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Veranstaltungsberichte

Moderne Wahlkampagnen

Arbeitstreffen von Politikberatern

In dem komplexen politischen und sozialen Kontext Lateinamerikas müssen sich die demokratischen politischen Parteien der vom Populismus ausgehenden Herausforderung stellen. Können sich die demokratischen Kräfte an die neue Wirklichkeit anpassen und sich als echte und attraktive Alternative für bewähren? Wird es ihnen gelingen, das öffentliche Interesse in Lateinamerika zu repräsentieren und verwalten? Wenn die Parteien diese neuen Herausforderungen erfolgreich meistern wollen, ist die Stärkung ihrer Strukturen und die Ausbildung neuer Führungskräfte unerlässlich.

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Diese Fragen standen im Mittelpunkt eines Workshops von Wahlkampf- und Kampagnenberatern, der am 8. und 9. April in Lima, Peru, stattfand. Zu den Teilnehmern gehörten mehrere, der politischen Beraterorganisation OCPLA nahestehende Senior-Berater sowie Nachwuchsexperten. Die Auswahl der Länder erfolgte mit Blick auf interessante zurückliegende und künftige Wahlszenarien (Argentinien, Uruguay und Mexiko). Aus Deutschland war Barbara Richstein, Mitglied des Brandenburger Landtags, eingeladen. In ihrem Vortrag fokussierte sich die Abgeordnete auf die Situation in Deutschland nach den jüngsten Regionalwahlen und auf den Einfluss der Migrationsströme auf das Wählerverhalten.

Das Wahlszenarium in Peru

Der peruanische Berater Víctor Rojas übernahm die Aufgabe, den Anwesenden das komplexe Wahlszenarium seines Landes zu erläutern. Er prophezeite, dass diese Präsidentschafts- und Kongresswahl die letzte sei mit analogen Kandidaten, aber digitalen Wählern. Er hob die Kontinuität der Wahlen hervor, so dass von einer Konsolidierung der Demokratie in Peru gesprochen werden könne. Allerdings zeichne sich die Parteienlandschaft durch eine extreme Zersplitterung und Fragilität der Wahlbündnisse aus. Zu Beginn des Wahlkampfes traten 19 politische Parteien an. Die Zahl sei bezeichnend für die Situation in mehreren Ländern Lateinamerikas: Früher habe sich die politische Ausrichtung der Parteien mit derjenigen der in Peru tätigen deutschen politischen Stiftungen gedeckt. Heute sei die Situation im Wesentlichen durch Zersplitterung und Fragmentierung der Parteien gekennzeichnet. Zugleich verhielten sich die Parteien deutlich pragmatischer.

Zu den Merkwürdigkeiten des peruanischen Wahlkampfes gehörte auch das Ausscheiden einiger Kandidaten. In einem durch einen eher diffusen Rechtsrahmen gekennzeichneten Kontext kam es ferner zu einem Ausschluss und einer „Tacha”, der Streichung eines Kandidaten mit steigender Zustimmung von Liste, die seine Partei aufgestellt hatte. In einem Fall wurden die internen demokratischen Parteiregeln nicht eingehalten (Guzmán). In einem zweiten Fall wurde Wählern Geld angeboten (Acuña).

Die Wahl selbst weist einige wichtige Neuheiten auf: Eingeführt wurde die Geo-Ortung der Bürger und ein einheitlicher Personalausweis. Die Reform des Wahlgesetzes erfolgte während des Wahlkampfes selbst. Die sich daraus ergebenden Folgen wurden nicht angemessen vorausgesehen, was zu Rechtsunsicherheit und Unzufriedenheit unter der Gefolgschaft der ausgeschlossenen Kandidaten führte. Das Wahlgericht sah sich gezwungen, anfechtbare Entscheidungen zu treffen. Rojas betonte, es sei weitestgehend Konsens, dass eine durchgreifende Reform erforderlich sei. Allerdings beklage man allgemein die Umstände, unter denen sie erfolgt sei. Der Experte beendete seinen Vortrag mit einem positiven Ausblick: Die Zusammensetzung des neuen Kongresses werde sein besser als die der vergangenen fünf Legislaturperioden.

Vortrag: Deutschland zwischen den Landtagswahlen

Der erste Vortrag der brandenburgischen Landtagsabgeordneten Barbara Richstein hatte die kürzlich abgehaltenen Wahlen in drei deutschen Bundesländern zum Gegenstand. Dabei stellte die CDU-Politikerin einige Unterschiede zu den Wahlen in Peru fest. Zum einen bestehe in Deutschland keine Wahlplicht, wobei weniger als die Hälfte von ihrem Wahlrecht Gebrauch gemacht habe. Zudem orientiere sich der deutsche Wahlkampf eher an Parteien und ihren Programmen und sei weniger personalisiert. Zwar nehme Bundeskanzlerin Angela Merkel eine klare Führungsrolle in der Christlich-Demokratischen Union ein, doch stehen programmatische Aspekte im Mittelpunkt der Kampagne. Laut Richstein ist in ihrer Heimat der Einsatz sozialer Medien weniger verbreitet als in Peru.

In einem kurzen Überblick über die jüngsten Wahlen in Deutschland erklärte die Abgeordnete über die Wahlkampfaussagen der CDU das ständige Bestreben der Partei, Unterstützung über die emotionale Ebene zu suchen, ohne dabei in einen Radikalismus zu verfallen. Schwerpunkte waren das Vertrauen in die Fähigkeit der Partei, die Krise zu lösen („Wir haben die Kraft“), die zentrale Rolle der Familie und die Verantwortung gegenüber den kommenden Generationen unter einer fähigen Führungspersönlichkeit („Deutschland in guten Händen“). Eine große Rolle spielte laut Richstein jedoch die Flüchtlingspolitik. Populistische Kräfte forderten das politische System der Bundesrepublik heraus.

Die Ankunft in Deutschland von rund einer Million Flüchtlingen in den vergangenen zwölf Monaten stelle eine bisher noch nie dagewesene Herausforderung sowohl in operativer als auch kultureller Hinsicht dar. Unter Führung von Angela Merkel stehe die Bundesrepublik aber weiterhin zu ihrer Solidaritätspflicht gegenüber den Flüchtlingen.

Die Ergebnisse der Landtagswahlen haben die Zusammensetzung der Parlamente verändert und dazu gezwungen, die jeweiligen Regierungskoalitionen zu überdenken. Andererseits konnte die populistische Rechtspartei Alternative für Deutschland (AfD) einen wichtigen Zuwachs verzeichnen; in Sachsen-Anhalt wurde sie mit 22 Prozent sogar zweitstärkste Kraft hinter der CDU. Die AfD richtete sich in ihrer Kampagne stark gegen die Einwanderung, im Ton war sie teils rassistisch.

Die Ergebnisse zeigen, dass die Wähler die Standhaftigkeit und Klarheit bei den Kandidaten honoriert haben. Loyalität zu Merkel wurde mit Stimmen belohnt.

Panel 1: Wahlkampf 2015 in Argentinien

Die Wahlkampagne in Argentinien wurde von Augusto Reina vorgetragen. Korreferent war Jorge Dell’Oro. Reina wies einleitend auf die politische Wechselhaftigkeit der argentinischen Wähler hin, die zu einem kaum voraussehbaren Wahlergebnis führte. Zwar ging der Regierungskandidat Daniel Scioli als Favorit ins Rennen, doch musste er sich schließlich in der Stichwahl dem Hauptstadtbürgermeister und Oppositionsmann Mauricio Macri geschlagen geben. Für Macri hatten sich zu Beginn des Wahlkampfes Umfragen zufolge lediglich 27 Prozent der Wählerschaft ausgesprochen. Damit ändert sich in Argentinien ein Muster, dass bis dahin immer stabil gewesen war. Andererseits war der von Néstor und Cristina Kirchner geführte politische Zyklus der längste in der argentinischen Geschichte. Mehr als zwölf Jahre lange hatte der sogenannte Kirchnerismus, eine linksperonistische Bewegung, das Land am Río de la Plata regiert. Am Ende jedoch wollte die Mehrheit der Argentinier „cambio“, den Wechsel.

Mauricio Macri konnte sich bei Beginn der Wahlkampagne auf eine erfolgreiche Regierungszeit an der Spitze der autonomen Hauptstadt Buenos Aires berufen, sah sich aber im Verlauf der Kampagne gezwungen, sein Image zu ändern. Zu Beginn des Wahlkampfes konnte man sich ihn nur schwer als einen sympathischen und volksnahen Politiker vorstellen. Allerdings bewies Macri eine große Lernfähigkeit. Er zeigte eine größere Nähe zur Wählerschaft und suchte auch das direkte Gespräch mit Anhängern der Gegnerpartei. Damit gelang es ihm, das Misstrauen gegenüber seiner Person, auf die die Kampagne des Regierungskandidaten Scioli aufbaute, auszugleichen. Sein Erfolg erklärt sich nicht zuletzt auch aus dem hervorragenden Abschneiden von María Eugenia Vidal als Kandidatin für das Amt der Gouverneurin der Provinz Buenos Aires und aus der Ablehnung, auf die der Kandidat der Regierungspartei bei der Wählerschaft stieß. Vidals überraschender Triumph in einer Hochburg des Peronismus war mitentscheidend für Erfolg Macris.

Reina hob anschließend die Erfolge der neuen Regierung in den ersten 100 Tagen ihrer Amtszeit hervor. Darunter nannte er konkret die Freigabe des Wechselkurses, die Aufhebung der Exportsteuer für Agrarprodukte, die Verbesserung in den Beziehungen zu Großbritannien, die Erhöhung des Grundfreibetrages der Einkommenssteuer und die Verhandlungen mit den Hedgefonds im argentinischen Schuldenstreit. Die Wahlergebnisse zeigten, dass die staatszentrierte Matrix in Argentinien weiterhin Bestand und sich die Gesellschaft in dieser Hinsicht nicht wesentlich umorientiert habe. Es gehe nicht so sehr um ein neues Regierungsprogramm, sondern eher um einen anderen politischen Stil, so Reina.

Panel 2: Wahlkampagne in Uruguay

Ignacio Zuasnabar stellte die Wahlkampagne in Uruguay vor. Korreferent war der Wahlkampfleiter der Partido Nacional, Daniel Supervielle.

Die Lage in Uruguay ist durch traditionsreiche politische Parteien und eine immer noch stabilen Stammwählerschaft gekennzeichnet. Für die Opposition kandidierte Luis Lacalle Pou, Sohn eines ehemaligen Präsidenten und Angehöriger einer alteingesessenen uruguayischen Familie. Dabei wurde ihm seine relative Jugend von einer in dieser Hinsicht eher konservativen Wählerschaft zur Last gelegt. Darüber hinaus fanden die Wahlen in einem Klima statt, das eine politische Kontinuität begünstigte.

Die Kampagne des pluralistischen Regierungsbündnisses Frente Amplio baute auf fünf Schwerpunkten auf, die den Kontext der progressiven Regierungen in Lateinamerika kennzeichnen: Abbau der Armut und Stärkung der Mittelschicht, Glaubwürdigkeit und Legitimität der Regierenden, umverteilungspolitische Maßnahmen, Ethik und Transparenz (Wir sind die Guten) und Vertretung der ärmeren Schichten der Bevölkerung.

Der Frente Amplio verwendete den Begriff der Gewissheit als Merkmal seiner Regierungsarbeit im Gegensatz zur Ungewissheit einer Opposition ohne Regierungserfahrung. Lacalle umging die Konfrontation und setzte im Wahlkampf unter dem Motto „Por la positiva” (Auf das Positive) mehr auf einen inhaltlichen Ansatz als auf Polemik. Zwar konnte er die Stichwahl nicht gewinnen, doch geht er aus dem Wahlkampf als Anführer der wichtigsten Oppositionspartei hervor. Dabei stehen seine Chancen gut, die nächsten Wahlen zu gewinnen. Die Regierungskoalition befindet sich dagegen in einer Führungskrise aufgrund schlechter Amtsführung und einer Reihe von Vorfällen, die die Glaubwürdigkeit der möglichen Kandidaten schwer angeschlagen hat. Bei den nächsten Wahlen dürfte sie gegen einen jungen und dynamischen Politiker antreten, und zwar in einem Kontext, in dem die Themen, auf die die Regierungspartei bisher ihren Erfolg stützte, nicht mehr die gleiche Bedeutung haben werden, sagte Zuasnabar abschließend.

Panel 3: Wahlszenarium in Mexiko

Arturo García Portillo, Mitglied der Partido de Acción Nacional (PAN), stellte die Wahllage in Mexiko dar.

2016 finden in Mexiko sowohl Präsidentschaftswahlen als auch Wahlen in den Bundesstaaten statt. Die zwölf Gouverneurswahlen dürften sich erheblich auf die kommende Präsidentschaftswahl auswirken. Dabei geht es darum, ob den Kandidaten auf nationaler Ebene Unterstützung zugesichert wird oder nicht. Die vier überregionalen Parteien in Mexiko haben erst vor kurzem ihre Spitzen neu gewählt. Zusammen mit der großen Anzahl von Kandidaten trägt dieser Umstand dazu bei, das Wahlpanorama noch unübersichtlicher zu gestalten.

García Portillo wies darauf hin, dass die Chancen der jeweiligen Kandidaten, als Sieger aus den Nationalwahlen hervorzugehen, von der jeweiligen Kandidatenkonstellation der anderen Parteien abhängen.

Prognosen sind laut García Portillo schwierig: Jeder Kandidat habe mehr oder weniger Chancen – je nachdem, wer als Kandidat der Gegenpartei antritt. Andererseits stellten junge Kandidaten oder Politiker, die nicht zu den etablierten Parteien gehörten, ebenfalls eine Herausforderung für die etablierten Kräfte dar.

Verboten waren während der Kampagne frei ausgehandelte Hörfunk- und Fernsehwerbung. Besondere Bedeutung kommt somit der Territorialstruktur der Parteien zu sowie ihrer Fähigkeit, ihre Gefolgschaft zu mobilisieren.

Vortrag: Einfluss der Migration auf die politische Debatte in Deutschland

Schwerpunkt des zweiten Vortrags der Landtagsabgeordneten Barbara Richstein war der Einfluss der Migrationsströme auf die politische Diskussion in Deutschland.

Weltweit gebe es Millionen von Flüchtlingen, die Sicherheit und die Aussicht auf ein würdiges Leben suchten, sagte Richstein einleitend. Die Ankunft von hunderttausenden von Flüchtlingen in Deutschland habe eine große Solidarität in der deutschen Bevölkerung ausgelöst, in der Hilfsbereitschaft und Solidarität mehrheitliche Werte seien. Allerdings gibt es laut Richstein auch leidenschaftliche Diskussionen in der europäischen und deutschen Gesellschaft sowie innerhalb der politischen Parteien. Die CDU bilde dabei keine Ausnahme.

Die Populisten sehen in der Ankunft der Migranten einen Vorteil für ihre Wahlchancen, da sie ihren Diskurs auf der Angst vor eben diesen Migranten aufbauen. So kam es auch zu Demonstrationen gegen die Flüchtlinge und sogar zu Anschlägen und Aggressionen, die aber bei der überwiegenden Mehrheit der Deutschen Empörung hervorriefen. In diesem Kontext der Polarisation verläuft die Diskussion nicht immer respektvoll. Die Bestimmungen des deutschen Sozialwesens, die festlegen, dass den Flüchtlingen Mindestvoraussetzungen zu bieten sind, führt ebenfalls zu Spannungen bei vielen Bürgern, die Angst haben, sie könnten einen Teil ihrer eigenen Sozialleistungen verlieren.

Die Integration ist keine Einbahnstraße, sagte Richstein. Anstrengungen seien von allen Seiten zu unternehmen. Die Bürger eines wirtschaftlich starken Staates mit einer großen Verantwortung wie Deutschland hätten offen für Veränderungen und neue Herausforderungen zu sein. Aber auch die Migranten müssten verstehen, dass es in Deutschland eine Leitkultur gebe und dass sie die Spielregeln des Gastlandes einzuhalten hätten. In Deutschland sei kein Platz für frauenfeindliches Verhalten, mangelnde Achtung vor Minderheiten oder Übertretung der verfassungsrechtlich gewährleisteten Menschenrechte, die eine Errungenschaft der westlichen Kultur darstellen.

Eine Volkspartei dürfe weder den Ereignissen hinterhereilen, noch den Menschen einen Weg vorgeben wollen. Mit diesen Worten fasste Richstein die Herausforderungen zusammen, vor denen die CDU steht. Die Flüchtlinge seien eine Herausforderung für ganz Europa, aber, und so die Politikern deutlich: „Wir werden das schaffen.”

Manfred Steffen

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