation der Partei Propuesta Republicana (PRO) Argentinien eine Vielzahl von politischen Workshops, Treffen, Vorträgen, Diskussionsrunden mit hochrangigen Vertretern aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft sowie Wahlkampfstrategen und Kommunikationsexperten organisiert.
Alle Teilnehmer hatten sich schon im Vorfeld über die sozialen Netzwerke miteinander verbunden, man mochte einander schon, obwohl sich die meisten vorher noch nie begegnet waren. Nach einer kurzen Begrüßung am 31. August durch Olaf Jacob und Kristin Wesemann, die jeweiligen Leiter der Auslandsbüros der KAS in Buenos Aires und Montevideo, hieß Juan Gowland, der Sekretär für Internationale Beziehungen der Jugend der Partei PRO, alle Anwesenden willkommen. Er ermutigte die Teilnehmer zu einem dynamischen Austausch während der Zeit in Buenos Aires. Die gemeinsame Arbeit sei von hoher Bedeutung in der internationalen Zusammenarbeit und stärke die Gemeinschaft. Argentinien und PRO stünden zurzeit an einem entscheidenden Punkt vor den Parlamentswahlen im kommenden Jahr, sodass Einblicke in die Regierung und den Wahlkampf spannend und aufschlussreich sein würden.
Am Folgetag besuchte die Gruppe gleich zwei Mal die Casa Rosada, den argentinischen Präsidentenpalast. „Wir sind überzeugt davon, dass wir als demokratische Nation eine führende Rolle in der Region Lateinamerika übernehmen sollten.“ So drückte es der Chef der Präsidentschaftsverwaltung aus. Die Herausforderung läge darin, PRO als sehr junge Partei weiter zu stärken und gerade in ländlichen Gegenden mehr Unterstützer zu finden.
„Organisationen wie der Mercosur müssen bestärkt werden, um die Dynamik zwischen den lateinamerikanischen Staaten beizubehalten.“ Länder wie Venezuela und Brasilien sollten in der Demokratisierung nicht den Mut verlieren. Das Beispiel von PRO, die nach nur zehn Jahren Bestehen nun den Präsidenten Mauricio Macri stellt, wurde hier mehrfach genannt und der Optimismus der Partei unterstrichen.
Eine bedeutende Rolle in der entscheidenden Präsidentschaftswahl 2015 spielte der Wahlkampf, dessen Kampagnenplanung bereits drei Jahre im Voraus begonnen hatte. Federico Morales, Wahlkampfstratege bei PRO und heute Staatssekretär für Zivilgesellschaft, und sein Stellvertreter Guillermo Riera haben bei der Umsetzung der Kampagne mitgewirkt. Heute sitzen sie in der Casa Rosada und gaben den Teilnehmern des Treffens wertvolle Einblicke in das Vorgehen der erfolgreichen Wahlkampagne, aber auch die Kommunikation von der Regierungsbank aus. „Wahlkampf sollte heute viel persönlicher ablaufen und es ist wichtig, mit jedem individuell in Kontakt zu treten“, betonte Riera. „Das Smartphone und die sozialen Netzwerke haben unsere Möglichkeiten dabei revolutioniert.“
Ein Teil des Wahlerfolgs ließe sich durch den angebrachten Umgang mit sozialen Medien erklären, bestätigte auch Pedro Robledo, der Präsident der PRO-Jugend. „Vor zehn Jahren hätte es niemand für möglich gehalten, dass eine neue Partei an die Regierung gelangen würde“, sagte Robledo. „Wir wollen unseren Erfolg teilen, damit auch demokratische Parteien anderer Länder das Unmögliche möglich machen können.“
Die Nähe zu den Menschen sei hierbei der springende Punkt – im Wahlkampf sind PRO-Leute durch das ganze Land gefahren, haben an Türen geklingelt, sich mit Familien zusammengesetzt und einfach zugehört. Erfahrungen wie diese gäben mehr Feingefühl für die Bedürfnisse der Menschen als jede statistische Erhebung, so Robledo. Es sei auch wichtig, die Politik den Leuten wieder näher zu bringen. Persönlicher Kontakt baue hierbei die Glaubwürdigkeit des politischen Systems wieder auf, die es vor allem durch ausufernde Korruption und den Klientelismus der Vorgängerregierungen verloren hatte. Die aktuelle Wirtschaftslage und hohe Arbeitslosenquoten machten es der Regierung um Präsident Mauricio Macri schwer, das Vertrauen des Landes zurückzugewinnen.
Einen tieferen Einblick in Argentiniens Wirtschaft und Finanzen gab der Präsident der argentinischen Zentralbank, Federico Sturzenegger. „Krisen und Veränderungen brauchen Zeit“, betonte er. Auch wenn positive Entwicklungen momentan noch nicht für alle spürbar seien, befinde sich Argentiniens Wirtschaft auf dem Weg der Besserung. Hierbei glaube er nicht an Zauberei, sondern an den Wert von harter und ehrlicher Arbeit.
Ähnliches hob im Anschluss die Senatorin der Provinz Córdoba und stellvertretende Parteivorsitzende Laura Rodríguez Machado hervor. Bei einer Gesprächsrunde im argentinischen Kongress zeigte sie sich offen und sprach mit den jungen Politikern über die Herausforderungen, die lateinamerikanischen Staaten auf dem Weg zu einer stabilen Demokratie noch bevorstünden. Mehr junge Menschen erneut für die Politik zu begeistern sei ein wichtiger Schritt und Rodríguez ermutigte die Teilnehmer, ihr Ziel nie aus den Augen zu verlieren. Auch in Ländern wie Venezuela, wo Populismus vorherrsche, solle sich die Bevölkerung die Hoffnung nicht nehmen lassen.
Mehrmals kreisten die Gespräche in diesen Tagen um die Situation in Venezuela, wo zur gleichen Zeit eine Demonstration mit bis zu einer Million Protestierenden gegen die Regierung von Nicolás Maduro stattfand. Die Teilnehmer des Freiheitsforums standen hier geschlossen hinter dem einzigen venezolanischen Teilnehmer, Juan Galindez, dem Vertreter der Partei Primero Justicia.
Zu Beginn des zweiten Seminartages begrüßte der Minister für Modernisierung der Nation Andrés Ibarra die internationale Jugend. Auch er sprach von den Schwierigkeiten, die die neue Regierung nach den Amtszeiten von Néstor und Cristina Kirchner zu überwinden habe. Trotz aller Herausforderungen plädierte Ibarra vor allem für Gleichheit und soziale Gerechtigkeit: „Nichts rechtfertigt eine Verletzung der Demokratie.“ Die Regierung um Macri arbeite hart für einen modernisierten, effektiveren Staat, der mit sozialer Ungleichheit und hohen Arbeitslosenzahlen abschließen wolle.
Einen Einblick in die Armut des Landes, die aufgrund der Wirtschaftslage weiter wächst, bekamen die Politiker bei ihrem Besuch des „Comedor de los Piletones‘‘. Die Suppenküche in Villa Soldati, einer der informellen Siedlungen am Rande von Buenos Aires, wird von der Margarita-Barrientos-Stiftung geleitet. Hier werden von vierzig freiwilligen Helfern täglich 2.600 Rationen an Bedürftige ausgegeben. Nebenbei betreut die Stiftung, die nach ihrer Schirmherrin benannt ist, einen Kindergarten, ein Seniorenzentrum und einen Zufluchtsort für Opfer von häuslicher Gewalt. Barrientos begeisterte die Besucher mit ihrem Enthusiasmus und der Kraft, mit der sie ihre Projekte aufgebaut hat. Für viele wird sie als gutes Beispiel für Solidarität und Willenskraft in Erinnerung bleiben.
Einen Abschluss fand die ereignisreiche gemeinsame Zeit in einem Workshop. Inspiriert von den Eindrücken und Erfahrungen der vergangenen Tage tauschten sich die jungen Politiker über die aktuellen Situationen in ihren jeweiligen Heimatländern aus und sprachen über ihre Ziele in den kommenden Wochen und Monaten. Carlo De Romanis aus Italien betonte, dass man in Europa stark sein solle gegen den Terror und die Angst, die er verbreite. Syrila Makarezou sprach über die Folgen der Finanzkrise in Griechenland, und Khalil Baraoumi über die Fortschritte, die Tunesien seit dem arabischen Frühling gemacht habe.
Bemerkenswert war die freundschaftliche und familiäre Stimmung, die während des gesamten Seminars unter den Teilnehmern herrschte. Nun aber heißt es, das Gelernte nachzuarbeiten und in die eigenen Parteijugenden zu tragen. Während der Tage in Buenos Aires waren die Sozialen Netzwerke hier ebenso treue Begleiter wie Videobotschaften. Gerade die Parteijugenden in Lateinamerika stehen vor der Herausforderung sich zu öffnen und zusammenzuarbeiten. Der Workshop hat hierfür wichtige Impulse geschaffen.
Von Annika Müller