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Testfall für die Demokratie :: Wie Jugend Politik macht und Wahlen unter die Lupe nimmt

von David Brähler

Campus Konrad Adenauer in Costa Rica aus Anlass der internen Wahlen der Partei PUSC

Wenn im Februar 2018 die Präsidentschaftswahlen in Costa Rica anstehen, ist die christlich-soziale Partei Pusc vorbereitet. Im Vorfeld ihrer internen Vorwahlen, die generell als Testlauf gelten, brachte der Campus Konrad Adenauer des Regionalprogramms Politische Parteien und Demokratie der Konrad-Adenauer-Stiftung e.V. 20 Nachwuchspolitiker aus acht Ländern Lateinamerikas zusammen, um über Strukturen politischer Jugendorganisationen zu diskutieren und die Wahlen zu beobachten.

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Am frischen Sonntagmorgen dröhnen vor dem ersten Wahllokal in einem ruhigen Viertel San Josés – der Hauptstadt Costa Ricas – folkloristische Rhythmen aus großen Boxen. Während die jungen Wahlbeobachter bewaffnet mit Fragebogen und einem Umhängeschild, dass sie als akkreditierte „observadores internationales“ ausweist, aus dem Bus steigen, rücken Wahlhelfer noch Schulbänke zur Seite, um die Grundschule des Viertels in das Wahllokal ihrer Partei zu verwandeln. „Ich bin zum ersten Mal Wahlbeobachter und will viel für meine Partei und mein Land Bolivien lernen“, sagt Tito Ibanez, der unerschrocken die ersten Wahlhelfer in ihren bunten T-Shirts anspricht und interviewt. Knapp 200.000 Bürger erwartet die Partei, um für einen der beiden internen Spitzenkandidaten und darüber hinaus für eine Reihe von Vorsitzenden der Parteigruppierungen für Jugendliche, Frauen und Lehrer zu stimmen.

„Man muss kein Parteimitglied sein, um mitzumachen. Die interne Vorwahl dient gerade dazu, der Öffentlichkeit zu zeigen, wie viele Menschen die Pusc in mehr als 400 Wahllokalen im ganzen Land mobilisieren kann, um sich für 2018 warm zu laufen“, erklärt Sergio Araya des lokalen Büros der Konrad-Adenauer-Stiftung e.V., als begleitet von einem Schwarm Journalisten der Ex-Präsident Miguel Angel Rodriguez zur Urne schreitet. Gerne lässt er sich zu einem Selfie mit den jungen Wahlbeobachtern überreden, bevor diese zum nächsten von insgesamt sechs Wahllokalen an diesem Sonntag aufbrechen.

Am Nachmittag zuvor führte Pedro Munoz als aktueller Präsident der Pusc die Teilnehmer des Campus Adenauer in den internen Wahlkampf in Costa Rica ein. „Nach vielen Jahren an der Macht, verlor unsere Partei sozial-christlicher Strömung angesichts des linken Populismus jeglichen Einfluss. Heute erleben wir ein Comeback, das vor allem mit den richtigen Themen zusammenhängt“, so der Anwalt und Autor. „Unser Verkehrssystem hat mit der Entwicklung nicht Schritt gehalten. Unser Bildungssystem ist für das 20. Jahrhundert ausgelegt. Das Gesundheitssystem ist nicht zufriedenstellend in Costa Rica“, zählte Munoz auf. Die Jugend sei aufgefordert diese Themen anzupacken. „Meiner eigenen Partei fehlt noch der Mut diese Ungerechtigkeiten anzusprechen und anzupacken“, bekannte der Politiker offen. „Als Partei brauchen wir über diese Klärung unserer eigenen Identität als Partei hinaus, zudem den nötigen Biss, um dieses Land gestalten zu wollen“, ergänzte. Deshalb brauche es mehr Aufbruchsstimmung – besonders unter den Jugendlichen. „Wenn wir nicht mutig sind, kommen wir nicht an die Macht“, rief Munoz den Teilnehmern motivierend zu. Stil, Agenda und gute Projekte garantierten, so der Präsident zum Schluss, dass dieses Mal auch junge Politiker an die Macht kommen könnten.

Verónica aus Uruguay, die bei ihrem Rundgang einen weiteren Fragebogen abhakt, bestätigt diese Worte des Vortags: „Auf die Partei kommt viel Arbeit zu. Die Stimmung ist super und die Leute fühlen sich wohl in ihrer Partei. Doch bis zur Macht ist es noch ein langer Weg“, sagt sie.

Ein Zeichen der Hoffnung ist deshalb gerade die Jugend, die an diesem Wahltag leider an vielen Urnen durch Abwesenheit glänzt. Bei seiner Begrüßung am Tag zuvor erklärte der Noch-Präsident der Jugend der Pusc, Henry Salazar: „Noch vor drei Jahren war es undenkbar als Jugend überhaupt einen Saal wie diesen zu füllen.“ Man merkt Henrys Begeisterung an, dass er in den vergangenen Jahren schwer geschuftet hat, um in Kürze den Stab an einen Nachfolger übergeben zu können und selbst für einen Abgeordnetensitz im Parlament ins Rennen gehen zu können. „Ein echter Meilenstein war die Organisation einer Konferenz zum Thema Arbeitslosigkeit, die viele Jugendlichen angezogen hat“, so Salazar. „Daraus haben sich eine Gesetzesvorlage und viele neue Mitglieder unserer Jugendorganisation entwickelt“, ergänzte der Nachwuchspolitiker. In Costa Rica fehle der Jugend noch immer die Sichtbarkeit in der Politik. Dafür sei es entscheidend sich an die Spitze der Anliegen der costaricensischen Jugend zu stellen, um ihre Stimmen zu vertreten und zu gewinnen. „Wir dürfen keine Angst haben vor politischen Repressalien. Nur durch unsere Authentizität und Ehrlichkeit können wir andere Jugendliche anziehen“, resümierte der Jugendpräsident.

Während die Sonne an diesem Wahltag immer intensiver wird, erklärt Sergio Araya der KAS Costa Rica weitere Einzelheiten. „In Costa Rica schreibt mittlerweile das Gesetz Geschlechtergerechtigkeit der politischen Kandidaten und feste Plätze für die Jugend vor. Die Partei Pusc und eine weitere verfolgen ein offenes System für ihre internen Wahlen: Jeder Staatsbürger kann an der Urne für die Kandidaten abstimmen. Bei den restlichen Parteien ist für ein Mitspracherecht die Mitgliedschaft in dieser Partei nötig.“

Guido Peralta, Wahlbeobachter in Jeans und Sneakern, kennt das Thema nur zu gut. „Nur die massenhafte Ausbildung von Wahlbeobachtern, den sogenannten fiscales, hat meiner Partei geholfen, die Korruption und massive Wahlfälschung in Argentinien zu überwinden.“ Als rechte Hand des Präsidenten der Jugendorganisation seiner Partei Propuesta Republicana (Pro) zentralisiert Guido alle Gesetzesvorhaben für die Jugend Argentiniens. Am Vortag hatte er die Teilnehmer mit seiner Präsentation begeistert. Demnach lebe Pro von einer neuartigen Weise, Menschen für die Politik zu mobilisieren. „Unsere Strategen schauten sich vom Wahlkampf Obamas die Arbeit mit digitalen Instrumenten, den Tür-zu-Tür-Wahlkampf und die Arbeit mit motivierten Freiwilligen ab“, so Peralta zur Geburtsstunde der Partei Pro vor einigen Jahren. „In tausender kleiner Treffen im privaten Kreis jedes Stadtteils gewann die Idee neue Anhänger“, so Guido. „Diese neue Dynamik hat viele Jugendliche begeistert, so dass wir heute 10.000 in unserer Jugendorganisation sind“, erklärte der Nachwuchspolitiker. Neben einem Präsidenten, zwei Stellvertretern und einem Generalsekretär sowie einem Sekretär für die fünf Landesteile, habe die Jugend aktuell je einen Leiter in jeder Provinz Argentiniens. „Unser ganzes Denken ist sehr fußballisiert“, meinte Guido zum Schluss. Auch die Organisation des Wahlkampfs ähnle deshalb der dezentralen Organisation des Fußballs nach Stadtteilen.

Verónica aus Uruguay ist skeptischer was interne Reformen angeht – auch im Blick auf die Kollegen aus Costa Rica. Im Gegensatz zur Partei Pro ist ihre Partei, die Partido Nacional in Uruguay, geradezu ein Dinosaurier. „In 180 Jahren kämpfte unsere Partei für Freiheit, Rechtsstaat und einen effizienten Staat“, erklärte sie in ihrem Vortrag. „Als Jugend ist es uns aber erst nach einem langen Kampf im Jahr 2012 gelungen, durch eigene Jugendwahlen einen Platz im Vorstand und Herzen der Partei zu erkämpfen.“ Jetzt fehle der Jugend nur noch die finanzielle Unabhängigkeit von den Erwachsenen, um nicht nur als Spielwiese oder Testfall der Demokratie angesehen zu werden, sondern ganz ernst genommen zu werden. Die angehende Anwältin und Mitglied im Bundesvorstand zeigte in vielen Fotos und Videos, wie ihre Generation sich vor allem für die Ausbildung von Nachwuchspolitikern einsetzt. „Dieser Einsatz hat sich gelohnt: Hunderte von Jugendlichen konnten sich in den verschiedenen Regionen und im Ausland weiterbilden“, resümierte sie zum Schluss.

Wie auch sonst in Lateinamerika sieht man auf den Wahlplakaten auch an diesem Sonntag in Costa Rica vor allem ältere Männer an der Spitze der Parteien. „Die Jugend darf deshalb nicht nur eine nette Dekoration für die Parteien sein, sondern muss mit Autorität und eigenen Ideen alte Denkmuster und eingefahrene Wege der Parteien herausfordern“, bemerkt David Brähler, Vertreter des Regionalprogramms der Konrad-Adenauer-Stiftung e.V., während des Gangs durch die Wahllokale. Die Junge Union, die Brähler am Konferenztag in ihrem Aufbau und ihrer Funktionsweise erläutert hatte, sei mit ihrem Motto „70 Jahre unbequem“ ein gutes Beispiel. Die Attraktivität dieser größten politischen Jugendorganisation liege in dieser Unbequemheit, in ihrer Frische und digitalen Affektion.

Tito aus Bolivien und Ricardo aus Nicaragua sehen sich die ausgelegten Wahl- und Registerlisten in einem Klassenzimmer näher an. Bei können in ihren Ländern nur von solch geordneten Verhältnissen träumen. „In Bolivien eint die Jugendlichen meiner Partei Demócratas nicht nur der Kampf gegen die autoritär agierende Regierung des Präsidenten Evo Morales, sondern auch eine Verpflichtung mit der sozialen Realität Boliviens“ bemerkt Tito, der Generalsekretär der Jugend der Demócratas ist. Am Tag zuvor hatte er erklärt, dass die Bewegung neben sozialen Projekten vor allem stark mit Schülern und Studenten arbeite, um die eigenen Überzeugungen zu verbreiten. „Wir gehen jedem Einzelnen nach, wählen die Besten aus und bilden sie aus“, so Ibanez. Er dankte besonders der Konrad-Adenauer-Stiftung e.V. für ihre Unterstützung. „Ohne Geld, aber mit Überzeugungskraft, Glauben, Hoffnung und viel Leidenschaft, waren unsere bisherigen Wahlerfolge möglich und werden wir weiter wachsen,“ meint er angesichts der Dynamik der Pusc.

„In Nicaragua nutzt das autokratische Regime seinen Kontakt zur Jugend, um sie unter Kontrolle zu halten“, erklärt Ricardo neben ihm und ergänzt, „die demokratischen Parteien merken gar nicht, wie ihnen durch die Vernachlässigung der Jugend ein wichtiges Instrument entgeht“.

Am frühen Nachmittag trifft die Gruppe im Eingangsbereich des nächsten Wahllokals auf Jugendliche aus Panama und Nicaragua, die seit mehreren Tagen ein Praktikum im Wahlkampf der Pusc machen. „Wie ein Schwamm saugen wir alles auf, was wir sehen und lernen können, um es bei uns zu Hause anzuwenden“, meint einer, bevor er schnell noch ein Selfie mit dem lokalen Abgeordneten macht. Man kann den Eindruck gewinnen, dass es bei den Vorwahlen weniger um lupenreine Wahlprozesse und mehr um ein Parteifest geht.

Gabriela aus Guatemala schaut auf die vielen Familien, die gemeinsam zur Wahl eintreffen und hält kurz inne. „In meinem Land entscheidet die Jugend über die Zukunft. Nicht, weil sie politisch sehr aktiv wäre, sondern weil ein Großteil der Wähler sehr jung ist.“ Gabriela gehört zur Partei Todos und geht selbst mit gutem Beispiel voran, wie sie am Vortrag den Teilnehmern erklärte. Kaum hatte sie ihren Uniabschluss in der Tasche, bewarb sie sich schon als Abgeordnete. „Unsere Partei ist trotz kurzer Existenz schon fast ganz entwickelt. In unserer Jugendorganisation arbeiten landesweit aktuell 38 Verantwortliche vor allem in der Ausbildung weiterer Jugendlicher in den verschiedenen Regionen“, erklärte sie. Für sie und ihre Mitstreiter komme es darauf an, in die Breite und in die Tiefe zu wachsen, um mit ihren Werten und Politikprojekten immer mehr Jugendliche zu gewinnen.

Ricardo Venecia aus Mexiko stimmt ihr zu. Von 110 Millionen Mexikanern seien aktuell 31 Millionen Jugendliche bis zu 29 Jahren. „Korruption, Misstrauen und Politikverdrossenheit prägen mein Land in diesem Moment“, bemerkt Ricardo, der Mitglied der Partei PAN ist. 96,5 Prozent der Jugendlichen engagierten sich weder in einer Partei, noch einer Gewerkschaft. „Unsere Jugendorganisation Acción Juvenil mit ihren 50000 Mitgliedern will dies ändern und die 25 Millionen wahlberechtigten Jugendlichen ansprechen“, erklärt der Politikwissenschaftler.

Zurück im Hotel, das gleichzeitig Wahlkampfzentrale der Pusc ist, nehmen die jungen Wahlbeobachter die Worte eines Pusc-Jugendlichen ernst, der sie aufforderte, so ehrlich wie möglich gegenüber des Wahlprozesses zu sein, damit sich die Partei weiterentwickeln könne.

Bei der offiziellen Pressekonferenz am Abend übergeben sie dem Präsidenten Pedro Munoz ihren kritischen Abschlussbericht, der vor allem mehr Information für die Wähler und neutralere Wahlkampfhelfer fordert. „Dieser Testfall der Demokratie ist gar nicht so schlecht verlaufen“, meint Verónica aus Uruguay resümierend. „Jede Wahl und jedes Engagement, vor allem von uns als Nachwuchspolitikern, sind wertvolle Bausteine für eine bessere Welt.“

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