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Konsultationsrecht der indigenen Völker in Lateinamerika

Buchvorstellung Mexiko

Am 9. September wurde in Mexiko-Stadt das Buch "Das Konsultationsrecht der indigenen Völker in Lateinamerika“, eine Publikation des Regionalprogramms „Indigene Politische Partizipation“ (Participación Política Indígena - PPI) der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS), präsentiert.

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Das Buch ist eine Zusammenstellung zum aktuellen Stand des Konsultationsrechts indigener Völker in vielen lateinamerikanischen Ländern wie Bolivien, Brasilien, Kolumbien, Guatemala, Mexiko, Panama und Peru. Die Autoren dieser verschiedenen Essays Vladimir Ameller / Diego Chávez (Bolivien), André Fernando (Brasilien), Guillermo Padilla (Kolumbien), Guisela Mayén (Guatemala), Leticia Aparicio (Mexiko), Jorge Panay (Panama) und Mirva Aranda (Peru) erörtern die rechtlichen Fortschritte bei der Anerkennung des Konsultationsrechts, die in den entsprechenden Ländern auf nationaler und auf internationaler Ebene gemacht wurden. Anschließend folgt eine Analyse der tatsächlichen Anwendung des indigenen Konsultationsrechts.

Das in diesem Buch behandelte Thema birgt ein großes Konfliktpotenzial, daher zielt diese Veröffentlichung auf einen Dialog zwischen allen Akteuren, die am Prozess der Konsultation beteiligt sind, wie der Staat, die Unternehmen und die indigenen Völker, ab. Die Vision von jedem dieser verschiedenen Akteure wird analysiert. Nur ein Verständnis für alle Standpunkte wird einen friedlichen Prozessablauf ermöglichen und damit ein echtes demokratisches Instrument unterstützen.

Basierend auf dieser Analyse machen die Autoren Vorschläge zur Abstimmung über Zukunftsszenarien, die einen effizienten und gerechten Dialog zwischen den verschiedenen Parteien fördern können.

Bei der Buchpräsentation in der Stadt Mexiko wurden die Artikel aus Kolumbien und Mexiko von ihren Autoren (Guillermo Padilla und Leticia Aparicio) vorgestellt. Anschließend kommentierten María Soledad Pérez, Abgeordnete der Christlichen Volkspartei Perus, und Jorge Ocejo, ehemaliger Senator von Mexiko, die Werke.

Begrüßungsworte

Stefan Jost, Vertreter der KAS in Mexiko, betonte, dass die im Buch besprochenen Fallstudien die Situation in Lateinamerika zusammenfasst. Das Konsultationsrecht ist ein sehr wichtiges und wertvolles Rechtsinstrument, das aber schwierige Implikationen birgt, da sich die Konsultationen je nach Entwicklungsmodell des Landes als ein Hindernis oder ein Vorteil erweisen können. Das Problem hat auch politische Auswirkungen. Es haben vor allem zwei Andenstaaten gezeigt, dass die indigene Thematik als Diskurs, Ideologie oder Wahlkampfthema eine Sache ist, aber die politische Praxis in der Wirklichkeit eine andere. So ist das Konsultationsrecht kein einfach zu handhabendes Thema, aber es wird von den Staaten anerkannt. Es ist notwendig sowohl dieses Recht anzuwenden als auch seine Gestaltung und Ausführung gut zu durchdenken, damit keine Erwartungen aufkommen, die eine Regierung nicht erfüllen kann.

Nachfolgend stellte die Vertreterin des PPI Susanne Käss die KAS, die schon seit mehr als 50 Jahren in Lateinamerika aktiv ist, vor. Das Hauptziel der Arbeit sind Aktivitäten, die zu einer demokratischen Entwicklung beitragen und die Vision der Rechtsstaatlichkeit fördern. Die KAS beschloss im Jahr 2006 ein regionales Programm für indigene politische Partizipation zu schaffen, aufgrund der Überzeugung, dass eine Demokratie mittel- und langfristig nur stabil sein kann, wenn alle Sektoren der Gesellschaft sich an ihr beteiligen und so sich die Zivilgesellschaften im Subkontinent entwickeln können. Seit dem Jahr 2011 befindet sich der Sitz des PPI in Bolivien und verfolgt zwei Arbeitsziele: 1.) Die Sensibilisierung von traditionellen Akteuren wie politische Parteien und Unternehmen, damit sie in ihre Strukturen indigene Themen berücksichtigen und indigene Vertreter integrieren. 2.) Den Dialog zwischen den verschiedenen Akteuren, die mit indigenen Themen Berührungspunkte haben, ermöglichen. Das ist genau das, was mit diesem Buch erzielt werden soll: die unterschiedlichen Perspektiven, Anschauungen und Interessen zum Thema Konsultationsrecht aufzuzeigen. Es gibt im Wesentlichen drei Gruppen von Akteuren, die im engeren Sinne sehr wichtig sind. Gemäß internationalen und nationalen Vorschriften vieler Länder der Region muss der Staat die Konsultation realisieren. Als eine weitere Gruppe sind die Indigenen als Rechtsträger der Konsultationen zu nennen. Und schließlich sind auch Unternehmen sehr wichtige Akteure. Diese Veröffentlichung soll zeigen, dass die Standpunkte all dieser Akteure berechtigt sind. Es ist zwecklos sich nur auf eine dieser Visionen zu konzentrieren: sei es der Staat, der auf Landesebene auf eine Entwicklung des Wirtschaftswachstums abzielt oder Unternehmen, die Gewinnmaximierung anstreben. Vielleicht ist es zu viel verlangt, dass jeder gewinne, aber ein Dialog zwischen diesen Akteuren ist wichtig, damit Prozesse in Gang kommen, an denen sich alle beteiligen, so dass sich die verschiedenen Positionen annähern können. Das Konsultationsrecht stellt für das PPI eine Thematik dar, die viele Teilfelder umfasst. Hierzu zählen die indigenen Rechte, die in völkerrechtlichen Rechtsinstrumenten verankert sind, sowie unter anderem die unterschiedlichen Visionen der Entwicklung (Abbau natürlicher Ressourcen versus den Konzepten des guten Lebens (vivir bien/buen vivir)). Indigene Themen haben ein politisches Gewicht und entsprechend ist ihr Stellenwert zu begreifen, das beste Beispiel dafür sind die Wahlsiege des bolivianischen Präsidenten Evo Morales, der indigener Abstammung ist. Der Dialog über die indigenen Themen muss mit Respekt und Toleranz, unter Berücksichtigung der kulturellen Vielfalt als eine Chance für die Gesellschaft, erfolgen. Das ist nicht einfach, weil Entwicklungsvisionen voneinander abweichen, aber es ist der einzige Weg, um Konflikte und Gewalt zu verhindern sowie um Demokratien zu stärken. Die Diversität darf nicht länger als ein Hindernis für die Entwicklung betrachtet werden, sondern muss als Chance gesehen werden.

Vorstellung der Artikel

Die erste Fallstudie, die von der Autorin Leticia Aparicio, vorgestellt wurde, war die aus Mexiko. In ihrem Artikel beschreibt sie hauptsächlich den Fall des Wasserkraftwerks "Cerro de Oro". Es handelt sich um ein Projekt, das im Bundesstaat Oaxaca realisiert wurde. Dort hatte sie die Gelegenheit die Gemeinschaft Chinantecas im Munizip Tuxtepec, wo das Wasserkraftwerk gebaut werden sollte, zu begleiten. Die Autorin setzt sich hier mit dem nationalen und internationalen Rahmen im Fall Mexikos, wo die indigenen Völker sich auf das Konsultationsrecht berufen können, auseinander. Demnach müssen sie vorab konsultiert werden, um eine freie, vorherige und informierte Zustimmung zu erhalten. Anschließend werden im Zusammenhang mit der Fallstudie über das genannte Wasserkraftwerk die Beziehungen zwischen dem Staat, den Unternehmen und den Indigenen näher durchleuchtet und ausführlicher auf ihre Auswirkungen auf die Gemeinschaft der Chinanteca eingegangen. Die Arbeit basiert auf Erfahrungen, die mit den Vorbereitungen, der Unterstützung und den Informationsaustausch mit den Gemeinschaften Paso Canoa, Los Reyes, Santa Ursula und Cerrito, die zum Landkreis der Gemeinden Tuxtepec und Ojitlán angehören, gemacht wurden. Dabei wurde ein alternatives Bauprojekt für ein Wasserkraftwerk von der US-amerikanischen Firma Conduit Capital Partners und des mexikanischen Unternehmens Electricidad de Oriente bei der Vollversammlung vorgestellt.

Das Arbeitsteam setzte sich aus Mitgliedern der Nicht-Regierungsorganisationen, wie Accountability Council, FUNDAR A.C., Mahatma Gandhi A.C., EDUCA A.C. und Forscher / Lehrkräfte des Zentrums für Forschung und sozialwissenschaftliche Studien in Sozialanthropologie (CIESAS) und der Universität Texas, in Austin, zusammen. Weitere Teilnehmer waren die Stadtverwaltung von San Juan Bautista Tuxtepec, Oaxaca, sowie Behörden und Autoritäten der Gemeinschaften Paso Canoa, Los Reyes, Cerrito und Santa Ursula. In den Fußnoten des Artikels sind Auskünfte dieser Gemeinschaften zu finden, die ethnographische Einzelheiten belegen, die die Autorin sammelte, während sie diese Gemeinschaften begleitete.

Im ersten Teil des Artikels steckt die Autorin den internationalen rechtlichen Rahmen ab, um später auf den nationalen einzugehen, der in der Verfassung der Vereinigte Staaten von Mexiko verankert ist. Von dort aus beginnend erarbeitet und beschreibt sie den Fall in Tuxtepec. Dieser Prozess wurde mit der Annäherung der CIESAS an die Gemeinschaften, insbesondere an Personen, die durch den Bau des Staudamms Miguel Alemán vertrieben wurden, eingeleitet. So konnte über Accountability Council, einer Gruppe von Anwälten in Kalifornien, eine Klage gegen die verantwortliche Firma Overseas Private Investment Corporation (OPIC) eingereicht werden. Seitens der Investoren waren zwei mexikanischen Unternehmen vertreten: Electricidad de Oriente und COMEXHIDRO. Diese Unternehmen verfolgten insbesondere das Ziel die Autoritäten der Gemeinschaften zu überzeugen, ihnen die Realisierung dieses Bauprojekts zu genehmigen.

Das Unternehmen nahm seine Tätigkeit im Frühjahr 2010 auf und verwüstete dabei diverse Nebenbäche im Bereich des Stroms „La Sal“, der ebenfalls durch das Projekt betroffen sein würde. Der Dialog zwischen den Gemeinschaften und der Firma trug jedoch zu einem Schutz und zur Erhaltung des Stroms bei. Dennoch wurde das chinanteco Territorium beschädigt. Es ist zu erwähnen, dass die indigene Bevölkerung dieser Orte hauptsächlich in den Gemeinden Cerrito und Los Reyes angesiedelt ist, wo der Großteil der Einwohner zu den Chinantecos zählt. Seit der Umsiedlung der Familien durch den Bau der Talsperre Cerro de Oro in den vergangenen Jahrzehnten, lässt sich ein Verlust der indigenen Identität aufgrund der Verdrängung der Familien aus den von ihnen ursprünglich besiedelten Territorien, beobachten: die Einwohner berichten, dass ihre indigene Sprache immer weniger gesprochen, ihre traditionelle Kleidung kaum mehr getragen werde, auch organisierten sie sich immer weniger in der Form wie früher und das Feiern von traditionellen Festen werde vernachlässigt. In diesem Sinne ging die Sprache der Chinantecos, ihre Sitten und spirituellen Praktiken sowie andere typische Entwicklungsformen der indigenen Bevölkerung verloren. Mit dem Bau des Wasserkraftwerks und der damit einhergehenden neuen Dynamik, stellt sich die Frage nach den Auswirkungen auf der kulturellen Ebenen und den indigenen Identitäten beim Kontakt mit den Arbeitskräften, die die Firma einsetzten wird, die Folgen für ihr Ackerland und ihre Gewässer, mit denen die Gemeinschaften nicht nur wirtschaften, sondern sie auch als Teil ihrer Kultur begreifen. Daher wird Respekt für die eigene Entwicklung der indigenen Völker gefordert, die nicht genau mit dem Bau und dem Betrieb eines Wasserkraftwerks einhergeht.

Es kam zu einem Dialog zwischen Unternehmen, Experten und staatlichen Behörden. Diese Gespräche fanden in Versammlungen mit den Partnern des US-amerikanischen und des mexikanischen Unternehmens sowie mit einigen staatlichen Vertretern des Bundesstaates Oaxaca statt. Die Dorfbewohner hörten sich den Vorschlag des Unternehmerverbands an, aber sie konnten aufgrund der Verwüstung, die das Projekt auf ihrem Territorium verursachen würde, nicht davon überzeugt werden. Schließlich versuchten auch die Vertreter des Staates die Gemeinschaftsmitglieder für das Projekt zu gewinnen. In einer Vollversammlung in der Stadt von Tuxtepec beschloss der Unternehmerverband sich zurückzuziehen, weil die betroffenen Bevölkerungsgruppen nicht von dem Projekt überzeugt waren. Es stellten sich Unregelmäßigkeiten heraus und eine mögliche Vertreibung der Menschen wurde aufgedeckt. Die Bewohner klagten über die mangelnden Sicherheitsvorkehrungen für die Umwelt und für die Gemeinschaft selbst. Die Untersuchung eines Gutachters, der zur Überprüfung der Baubedingungen des Staudamms bestellt wurde, ergab, dass diese nicht optimal seien. Das Unternehmen zog sich zurück und drohte: sollten im Bundesstaat Oaxaca ihre Investitionen nicht gestattet werden, würden sie in Puebla investieren.

Eine der Gemeinschaften gab jedoch dem Projekt die Zusage, aber irgendwann begannen die Unternehmer das Land der Gemeinschaftsmitglieder zu kaufen. Diese Mitglieder gaben im Nachhinein zu, beim Empfang der Vergütung keine Kenntnisse über die Auswirkungen des Projekts gehabt zu haben.

Am Ende wurde das Wasserkraftwerk nicht gebaut und die Regierung versprach eine Methodik für das Konsultationsrecht zur Genehmigung des Projekts zu entwickeln. Seit dem Baustopp im Jahr 2011 liegt das Projekt brach. Während des gesamten Prozesses fiel die Abwesenheit des Staates auf. Die Verhandlungen fanden nur zwischen den Unternehmen und den Gemeinschaften der Chinantecos statt. Repräsentanten des Staates kamen später hinzu mit der Absicht zwischen den Parteien zu vermitteln und zu verhandeln. Aber zu dieser Zeit waren die Gemeinschaftsmitglieder schon über die Auswirkungen des Projekts informiert. Aus diesem Grund lehnten es einige von ihnen ab, am Konsultationsprozess teilzunehmen und waren erst recht nicht bereit, sich an der Gestaltung der methodologischen Strategie zur Konsultation zu beteiligen.

Schließlich vertrat Accountability Council bei der Klage in den USA die Interessen der Indigenen. Von Washington aus wurde eine Untersuchung des US-Unternehmens angeordnet und das Unternehmen aufgefordert, bei Investitionen in einem lateinamerikanischen Land das indigene Konsultationsrecht der betroffenen Völker zu berücksichtigen.

Nachfolgend stellte der Kolumbianer Guillermo Padilla den Artikel über das Konsultationsrecht in seinem Land vor. Das Thema der vorherigen Konsultation, bzw. die vorherige, freie und informierte Zustimmung, verursacht viele Kontroversen, die einen Meilenstein in den Beziehungen zwischen den Staaten und den indigenen Völkern markiert. Vor Inkrafttreten dieses Rechts, das durch die Konvention 169 der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) und der Erklärung der Vereinten Nationen über die Rechte der indigenen Völker geregelt ist, waren die indigenen Völker und ethnischen Gemeinschaften des Kontinents Objekte staatlicher Maßnahmen und Regeln. Diese kamen ohne Beteiligung der Indigenen oder ohne Berücksichtigung ihrer Meinung zustande. Die Nichtbeachtung der Stellungnahme indigener Völker soll durch das Konsultationsrecht unterbunden und in Zukunft vermieden werden. Seit Bestehen dieses Rechtes sind Indigene nicht mehr Objekte, sondern Subjekte öffentlicher Politikmaßnahmen. Dies stellt einen Meilenstein zur Festigung der Demokratie dar, diejenige, die untergraben und geschwächt wurde und weitgehend ernsthafte Probleme mit ihrer Legitimität gegenüberstand. Die Gründung unserer Nationen als unabhängige Staaten ging mit dem Ausschluss von indigenen und afrikanisch-stämmigen Völkern, sowie von Frauen, einher. Diese drei ausgeschlossenen Sektoren der Gesellschaft mussten bis zum zwanzigsten Jahrhundert warten, um Bürgerrechte anerkannt zu bekommen und um am Aufbau der Staaten und der Gestaltung öffentlicher Politik, rechtlichen Entwicklungen etc. wirklich teilnehmen zu können. Genau hierum geht es beim Konsultationsrecht und ist daher auch ein umstrittenes Recht. Hier zeichnet sich eine historische Wende ab, in der Form wie wir die Demokratie in unseren Ländern ausrichten.

In Mexiko wurde das Konsultationsrecht kaum ausgearbeitet und eingesetzt. Gerade das Beispiel der mexikanischen Autorin Leticia Aparicio zeigt, wie der Staat die Erfüllung seiner Verpflichtungen, die er mit der Unterzeichnung internationaler Verträge ratifiziert hat, meidet. Die Tatsache, dass in Mexiko dieses Recht nicht weiterentwickelt wurde, stellt für Unternehmen ein Problem dar. Dies ist genau eines der Themen auf das in diesem Buch eingegangen wird. Das PPI hat zur richtigen Zeit die Initiative zu seiner Veröffentlichung ergriffen. Das Problem für Unternehmen besteht in der Sorge um die Sicherheit ihrer Investitionen. Vor nicht langer Zeit haben Unternehmer, die dem dreigliedrigen Ausschuss der ILO, dem obersten Organ der ILO, angehören, in einer Veröffentlichung die Staaten, insbesondere die in Lateinamerika, aufgefordert, das Konsultationsrecht voran zu bringen. Die Unternehmer stellen diese Forderung, weil sie Klarheit für ihre Investitionen benötigen.

In Mexiko wurde oft gesagt, dass das Konsultationsrecht wenig Beachtung fand, weil dieses Thema gesetzlich nicht geregelt sei. Aber das ist eine Ausrede, die das Versäumnis des Staates bei einem so wichtigen Thema nicht rechtfertigt. Gerade die Wiener Konvention, die die Folgen und Auswirkungen von Verträgen regelt, besagt in Artikel 27, dass Parteien keine innenpolitische Gründe für die Nichterfüllung von Vereinbarungen, die in internationalen Abkommen unterzeichnet wurden, geltend machen können. Aus diesem Grund hat Mexikos Oberster Gerichtshof sehr wichtige Rahmenbedingungen geschaffen, um den unklaren Pfad, der größere Probleme für Investoren, den Staat und die indigenen Völkern bedeutete zu begradigen. Es gab mehrere Urteile, insbesondere das des Obersten Gerichtshofs über den Fall Radilla, das zum Meilenstein in Bezug auf die Verpflichtungen des mexikanischen Staates wurde.

Die Tatsache, dass zu diesem Thema Gesetze geschaffen wurden, ist keine Garantie für die Befolgung des Konsultationsrechts. Gerade der vom Autor beschriebene Fall aus Kolumbien könnte als grundlegendes Beispiel für Mexiko dienen. Kolumbien ist das Land in Lateinamerika, das das Konsultationsrecht und freie, vorherige und informierte Zustimmung am weitesten voran gebracht hat. In Kolumbien wurden bereits in mehr als zweitausend Fällen das Konsultationsrecht und die vorherige Zustimmung berücksichtigt, sodass der Staatsapparat mittlerweile auf das Thema eingestimmt ist. Und dies ist gelungen, obwohl in Kolumbien keine Rechtsvorschriften für diese Angelegenheit vorliegen. Sie existieren unter anderem deshalb nicht, weil das Verfassungsgericht Kolumbiens (CCC) in einem Urteil im Jahr 1994 den Kongress aufforderte, hierzu auf eine Gesetzgebung zu verzichten. Der Kongress kann es nicht riskieren, zu einem Thema Gesetze zu erlassen, zu dem es über unzureichende Kenntnisse verfügt. Dies wäre gefährlich, da Entwicklungen zu diesem Thema gehemmt werden könnten, wo es notwendig wäre abzuwarten, welche Eigenheiten und Tendenzen sich in der Praxis zeigen. Aus diesem Grund empfiehlt der Gerichtshof eine rechtswissenschaftliche Auseinandersetzung. Nur die Justiz hat das Potential, diese Thematik zu beeinflussen. So hat die Justiz in Kolumbien das Instrument der Staatsaufsicht eingesetzt, das ein Mechanismus für Bürgerinnen und Bürger ist, mit dem sie die Präsenz des Staates einfordern können. Der Staat soll darüber wachen, dass kein Grundrecht bedroht wird oder verletzt wurde. Das Konsultationsrecht war dann oft Objekt der Staatsaufsicht und auf diese Weise konnte sich die Justiz in Kolumbien durch seine verschiedenen hierarchischen Ebenen mit dieser Thematik auseinandersetzen. Das CCC hat als oberste Instanz der Justiz, unter Auslegung der Verfassung, einige Richtlinien, die nicht nur für Kolumbien sondern für ganz Lateinamerika bedeutend waren, formuliert. Die Urteile des CCC werden häufig als Referenzen, nicht nur von indigenen Juristen, sondern von den Staaten selbst zitiert, um bei komplexen Themen wie beim Konsultationsrecht, Maßstäbe zu setzen. Der Ansatz, der sich in Kolumbien durchgesetzt hat, ist die so genannte Rechtsprechung des konkreten Falls.

Der zweite Aspekt, den der Autor des Buches betont, sind die Rechtsarten, die die Konsultation regeln. Es werden drei Arten von Recht beschrieben: 1.) hard law (hartes Recht) ist das Recht zu dessen Vollzug sich der Staat verbindlich verpflichtet. Es handelt sich um das Recht, das in der Verfassung und in den Gesetzen der Länder und in der Rechtsprechung des Interamerikanischen Systems für diejenigen Länder, die die Gerichtsbarkeit des Interamerikanischen Gerichtshofs anerkannt haben (alle Länder in Lateinamerika außer Trinidad und Tobago), verankert ist. Es ist gerade das Interamerikanische System, das als Institution den größten Wert auf die Ausarbeitung des Themas aufgrund der Empfehlungen des Interamerikanischen Gerichtshofs und dessen Gerichtsentscheidungen, gelegt hat. 2.) Entstehendes Recht: Beim entstehenden Recht handelt es sich um jene Gerichtsentscheidungen oder Empfehlungen des Interamerikanischen Systems, die sich nicht auf ein bestimmtes Land beziehen, sondern auf alle Mitgliedstaaten der OAS (Organisation Amerikanischer Staaten) Auswirkungen haben. Diese Staaten, die den Pakt von San José unterzeichnet haben, sind daran gebunden genannte Gerichtsentscheidungen als Parameter für die Weiterentwicklung des Themas im eigenen Land anzuwenden. Die Richter der Länder sind verpflichtet das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit und Konventionalität in ihren Entscheidungen und Urteilen zu überwachen. Dieses Recht ist nicht verbindlich, sondern es ist ein entstehendes Recht, das in dem Maße wie es von den Richtern angewandt wird, zu „hartem Recht“ wird. 3.) Soft law (weiches Recht) sind die Bestimmungen internationaler Agenturen, die in ihren Richtlinien angeben, wie Werke ausgeführt werden müssen, die sie finanzieren. Die Autorin verwies auf die nordamerikanische Agentur OPIC, die Investitionen im Energiebereich im Ausland fördert und in ihren internen Regelungen festgelegt hat, wie Arbeiten ausgeführt werden müssen, die sie finanzieren; ein weiteres Beispiel ist die Weltbank. Dieses Recht verpflichtet nicht die Staaten per se, aber wenn ein Staat das Kapital dieser internationalen Finanzinstitutionen in Anspruch nimmt, verpflichtet er sich in Übereinstimmung mit den internen Regeln dieser Institutionen zu handeln.

Von Bedeutung und speziell im Bezug auf das Thema sind besonders drei Urteile des Interamerikanischen Gerichtshofes zu nennen: 1.) Im Urteil Sarayaku versus Ecuador wird der ecuadorianische Staat sanktioniert, weil dieser beim Baubeginn eines Projektes, das die vorherige Konsultation erforderte, nicht präsent war. Die Konsultation wurde anders als in internationalen Normen festgelegt, von einem argentinischen multinationalen Unternehmen, das Erdöl im Amazonasgebiet förderte, durchgeführt. 2.) Im Urteil Saramaka versus Suriname definierte der Interamerikanische Gerichtshof eine Reihe von grundlegenden Themen im Zusammenhang mit dem Konsultationsrecht. Unter anderem wird definiert, was in Stämmen lebende Völker sind, was der Grundsatz von Treu und Glaube und was eine freie, vorherige und informierte Zustimmung bedeutet. 3.) Mit dem Urteil Awas Tigni versus Nicaragua begann der Interamerikanische Gerichtshof sich für das Thema zu interessieren.

Kommentare

Der erste Kommentar stammt von der peruanischen Kongressabgeordneten, María Soledad Pérez. Sie betonte, dass es sich bei den im Buch analysierten Akteuren um den Staat, die Unternehmen und die indigenen Völker handelt. Ein Problem, das auf das Konsultationsrecht trifft, ist die "Konfrontation" zwischen den indigenen Völkern und dem westlichen Konzept von Entwicklung. Die indigenen Völker haben eine intrinsische Beziehung zum Territorium und zum Konzept der Entwicklung. Aus einer westlichen Mestizen-Perspektiven heraus, die vor allem in Lateinamerika vorherrscht, geht das Konzept der Entwicklung eng mit der Ausbeutung natürlicher Ressourcen einher, die sich hauptsächlich auf indigenen Territorium befinden.

Die sieben Perspektiven aus verschiedenen Ländern - Peru, Kolumbien, Panama, Guatemala, Mexiko, Bolivien und Brasilien - haben zweifellos einige Parallelen. In allen Darstellungen wird im Allgemeinen auf das Völkerrecht eingegangen. Es werden die von den Vereinten Nationen (VN) anerkannten Normen beschrieben: von der ILO (Konvention 107 und 169), der VN-Erklärung der Rechte der Indigenen Völker bis hin zum VN-Pakt über bürgerliche und politische Rechte, et cetera. Darüber hinaus werden alle weiteren internationalen Normen, die von den Vereinten Nationen in ihren Komitees in Gutachten erfasst wurden, einbezogen. Die OAS erkennt die Standpunkte und Beiträge aus den Urteilen des Interamerikanischen Gerichtshofes an.

Ein weiterer Themenbereich, der vertieft werden sollte, sind die Unternehmen und die Rechtsvorschriften für Unternehmen. Auch wenn hier das soft law greift, werden Richtlinien etabliert, die zeigen warum es letztendlich rentabel ist die Rechte indigener Völker zu beachten. Heutzutage existieren internationale Vorschriften, wie der Globale Pakt der Vereinten Nationen oder die Äquator-Prinzipien, die nicht verbindlich sind. Darüber hinaus existieren eine Reihe von Mechanismen, die Finanzorganisationen reguliert haben, um Mindeststandards zum Schutz der Menschenrechte, der Umwelt, der indigenen Völker, der Arbeitsverhältnisse und der Anwendung von inneren und äußeren Sicherheitsmaßnahmen zu gewährleisten. Diese internationale Standards werden in einigen Ländern streng angewandt, wie beispielsweise im ACTA (Anti-Counterfeiting Trade Agreement) der Vereinten Nationen, das US-amerikanische Unternehmen oder wenn das Gesellschaftskapital US-amerikanischen Ursprungs ist, verpflichtet hat Fehlerkorrekturen vorzunehmen. Es ist nicht so, dass der Staat sie dazu verpflichtet, sie können jedoch aufgrund dessen in den Vereinigten Staaten wegen Verletzung der Menschenrechte angeklagt und zu Geldstrafen verurteilt werden.

Ein weiterer Aspekt, den alle Autoren im Buch aufgreifen, ist der Status der Umsetzungsprozesse in den jeweiligen Ländern, sowie mögliche Widersprüche, die zwischen der Norm und dem Verhalten, zwischen internen Vorschriften und internationalen Standards und dem Vorgehen der Behörden, der Bürgerschaft und der indigenen Völkern, existieren. Dieser ständige Widerspruch bringt Vorstöße und Rückschritte rund um den Umsetzungsprozess. Auch die Frage nach der Notwendigkeit von Respekt und Toleranz sowie nach der territorialen Abgrenzung wird in jedem Kapitel angestoßen. Ein weiteres Thema mit dem sich alle Autoren auseinandersetzen ist die Asymmetrie zwischen den indigenen Völker und den Unternehmen.

Im Anschluss hob die Kommentatorin aus allen Kapiteln die wichtigsten und anregendsten Aspekte aus akademischer Sicht hervor. Im Fall aus Bolivien lässt sich der klare Widerspruch betonen, der sich selbst im Bericht über den Diskurs um das bedauerliche Vorgehen im TIPNIS widerspiegelt. Die Autoren aus Bolivien beschäftigen sich mit der Bedeutung der Konsultation und der Zustimmung in der Praxis und leiten über zur Frage: „Warum sollen nur die indigenen Völker konsultiert werden?". Die Antwort liegt in einer Studie, die die ILO realisiert hat, aus der hervorgeht, dass 80% der Menschen, die Zwangsarbeit ausüben, einem indigenen Volk angehören. Wenn einem dieser Hintergrund nicht bekannt ist, könnte man von staatlicher Willkür ausgehen, auch wenn dem nicht so ist.

Beim Thema Brasilien sind zwei Aspekte interessant: Zum einen ist ein technischer Paradigmenwechsel notwendig, da die technische Weiterentwicklung nicht linear zum gesellschaftlichen Paradigmenwechsel verläuft. Zum anderen setzt der brasilianische Autor seine Hoffnung auf die Justiz. Das Konsultationsrecht hat in Brasilien zur Frage geführt: Warum so viel Land für so wenige Indigene? Die Kommentatorin meint, diese Frage spiegele die weit verbreitetet Unkenntnis über dieses Thema in der brasilianischen Gesellschaft wider.

Zum Fall in Kolumbien bemerkt die Kommentatorin, dass der kolumbianische Autor sich mit der Asymmetrie zwischen den Unternehmen und den indigenen Völkern auseinander setze und dass der Staat diese Asymmetrie kompensieren sollte. Sie hebt das Konzept der Wissensvalidierung, auf das der kolumbianische Autor einginge, hervor. Wenn die Welt das Wissen der indigenen Völker früher zu schätzen gewusst hätte, stünden wir beispielsweise heute keinen Umweltproblemen gegenüber, die erst seit Río +20 die notwendige öffentliche Aufmerksamkeit erlangt haben. Dieses Thema wird erst jetzt von den Vereinten Nationen behandelt, die indigenen Völker aber haben schon immer den Umweltschutz im Blick gehabt. Für sie bedeutet er Reichtum, der sich nicht mit der Anhäufung von Kapital gleichsetzen lässt, sondern mit der Absicherung der Nahrungsmittelversorgung.

Im Fall von Guatemala wird erneut die Notwendigkeit von Verhandlungen auf gleicher Augenhöhe betont und die Präsenz eines Organs - den Staat - gefordert, das die Verhandlungen ausbalanciert. Es wird auch ein Thema aufgeworfen, auf das andere Autoren nicht eingehen, was aber ein latentes Problem darstellt: es handelt sich um die Regulierung von Prozessen, die nicht konsultiert wurden. Ebenso betont die Autorin aus Guatemala, dass keine vorherigen Konsultationen, sondern öffentliche Anhörungen durchgeführt wurden, die zwar nicht verbindlich sind, aber die Bemühungen indigene Völker partizipieren zu lassen, andeuten.

In Fall aus Mexiko weist die Kommentatorin darauf hin, dass die indigenen Gemeinschaften den Staat um Unterstützung ersuchen, damit sie nicht ahnungslos von Unternehmen übervorteilt werden. Es wird eine Rolle, beziehungsweise eine Beteiligung vonseiten des Staates verlangt.

Panama hat die ILO-Konvention 169 nicht ratifiziert, aber es gibt einen interessanten Prozess der indigenen Teilnahme in allen Instanzen. Alle Akteure würden zustimmen, dass eine vorherige Konsultation, freiwillig und in Kenntnis der Sachlage, grundlegend für den Erhalt des sozialen Friedens sei. Es lässt hoffen, gerade weil Panama die oben genannte Konvention nicht ratifiziert hat. Die ILO lässt sich als Pyramide darstellen. Die drei Eckpunkte sind Arbeitnehmer, Arbeitgeber und der Staat, die soziale Gerechtigkeit die Basis und der Frieden die Spitze. Der panamaische Autor veranschaulicht die Ungleichheit, die dem Prozess anhaftet und die ausgeglichen werden muss und auch die Armut der indigenen Völker, die Folge der Marginalisierung ist. Es ist notwendig Vertrauen aufzubauen, damit es zu einem echten Dialog kommt.

Im peruanischen Fall wird besonders auf die Notwendigkeit, die zentrale Rolle des St aates wiederherzustellen, hingewiesen. Der Staat zielt auf eine Regulierung der Investitionen ab, um speziell den Schutz der Rechte der indigenen Völker, aber im Allgemeinen aller Einwohner Perus zu sichern.

Am Ende beehrte der ehemalige mexikanische Senator und derzeitige Vorsitzender der Christlich-demokratischen Organisation Amerikas, Jorge Ocejo, die Buchpräsentation. Das Konsultationsrecht indigener Völker in Lateinamerika ist sehr wichtig, weil es die ILO-Konvention 169 umsetzt. Es ist ein internationales Instrument, das die Mehrheit der Lateinamerikanischen Länder unterschrieben hat, dessen Anwendung und Umsetzung nicht vom Staat und der Gesellschaft auferlegt wird. Von diesem Standpunkt aus sind die Erfahrungen, die in sieben Ländern der Region gemacht wurden und im Buch beschrieben werden, nicht nur eine Übung für eine vergleichende Analyse, sondern auch eine Chance, um die Prozesse, die im Gange sind, zu verbessern. Die ILO-Konvention 169 erkennt das Konsultationsrecht der indigenen Völker, mit der freiwillige und in Kenntnis der Sachlage erteilten vorherigen Zustimmung in Fällen, die direkte Auswirkungen auf indigene Gemeinschaften haben können, an. Auf staatlicher Seite müssen Mechanismen geschaffen werden, damit dieses Recht von den Gemeinschaften in vollem Umfang angewandt wird. Den Autoren zufolge besteht ein starker Gegensatz zwischen der Grundsatzerklärung und der praktischen Anwendung des Konsultationsrechts, obwohl die Mehrheit unserer Länder die ILO-Konvention 169 ratifiziert und einige Staaten sogar einen Rechtsrahmen dafür geschaffen haben. Neben der Anerkennung der Schwächen bei der Anwendung des Konsultationsrechts, liefern die Autoren auch andere nennenswerte Ergebnisse.

Im Buch wird der unumkehrbare Transformationsprozess in der Region, von Staaten mit einer Kultur hin zu multikulturellen Staaten beschrieben, die die ethnische und kulturelle Vielfalt, die sie charakterisieren, anerkennen. Daher werden die Partizipation und Bürgerrechte ausgeschlossener und marginalisierter Sektoren ausgeweitet. Eine zweite Erkenntnis sind die verschiedenen Entwicklungsstadien im Prozess der Rechteerweiterung und der sozialen Eingliederung in jedem Land - im Fall des Konsultationsrechts - von der Zurückhaltung einiger Regierungen, internationale Standards (Normen) umzusetzen, wie in Brasilien, Guatemala und Panama bis hin auch zu Ländern mit größeren Fortschritten wie Bolivien und Kolumbien.

Eine weitere Erkenntnis, die das Buch hinterlässt, ist, dass die Verfahrensweisen zur Ausübung des Konsultationsrecht, die von den Behörden auferlegt sind, manchmal übermäßig bürokratisch und kostenintensiv sein können. Dies kann für die Umsetzung des Rechts ein Hindernis bedeuten, vor allem wenn die indigenen Gemeinschaften traditionellen Mechanismen zur Entscheidungsfindung folgen, die wesentlich effizienter und innerhalb der indigenen Gemeinschaften legitimiert sind. Eine weitere ungünstige Erkenntnis ist, dass in den meisten Ländern der Region das Konsultationsrecht als ein verhandelbarer Mechanismus oder als eine Voraussetzung für Regierbarkeit, den sozialen Frieden oder für ein gutes Projekt-Management im Produktionssektor gehalten wird. Es ist notwendig diesen starren Blick auf den Utilitarismus abzuwenden. Das Konsultationsrecht ist in erster Linie ein Menschenrecht und zum anderen eine Voraussetzung für die Demokratie.

Es lässt sich auch schlussfolgern, dass die Schaffung von internationalen und nationalen Gesetzen, die die Rechte der indigenen Völker anerkennt, keine Garantie für ihre Ausübung darstellt. Daher ist es der politische Wille des Staates, der die volle Ausübung der Rechte ausgeschlossener Sektoren gewährleisten und den Fokus für diesen bedeutsamen Wandel herbeiführen muss. Wenn es keinen politischen Willen in der Regierung, den Parlamenten und den obersten Rechtsprechungsorganen gibt, bleibt das Gesetz wirkungslos. Einer der Gründe liegt in den präsidialen und zentralistischen Eigenschaften der Regierungen, die sich weigern ihre Autonomie in der Entscheidungsfindung und Umsetzung der Entwicklungspolitik zu verlieren. Ein weiterer Grund liegt in der elitären Tradition der Machtausübung und in einer Gesellschaft, die sich durch eine ungleiche Verteilung der Machtressourcen kennzeichnet. So wird davon ausgegangen, dass Entscheidungen nur von Sektoren mit politischer, wirtschaftlicher oder gesellschaftlicher Macht getroffen werden. Die Regierung sieht sich im Zwiespalt: Sie stellt sich eher gegen die Interessen der indigenen Gemeinschaften und tritt vielmehr als Verteidiger von Unternehmensprojekten auf. Sie weiß, dass die Gesamtleistung an klassischen wirtschaftlichen Indikatoren gemessen wird: höhere Investitionen bringen mehr Wachstum, mehr Arbeitsplätze und mehr nationale Entwicklung. Dies geschieht zweifelsohne, weil in vielen lateinamerikanischen Ländern die Werte, die sich in politisches Handeln und im sozialen Leben durchsetzen sollten, noch nicht richtig in der Politik verinnerlicht sind. Obwohl die Länder in diesem Bereich in den letzten Jahrzehnten Fortschritte gemacht haben, muss noch viel getan werden, damit die Gesellschaften in Lateinamerika sich als voll demokratische Rechtsstaaten mit einem humanistischen Entwicklungsideal behaupten können.

Mit der Rückkehr der Demokratie in der Region, waren die Stärkung der Bürgerbeteiligung und der Konsultation bei der Entscheidungsfindung, einer der wichtigsten Fortschritte. Es wurden signifikante Fortschritte im Bereich der Umwelt und der Landnutzung, vor allem auf der lokalen Regierungsebenen erzielt. Es besteht jedoch nach wie vor eine Vernachlässigung der Rechte der Bürgerinnen und Bürger, die traditionell zu den Randgruppen wie die indigenen Völker gehören. Daher ist es wichtig, dass die Regierungen für die Einhaltung der ILO-Konvention 169 sorgen, sie nicht nur als eine internationale Auflage behandeln, sondern darin die Voraussetzung für eine bessere Demokratie und den Zusammenhalt in der Gesellschaft erkennen. Die Hauptaufgabe der Regierung besteht in der Gewährleistung der vollen Ausübung der Bürgerrechte und die Konsolidierung der Rechtsstaatlichkeit. Weder verteidigt noch repräsentiert der Staat einzelne Sektoren, so mächtig sie auch sein mögen, sondern tritt für die Rechte aller Mitglieder der Gesellschaft ein, vor allem für diejenigen, die der Machtwillkür ausgeliefert sind und sich kaum wehren können.

Schließlich sollte das Ziel verfolgt werden, eine Gesellschaft zu bilden, die sich an einer ganzheitlichen Entwicklung des Menschen orientiert. Eine politische, soziale, wirtschaftliche und kulturelle Ordnung soll gegenüber wirtschaftlichen Erwägungen vorrangig sein, wobei die Förderung der Entwicklung aller Menschen sowie die Verwirklichung persönlicher und gemeinschaftlicher Projekte im Vordergrund stehen.

Beim Lesen des Buches wird klar, dass die Aufnahme des Konsultationsrechts in den nationalen Rechtssystemen eher aus der Notwendigkeit der Ratifizierung der ILO-Konvention 169 oder aufgrund des internationalen Drucks geschah, als aus einer echten Überzeugung innergesellschaftliche Konflikte unter einer modernen Haltung lösen zu wollen. Es ist unerlässlich die Regierungen und Gesellschaften über die wirkliche Bedeutung der Partizipation indigener Völker und andere ausgeschlossene Sektoren für die nationale Entwicklung aufzuklären, damit das Konsultationsrecht nicht nur als ein bloßer Konsultationsmechanismus oder als bloßes Verfahren, das bei der Vergabe von wirtschaftlichen Projekten erfüllt werden muss, verstanden wird. Der Kommentator ist davon überzeugt, dass diese Gesellschaften dennoch einen kulturellen Wandel vollziehen müssen, damit der Staat und ihre Regierungen vor allem demokratischer Rechtsstaaten eine humanistische Entwicklungsvision bilden. Die Partizipation, insbesondere die der indigenen Völker, wird dann Folge einer Überzeugung im Konsens sein. Daher glaubt der Kommentator, dass das Buch einen wichtigen Beitrag verspricht, um diesen Wandel herbeizuführen, indem es die Missstände offenlegt und es Vorschläge für einen breiten gesellschaftlichen Konsens macht. Das Buch ermutigt alle lateinamerikanischen Ländern über mögliche Entwicklungsmodelle zu diskutieren und Rechte der indigenen Völker als einen Imperativ der Demokratie anzuerkennen.

Fragen und Schlussfolgerungen der Veranstaltung

Die Fragen kreisten rund um die Legalisierung des Konsultationsrechts. Dabei ging es um die Mängel hinsichtlich der Ziele und Befugnisse zur Durchsetzung der ILO-Konvention 169, um die Rechtsunsicherheit aufgrund des unverbindlichen Charakters der Konsultation und um die Notwendigkeit, die mexikanische Verfassung mit den internationalen Verträgen zur Durchsetzung des Konsultationsrechts in Einklang zu bringen.

Guillermo Padilla bedankte sich für die gestellten Fragen, die denen, mit denen sich der Autor im Kernthema befasse, ähneln. In Mexiko gäbe es eine Kluft in der Umsetzung des Gesetzes zwischen der Realität und dem was auf dem Papier stehe. Der Experte wies darauf hin, dass der Oberste Gerichtshof Mexikos eine wichtige Veränderung in der Interpretation der indigenen Frage vollzogen habe. Der Gerichtshof hat sich mit den Pflichten des mexikanischen Staates durch die Unterzeichnung internationaler Verträge auseinandergesetzt und dabei das Thema "Verfassungsblock" angerissen, das die Debatte über die Hierarchie der nationalen Verfassungen und internationale Konventionen außer Acht lässt. Bedauerlicherweise fällt die jüngste Entscheidung des Gerichtshofs über etwas, das schon klar war. Der Experte glaubt, dass die Art, wie die Umsetzungskluft überwunden werde, jeden anginge und nicht allein Problem des Staates sei. Die Lösung liegt in der strategischen Prozessführung, der Achtung der Rechtsstaatlichkeit, et cetera.

In Bezug auf die Durchführungs-Mechanismen des Konsultationsrechts, zeigt sich die ILO schwach, weil sie den indigenen Völkern und den ethnischen Gemeinschaften keine Instrumente zur Verfügung stellt, um ihr Recht geltend zu machen. Nach der derzeitigen Regelung, müssen diese Völker sich unbedingt auf die Gewerkschaften stützen, die schon eine direkte Verbindung mit dem Staat oder den Unternehmen pflegen. Die Nähe zu den Gewerkschaften zeigt, dass die indigenen Völker im Fall einer Beschwerde auf diese Instanzen zurückgreifen müssen.

In Bezug auf den Unterschied zwischen der Konsultation und der Zustimmung empfiehlt der Experte das Lesen eines Urteils des kolumbianischen Verfassungsgerichts vom März 2011, das als positives Beispiel für einen „gerichtlichen Aktivismus“ (activismo judicial) bekannt wurde. Die Judikative setzte seine Unabhängigkeit sowie Autonomie ein und erteilte der Exekutive und Legislative Aufgaben und Termine, um die Verfassungsrechtsordnung zu erfüllen. Dieses Urteil versucht das Konsultationsrecht zu definieren und schließt dieses als ein bloßes Recht auf Information aus. Es ist ein Thema, das im Zusammenhang mit den Menschenrechten steht und strukturell die Rechtsstaatlichkeit betrifft. Die Zustimmung muss, um verbindlich zu sein, vom betroffenen indigenen Volk erteilt werden. Dies bezieht sich auf Fälle wie einer Umsiedlung, der Lagerung von toxischen Mitteln auf dem indigenen Territorium oder militärische Aktivitäten oder im Allgemeinen, wenn die Auswirkungen eines Projekts das Überleben des Volkes gefährden. Der kolumbianische Gerichtshof schließt daraus, dass aufgrund internationaler Regelungen, die Zustimmung einem Veto entspricht. Das Verfassungsgericht bleibt jedoch nicht bei der Frage nach dem Vetorecht, sondern empfiehlt den Unternehmern die indigenen Völker als Partner in das Projekt zu integrieren. Der Staat muss auf der anderen Seite Umweltverträglichkeitsstudien in Auftrag geben, sowie soziale, kulturelle und spirituelle Auswirkungen analysieren lassen, die dazu notwendig sind, die Bedenken der indigenen Bevölkerung zu beseitigen. Es wird problematisch, wenn Unternehmen die Studien erstellen lassen, da sie erhebliche wirtschaftliche Interessen verfolgen, so dass die Objektivität der Studie nicht gewährleistet werden kann.

Auf die Frage, wie die Implementierung des Konsultationsrechts in Peru gehandhabt wurde, antwortete die Abgeordnete María Soledad Pérez, dass in ihrem Land ein Gesetz zur Umsetzung der Konvention 169 erlassen wurde. Hierfür war keine Verfassungsänderung erforderlich. Das Konsultationsrecht sollte dabei nicht vom Willen der Regierung abhängig sein, sondern auf einem klaren Prozessablauf beruhen, der rechtliche Stabilität garantiert. Ein erstes Gesetz normiert den Ablauf des Konsultationsverfahrens für die Exekutive. Zwei weitere Gesetzentwürfe zur Normierung des Ablaufs des Konsultationsverfahrens für die Legislative stehen noch im Parlament zur Beratung aus. Die Frage des Eigentums an Grund und Bodenschätzen ist eine der wichtigsten Problemstellungen, auf die noch nicht näher eingegangen wurde, denn diese Thematik wird in Diskussionen eher vermieden. Im Gegensatz zu diesem Thema wurde die Unterscheidung zwischen Land und Territorien ausführlich mit Unterstützung internationaler Instrumente und der Rechtsprechung des Interamerikanischen Gerichtshofs geklärt. Im vierten Paragraf, dem letzten Teil der peruanischen Verfassung, wird auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte und andere Abkommen verwiesen, die der Staat ratifiziert hat, daher war eine Verfassungsänderung nicht erforderlich. Das Gesetz, dass das Konsultationsrecht normiert, wurde letztendlich zum „Korsett“, weil es nicht gewagt wurde, die Frage der obligatorischen Zustimmung zu regulieren. Die Abgeordnete fragt, welchen Charakter das Konsultationsrecht in Peru ausmache, wenn damit nicht nur eine scheinbare Konformität mit dem internationalen Völkerrecht bedient werde.

Die Konsultation ist in jedem Fall zwingend. Die Vereinbarung nach dieser Konsultation ist bindend. Falls keine Vereinbarungen erreicht werden, werden die Ergebnisse vom Staat bestimmt, die Fälle mit obligatorischer Zustimmung bleiben davon unberührt. Die Abgeordnete ist überzeugt, dass das Interamerikanische Rechtssystem das Beste sei, um Anerkennung für indigene Rechte zu erlangen. Auch die Rechtswege der ILO und der Vereinten Nationen sind effiziente Mittel, vor allem die Festlegung von Regeln für alle Länder. Das Interamerikanische Rechtssystem ist spezifischer und hat dieses Thema aus Sicht des Eigentumsrechts geregelt.

Die letzten Worte sprach Senator Ocejo. Mexiko hat die ILO-Konvention 169 ratifiziert. Keine höhere Rechtsinstanz hat dafür gesorgt, dass die damit verbundenen Verbindlichkeiten eingehalten wurden. Einige militante Mitglieder der PAN versuchten ein Gesetz zum Konsultationsrecht der indigenen Völker durchzusetzen, es wurde sogar ein Gesetzentwurf eingereicht. Bei der Diskussion über den Entwurf, tauchten alle Fragen auf, die auch bei dieser Buchpräsentation gestellt wurden; hinzu kamen politische Gründe sowie die Lobbyarbeit der Unte rnehmer und es wurde gegen eine Präsentation des Entwurfs vorm Kongress entschieden. Der Senator kam zu dem Schluss, dass nicht nur der mangelnde Konsens innerhalb der PAN den Gesetzentwurf zum Scheitern brachte, sondern auch die fehlende Information, daher könnten Publikationen wie diese von der KAS hilfreich sein.

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