Asset-Herausgeber

Veranstaltungsberichte

Politik für indigene Völker: Institutionen, Rechtsrahmen und Erfahrungen in Lateinamerika

Seminar

Am 24.09.12 fand in Mexiko-Stadt ein Seminar zum Thema Institutionen, Rechtsrahmen und Erfahrungen mit öffentlichen Politiken für indigene Bevölkerungsgruppen statt. Mehrer Experten aus Lateinamerika wurden eingeladen, um die Situation diesbezüglich in den verschiedenen Ländern widerzuspiegeln. Die Veranstaltung wurde zusammen mit der ODCA organisiert.

Asset-Herausgeber

Am 24. September 2012 fand das Seminar „Politik (políticas públicas) für indigene Völker: Institutionen, Rechtsrahmen und Erfahrungen in Lateinamerika“ in Mexiko-Stadt, statt. Die Veranstaltung wurde von dem Regionalprogramm der Konrad Adenauer Stiftung „Politische Partizipation Indígena“ (PPI) in Lateinamerika und der Christlich-Demokratischen Organisation von Amerika (ODCA) organisiert. Mit dieser Veranstaltung wollte man einen Austausch an Erfolgsmethoden und Erfahrungen zwischen den Ländern Lateinamerikas anstreben, die öffentliche Maßnahmen für indigene Völker bereits implementiert haben. Eine weitere Zielsetzung war ein Überblick über die Situation in diesen Ländern zu bekommen. Die Referenten waren Vertreter von Institutionen, die bereits solche öffentlichen Maßnahmen (mit-)geplant und (mit-)ausgeführt haben. Die Veranstaltung fand ganztägig statt, und gab sowohl Raum für Diskussionen als auch Debatten.

Eröffnung

Das Seminar wurde von der Repräsentantin des Regionalprogramms PPI, Susanne Käss, mit den Einleitungsworten und der Vorstellung der Referenten eröffnet. Demnach ist es für die KAS sehr wichtig, dass das Thema der indigenen Ausschließung im Allgemeinen und speziell in den demokratischen Prozessen behandelt wird. Die indigenen Völker sind eine wichtige Gesellschaftsgruppe und deswegen muss man Mechanismen finden, die diese vollkommen in den politischen Prozess einbindet. Nur dadurch kann eine stabile Demokratie aufgebaut werden. Aus diesem Grund konzentriert sich das PPI auf zwei Hauptschwerpunkte: (1) Die Sensibilisierung von nicht traditionellen Akteuren, wie politische Parteien, die die indigene Bevölkerung in ihre Strukturen einbinden; und (2) die Ermöglichung von einem interkulturellen und interdisziplinären Austausch zwischen Indigenen und nicht Indigenen um einen Dialog zu fördern, der für indigene Völker wichtige Themen behandelt. Diese Veranstaltung hatte das Ziel beide Schwerpunkte zu behandeln. Zusätzlich diente diese Veranstaltung als Anreiz, um die bis dato durchgeführten öffentlichen Maßnahmen nochmals zu reflektieren und die Defizite, die man nicht immer lösen kann, wie eines der größten Probleme der indigenen Völker, die Armut, zu beleuchten.

Francisco Javier Jara, Exekutivsekretär der ODCA, dankte allen Beteiligten dieser Veranstaltung und begrüßte Susanne Käss, Stefan Jost, den Repräsentanten der KAS in Mexiko, Iván Rodrigo Cortés, Beauftragter für internationale Beziehungen des Exekutivkomitees der Partei Acción Nacional (PAN) und alle Regierungsvertreter, nationale und internationale Referenten und interessierte Anwesende. Er dankte nochmals der KAS für die anhaltende Unterstützung zugunsten der Entwicklung der lateinamerikanischen Gesellschaften zu mehr Demokratie und Menschlichkeit. ODCA feierte sein 65. Jubiläum und hat sich in dieser Zeit intensiver Arbeit zur ältesten bestehenden politischen Organisation des Kontinents entwickelt. Aus diesem Grund ist diese Veranstaltung etwas Besonderes für die ODCA, da diese die Anstrengungen von sechs Jahrzehnten widerspiegelt, in denen die Organisation für die Festigung der Demokratie und die Perfektionierung und Verstärkung der gesellschaftlichen Teilnahme eintrat, um eine glaubwürdige Demokratie zu errichten. Die ODCA ist überzeugt, dass das humanistische politische Ideal nur mit der Partizipation aller erreicht werden kann. Diese Überzeugung basiert auf der Förderung der menschlichen Würde und der Achtung der Menschenrechte. Darüber hinaus strebt die ODCA, aus Sicht ihres politischen Ideals, die Schaffung einer humaneren Gesellschaft an. Die ODCA setzt auf den Ausbau und die Vertiefung der Demokratie, da der Ausschluss bestimmter Gesellschaftsgruppen nicht nur die Armut, die Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten verschärft, sondern auch entgegen dem Ziel gerichtet ist, eine Gesellschaft zu erreichen, in der alle sich verwirklichen und in Würde leben können. Demzufolge, muss man sich darüber im Klaren sein, dass die politische, wirtschaftliche, soziale und kulturelle Partizipation der indigenen Gemeinschaften nicht nur aus moralischer Sicht gut und wünschenswert ist, sondern auch unerlässlich für die Vertiefung der Demokratie und eine unabdingbare Voraussetzung, um das Ideal einer humanistischen, gemeinschaftlichen und brüderlichen Gesellschaft zu erreichen. Der nordamerikanische Ökonom, Mancur Olsen, sagte: „Wenn jemand sich fragt, wieso einige Nationen reich sind, während andere arm sind, dann ist dabei der Hauptgedanke, dass die Nationen, die innerhalb ihrer Grenzen produzieren, dies nicht aufgrund der Finanzierung aus ihren Ressourcen erreichen, sondern weil ihre Institutionen und ihre öffentlichen Maßnahmen dies erlauben.“ Deswegen sollte man sich dem Wert der öffentlichen Maßnahmen bewusst sein; aber nicht nur der reinen öffentlichen Maßnahmen, sondern derer mit Gesellschaftssinn. Die ODCA ist davon überzeugt, dass ihre Verantwortung größer ist und deshalb arbeitet sie mit anderen politischen Organisationen und Vereinigungen zusammen, die das gemeinsame Ziel, die Vervollkommnung der Demokratie, teilen. Der Exekutivsekretär betonte die Wichtigkeit an solchen humanistischen öffentlichen Maßnahmen weiterhin zu arbeiten, da diese dazu beitragen, das Leben der Menschen zu bereichern.

Unter den Rednern waren María Soledad Pérez, Abgeordnete der peruanischen Christlichen Volkspartei; Demetrio Cojtí, ehemaliger Vizeminister des Bildungsministeriums und derzeit Berater des Ministeriums für Kultur und Sport in Guatemala; die Chilenin Isolde Reuque, ehemalige Beraterin und stellvertretende Vorsitzende der Nationalen Körperschaft der Indigenen Entwicklung (CONADI); Ana Teresa Àvila, Koordinatorin des Projekts Bilanz der Öffentlichen Maßnahmen in Hinblick auf die indigenen Völker in Panama der Stiftung Entwicklung der bürgerlichen Freiheit; der Mexikaner Xavier Abreu, Vorsitzender der nationalen Kommission für die Entwicklung der indigenen Völker (CDI); der ehemalige indigene Vizepräsident von Bolivien, Víctor Hugo Cárdenas. Abschließend referierten die Mexikanerinnen Eufrosina Cruz, indigene Abgeordnete und Xochitl Gálvez, ehemalige Vorsitzende der nationalen Kommission für die Entwicklung der indigenen Völker und erfolgreiche indigene Unternehmerin.

Vorträge

Der erste Vortrag von María Soledad Pérez Tello, war eine Einführung in die juristischen Hintergründe von Wichtigkeit, um die legalen Aspekt rund um das Thema zu verstehen. In diesem Sinne, nannte die Referentin wichtige rechtliche Institutionen wie die Internationale Arbeitsorganisation (IAO), die Vereinten Nationen im Allgemeinen und den Interamerikanischen Gerichtshof für Menschenrechte. Die durch diese Organisationen garantierten Rechte erzielen die Menschenwürde, Gerechtigkeit, Freiheit und Friede. Aber Gesetze allein sind nicht ausreichend; es handelt sich hier um Gesellschaften, die die indigenen Völker respektieren müssen. Dieser Respekt wurde mittels eines soziologischen Prozesses erreicht, zuerst über die Assimilation, und heute über die Anerkennung der indigenen Völker.

Eine Organisation, die diesen Prozess reflektiert, ist die IAO, die auf die soziale Gerechtigkeit mittels der gerechten Verteilung des Reichtums hinweist, der nur durch Arbeit erreicht werden kann. Aus diesem Grund konzentriert sich die IAO auf die Garantierung der Arbeitsrechte, die strikt mit Zwangsarbeit verbunden werden. Eine Analyse über Zwangsarbeit zeigte, dass die Indigenen die am stärksten betroffene Gruppe bezüglich Zwangsarbeit sind. Die IAO schlug demnach vor, diese Situation auf Basis des Abkommens 107 zu regeln. Allerdings hatte dieses Abkommen eine „ Top-Down“ Logik, die die komplexen Rassenverbindungen und die Diskriminierung zwar zu überwinden versuchte, dies allerdings mittels der öffentlichen Wohlfahrt in eine Logik der Mestizen und nicht der Indigenen einbettete. Dies wird durch das Abkommen 169, das politische Partizipationsrechte absichert, überwunden, wobei nachdrücklich betont wird, dass die Indigenen frei entscheiden können, wie sie leben möchten. Genauso unterstützt das Abkommen die Indigenen in Themenbereichen wie Bodenrecht, Konsultationsrecht, Bildung und Gesundheit und enthält unter anderem auch eine Definition über indigene Völker. Allerdings konzentriert sich dieses Abkommen auf den Arbeitsbereich, weswegen die Erklärung der Rechte indigener Völker der Vereinten Nationen entstand, die ein weitaus spezifischeres Instrument für die indigenen Völker darstellt.

In Peru repräsentieren die Indigenen 50% der Gesamtbevölkerung. Jedoch ist dies, aus soziologischer Sicht, aufgrund der Marginalisierung der Indigenen, kaum präsent. Viele Indigene identifizieren sich nicht als solche, um Diskriminierungen zu vermeiden. In Urteilen des Interamerikanischen Gerichthofes, die auf dem Abkommen 169 der IAO und der Erklärung der Rechte indigener Völker der Vereinten Nationen basieren, wurde oft das Argument des Eigentums vorgebracht, wodurch man die Beziehung der Indigenen mit der Natur respektierte, um dadurch Gebietsabgrenzungen zu garantieren. Ausgehend von dieser Gebietsabgrenzung werden die indigenen Völker, ihre Ausbildung, ihre Kultur, etc., beschützt. Nichtsdestotrotz ist die Abgeordnete davon überzeugt, dass diese Anerkennung in den meisten lateinamerikanischen Ländern ein großes Problem darstellt, vor allem in Peru, wo die Landwirtschaftsreform nur ungenügend umgesetzt wurde und somit ein Trauma für die Gesellschaft darstellt.

Insbesondere in Peru existiert ein Überlegenheitskomplex und ein Angleichungsprozess, vor allem in Entscheidungsinstanzen. Dies zeigte sich deutlich in Bagua, wo nach einer Reihe von Dekreten, die durch Alan García erlassen wurden, drei große Fehler begannen wurden: 1) Alan García schrieb einige Artikel in der Zeitung „El Comercio“ unter dem Titel „Große Klappe nichts dahinter“, in denen er die geringe Produktivität Perus kritisiert, obwohl Peru viele Ressourcen zum Ausbeuten hätte. Er kritisierte auch, dass die Bevölkerungen „nicht essen und nicht essen lassen“, was bedeutet, dass der gesamte Konsultationsprozess keinen Zugriff auf die Gebiete mit Ressourcen erlaubt, die sich in indigenem Gebiet befinden. 2) In dem Artikel von García scheint es, als gebe es eine Zersplitterung der Bürger in Bürger der ersten und zweiten Klasse. 3) Es wurden Notfalldekrete verabschiedet, die mit der Holzförderung in indigenen Territorien in Verbindung standen und daraufhin Streiks der Indigenen provozierten und in gewalttätige Ausschreitungen in Bagua ausarteten. Dieses Ereignis war sehr bewegend für das Land und führte dazu, dass das Thema der Indigenen und vor allem das Konsultationsrecht auf der öffentlichen Agenda erschienen. In Anerkennung an die Ereignisse in Bagua wurden vier Gesetzesentwürfe bezüglich des Konsultationsrechts präsentiert, drei davon kamen aus der Regierungspartei. Letztendlich wurde ein Entwurf verabschiedet, der zwar die Vorbefragung, nicht jedoch die Einwilligung der Indigenen anerkennt. Dies ist die Problematik in der Gesetzgebung Perus; es wird nicht akzeptiert, dass es mindestens drei Fälle gibt, bei der die Einwilligung obligatorisch ist: Vertreibung der Bevölkerung, Militäreintritt und Giftmülllagerung auf indigenen Territorien. Im August 2012 wurde ein Ersatzgesetz vorgestellt, das Gesetz 29785, das Recht auf vorherige Konsultation für die vom Abkommen 169 der ILO anerkannten indigenen Völker. Die Verfügung dieser Norm wurde um sieben Monate verzögert, weil es unter anderem offene Fragen in Bezug auf die Gebietsabgrenzung, die Identifikation als Indigene und das Fehlen einer adäquaten Datenbank gab. Das Vizeministerium für interkulturelle Angelegenheiten, auf das dieses Gesetz zurückgeht, hat letztendlich das Dekret 001/2012 verabschiedet. Bisher gab es jedoch immer noch keinen einzigen Fall der vorherigen Konsultation; die erste Konsultation ist für die nächsten Monate geplant bezüglich der gesetzlichen Reglamentierung von Block 1-AB, ein Öl-Block der schon 40 Jahre in Betrieb ist und nun der Betriebsunzulässigkeit gegenübersteht. In diesen 40 Jahren wurden die Schäden (Verschmutzung, Abfall, etc.), die durch diesen Öl-Block entstanden sind, und unter diesen die indigenen Völker leiden, nicht vermindert.

Die Frage ist nun: „Was sind die Probleme der Implementierung?“ Erstens, wird die obligatorische Einwilligung der indigenen Völker nicht akzeptiert, da Investitionen an erster Stelle stehen. Dies ist jedoch ein Fehler, denn letztendlich müssen die Staaten für unverantwortliche Schäden gegenüber den Unternehmen aufkommen, denen die Staaten Genehmigungen erteilt haben in eigenen und indigenen Gebieten Ressourcen auszubeuten. Und die Staaten müssen auch die indigenen Völker entschädigen. Die Voraussetzungen für die obligatorische Einwilligung existieren und wurden auch in allen Fällen mit indigenen Völkern vom Interamerikanischen Gerichtshof anerkannt. Zur vorherigen Konsultation und der obligatorischen Einwilligung der indigenen Völker sind auch diejenigen lateinamerikanischen Staaten verpflichtet, , die das Abkommen 169 der ILO oder die Erklärung der Rechte indigener Völker der Vereinten Nationen nicht unterschrieben haben, weil sie dem System des Interamerikanischen Gerichtshofes untergeordnet sind, dessen Rechtsprechung bezüglich des Konsultationsrechts für die Staaten verbindlich ist.

Ein weiteres großes Problem in Lateinamerika besteht darin, dass man nicht weiß, was man mit den Gesetzesentwürfen, die zwischen 1995 und 2012 gebilligt wurden und die nicht vorher konsultiert worden sind, machen soll. Im Fall von Peru werden Gesetz und Vorschrift nicht in den Vorschriften und in der Anwendung von Gesetzen auf Legislativebene berücksichtigt. Im Parlament wurde der Gesetzgebungsprozess des Gesetzes über Konsultation und freie Information auf Grundlage eines internationalen Berichts, der von einer Reihe von Institutionen erstellt wurde, diskutiert, da dieser Bericht die aktuelle Problematik in Peru reflektiert. Dabei spielt das Verfassungsgericht eine wichtige Rolle, das überwacht, ob alle Normen eingehalten werden und jeder Input Berücksichtigung erfährt.

Das dritte Problem ist das Misstrauen zwischen Indigenen und Mestizen. Dieses Misstrauen entstand, weil die Mestizen ihre Versprechen nicht eingehalten haben, wie zum Beispiel die Gesundheitsversorgung und die Bildung für die indigenen Völker zu verbessern. Ein weiteres großes Problem sind die unterschiedlichen Agenden. Die heutige Agenda der indigenen Völker Perus ist die Erklärung der Verfassungswidrigkeit des Konsultationsgesetzes, da dieses die obligatorische Einwilligung nicht anerkennt. Genauso ist es ihnen wichtig ihre Bedingungen im Hinblick auf Gesundheit und Bildung zu verbessern. Die Agenda der Exekutive ist es, die erste Konsultation, ohne Klarheit über die Datenbank und Gebietsabgrenzung, durchzuführen. Die Agenda des Parlaments ist die Reglementierung des Gesetzes und die Anpassung an die kulturelle Agenda.

Auf Basis dessen zeigen sich die Herausforderungen der öffentlichen Maßnahmen in Peru, die sich vor allem auf die Anpassung, das Überdenken und das neu Konzipieren des Haushalts konzentrieren sollten. Bedauerlicherweise wird heutzutage auf Kongressebene der Haushalt nicht mehr debattiert sondern nur noch gebilligt. Eine andere Herausforderung sind die geographischen Hindernisse in Bezug auf die Zugänglichkeit einiger Gebiete. Dadurch kommt zum Beispiel die Verteilung von Privilegien nie bei den nur schwer zugänglichen Gemeinden an.

Der zweite Referent war Demetrio Cojtí, der über das Thema: „ Aktuelle indigene Politik in Guatemala“ sprach. Herr Cojtí begann seinen Vortrag damit zu erklären, dass Guatemala ein monistisches und rassistisches Paradigma im Hinblick auf Ungleichheit aufzeigt, das bedeutet, dass es in Guatemala überlegene und unterlegene Rassen und Kulturen gibt. Seit 1985 bis heute gab es Versuche gleichstellende und pluralistische öffentliche Maßnahmen einzusetzen, jedoch wurden diese Maßnahmen nicht verstärkt, da der politische Wille fehlte die pluralistische Politik der Anerkennung der indigenen Völker zu unterstützen. Auch heute bleibt die Trägheit des rassistischen und ungerechten Paradigmas, das seit der spanischen Invasion vorherrscht, bestehen.

Die derzeitige Politik ist auf Assimilation ausgelegt. Die kulturellen Rechte werden zwar anerkannt, aber nur auf individueller und nicht auf kollektiver Ebene. Die indigenen Rechte, die nicht anerkannt werden sind politische, territoriale, selbstbestimmende, selbstverwaltende und repräsentative Rechte. Was viel weniger angesprochen wird, ist die strukturelle Veränderung des Staates, beispielsweise die Veränderung vom unitaristischen und zentralistischen Staat hin zu einem Föderalstaat mit autonomen Strukturen. Diese Staatsform ist die angemessenste politische Ordnung für pluriethnische, multikulturelle und mehrsprachige Staaten wie Guatemala.

Die wichtigsten Ereignisse, die in Guatemala dazu beigetragen haben die indigenen Völker sichtbar zu machen, war der interne Krieg der 1985 endete, die neue Verfassung des Staates, die in gewisser Art und Weise das alte monistische und rassistische Paradigma beschnitt und ein pluralistisches Paradigma einführte (vor allem ersichtlich in der Erklärung der Verfassung), die Friedensabkommen (Indigene-Abkommen), die 1996 in Kraft traten, und die Ankündigung einer neuen Ära im Jahre 2012 durch die Maya Bevölkerung.

Der Kongress hat einige spezielle Gesetze für die indigenen Völker verabschiedet. Was jedoch vorherrscht, ist die Gleichheit aller, was bedeutet, dass der Fokus auf den Individualrechten basiert und nicht auf Kollektivrechten. Der Kongress hat das Abkommen 169 der IAO ratifiziert und einige Gesetze erlassen, wie das Gesetz der nationalen Sprachen im Jahr 2003 und das Gesetz gegen Rassismus und Diskriminierung. Im Allgemeinen existieren aber mehr Gesetze für Jugendliche und Frauen als für Indigene. In einigen Gesetzen werden die indigenen Völker nur symbolisch erwähnt, wie in der Reform des Strafgesetzbuches, in der Gemeindeordnung, im Gesetz über die Arbeitsweise des Rates für Entwicklung und im Dezentralisierungsgesetz. Es wurde die Kommission der indigenen Völker innerhalb der Legislative gegründet, in der aber kein Indigener oder Abgeordneter die Leitung übernehmen möchte. Darüber hinaus wurde 1989 durch den Nationalkongress eine Akademie für die Maya-Sprachen gegründet. Jedoch wurde weder eine Partizipation noch eine Repräsentation der indigenen Völker institutionalisiert. Es gab einige Versuche Strukturen für Indigene in einigen Parteien einzuführen, aber, laut Referent, sind diese nur von symbolischem Charakter. Man kann sagen, dass die Ausarbeitung von Gesetzen für indigene Völker seit 2004 zum Erliegen gekommen ist, genauso wie man eine stufenweise Reduzierung des Staatshaushaltes bezüglich indigenen Anliegen und staatlichen Institutionen, die für die Indigenen eingerichtet worden sind, beobachten kann.

Aus Sicht der Exekutive bestehen spezifische Rechtsvorschriften der Regierung, wie Regierungsabkommen, die durch den Präsident initiiert wurden, zum Beispiel das Abkommen über die Verallgemeinerung der zweisprachigen Erziehung. Bei der Gesetzgebung auf Ministerebene muss das Ministerialabkommen zur Unterstützung indigener Tracht hervorgehoben werden, denn in einigen Schulen werden Kinder immer noch überredet nicht ihre traditionelle Kleidung zu tragen, obwohl ein Gesetz besteht, das dieses Thema regelt. Darüber hinaus ist auch das Ministerialabkommen über heilige Stätten sehr bedeutend. Dieses Abkommen beruht auf zehn Gesetzen, darunter auch die Konsultation, die aber nicht vom Plenum des Kongresses verabschiedet wurden. Seit 1996 wurden mehrere speziell staatliche Institutionen für Indigene eingerichtet. Heute zählt man zwischen 16 und 21 solcher Institutionen. Es gibt auch einige hohe Instanzen, die von der Regierung bestimmt wurden, in die indigene Repräsentanten direkt durch indigene Organisationen berufen werden. Beispiele für solche Instanzen sind unter anderem die präsidiale Kommission gegen Diskriminierung und Rassismus von indigenen Völkern in Guatemala, der Beirat hinsichtlich des indigenen Themas des Präsidenten der Republik, die Verteidigung der indigenen Frau und der Fond für indigene Entwicklung. Die weniger „mächtigen“ indigenen Institutionen sind von einem Ministerium, einem Staatssekretär oder einem dezentralisierten Organ, wie die Generaldirektionen, Unterdirektionen, Departements, etc. abhängig. Gleichzeitig besteht im Arbeitsministerium eine Abteilung, die sich mit dem Abkommen 169 der IAO befasst, wobei sich in dieser Abteilung nur ein indigener Arbeitnehmer befindet.

Unter den öffentlichen Maßnahmen der Exekutive finden sich auch die Grundrisse des nationalen Bildungssystems in Bezug auf Multikulturalität und Interkulturalität, die öffentliche Agenda der indigenen Völker im Rahmen der Friedensabkommen 2005-2012, die öffentliche Ordnung für das Zusammenleben und den Kampf gegen die Ungleichheit und den Rassismus in Guatemala, sowie allgemeine Pläne und Programme, in denen über die Anerkennung einer gewissen Interkulturalität im Land gesprochen wird.

In der Judikative schritten im Vergleich zu anderen Gewalten indigene Aktionen nur wenig voran. Es besteht nur ein begrenzter Zugang zu Rechten indigener Völker, und wenn dieser existiert, dann ohne kulturelle und juristische Angemessenheit. Um dies zu beheben wurden einige juristische Maya-Übersetzer angestellt und Tribunale bzw. mobile Gemeindegerichte gegründet, um Gerechtigkeit zu garantieren. Dies dient allerdings dazu, Zugang zu dem staatlichen, von Mestizen beeinflusstem, Recht zu haben. In Bezug auf die Anerkennung indigener Rechte muss erwähnt werden, dass die Verfassung diese Rechte anerkennt. Des Weiteren erstellte die Justiz eine kurze Zusammenfassung aller Fälle, die von den „Ältestenräten“ der indigenen Gemeinden behandelt wurden, sowie die Fälle, die stellvertretenden Bürgermeister ausgesprochen haben, da in den Gemeinden die Konflikte auf eine bestimmte Art und Weise gelöst werden, beispielsweise durch die sofortige Wiedergutmachung. In einigen Fällen haben sich die staatlichen Gerichte und Richter an diesen Fällen orientiert und die gleichen Delikte nicht noch einmal neu verhandelt, sondern sich auf die Entscheidungen auf Basis des indigenen Rechts gestützt. Darüber hinaus wurde eine Union für indigene Angelegenheiten in der Justiz gegründet, die das Ziel hat, beratend tätig zu werden, das indigene Recht in Pläne, Programme und Maßnahmen der Justiz einzuführen, sowie die Funktionäre und Richter im Justizapparat im Bereich des indigenen Rechts zu schulen. Auch wurden mittlerweile Übersetzer und zweisprachige Richter eingestellt.

Nach Meinung des Referenten sind die öffentlichen Maßnahmen für indigene Völker im Staat Guatemala wie eine „Inkrustierung“, also wie eine Randstruktur inmitten der allgemeinen und vorherrschenden Struktur. Bei der Umsetzung dieser Maßnahmen wird dabei das Hauptaugenmerk mehr auf den städtischen Bereich und die Hauptstadt gelegt, als auf den ländlichen Bereich. Die generelle Natur ist dabei eher diskursiv, erklärend oder wörtlich; die öffentlichen Maßnahmen bleiben auf erklärendem Niveau, das heißt sie werden verkündet aber nicht durchgeführt. In Bezug auf die Nachhaltigkeit sind die Maßnahmen nur auf die einzelnen Regierungen und nicht auf den Staat zurückzuführen. Der Ansatz scheint dabei optional bzw. fakultativ. Die Verwaltung ist dabei sondierend oder austestend, da es kein Modell eines multiethnischen oder mehrsprachigen Staates gibt, der von allen akzeptiert wird und auf den zugearbeitet wird, um ihn zu stärken. Letztendlich ist die vorherrschende Wirksamkeit symbolisch und folkloristisch.

Diese Bewertung basiert auf den folgenden Erklärungen: die Existenz eines fast gescheiterten politischen Systems und Staates; das Fehlen eines politischen Willens für staatliche Aktionen gegen Rassismus; das Fehlen einer starken indigenen Bewegung, die Druck ausübt und für Nachhaltigkeit eintritt; und das Fehlen eines Modells für einen von allen akzeptierten multiethnischen Staats, an dem man die Politik, die Programme und Pläne ausrichten kann.

Die nächste Referentin war die Chilenin Isolde Reuque, die über „die öffentlichen Maßnahmen und die gesellschaftliche Partizipation“ insbesondere in Hinblick auf die indigenen Völker und Frauen, sprach. Durch einige Zusammenkünfte und Verträge, in denen die indigenen Völker ihre Forderungen ausdrückten, wurde eine bestimmte Agenda von Forderungen durch die Vereinten Nationen an den Tag gelegt. So wurde eine Reihe von öffentlichen Maßnahmen gebildet, um die Auswirkungen der verschiedenen Situationen der vorherrschenden Diskriminierung in Lateinamerika zu mindern. Dabei wurde ein besonderes Augenmerk auf die Situation der Indigenen und indigenen Frauen gelegt. Trotz dieser Bemühungen hat sich die politische, wirtschaftliche, soziale und kulturelle Ausgrenzung der Indigenen und indigenen Frauen nicht wesentlich geändert. Um einen wirklichen Fortschritt in diesem Bereich zu erzielen, müssen tiefgreifende Veränderungen in den öffentlichen und gesellschaftlichen Maßnahmen erfolgen, die aber die aufeinanderfolgenden Regierungen nicht erfüllen können. Darüber hinaus müsste ein ideologischer Wandel in den politischen Strukturen und im politischen System erfolgen.

Der chilenische Staat ist nicht frei von Kritik, auch wenn die begonnenen Bemühungen seit den neunziger Jahren zu berücksichtigen sind, die mit dem Beginn der Institutionalisierung der Forderungen der indigenen Bewegungen eingesetzt wurden. Seit 1980, mit der Wiedereinsetzung der Demokratie, wurden die Bemühungen durch die Einsetzung von Institutionen, wie der Sonderkommission für indigene Völker (CEPI), der nationalen Körperschaft der indigenen Entwicklung (CONADI) und dem nationalen Dienst für Frauen (SERNAM), sichtbar. Trotzdem wurde noch keine Gleichstellung zwischen den indigenen Völkern und dem Staat, sowie zwischen den Geschlechtern in den verschiedenen Gesellschaftsschichten erreicht.

Der Staat und die Gesellschaft halten eine sogenannte integrative Beziehung aufrecht, die als Antwort auf die sozialen Bewegungen der Schichten gilt, die sich übergangen fühlten, wobei die Regierungen der Aufrechterhaltung der Regierbarkeit des Staates größeres Interesse beimaßen als Antworten auf die Forderungen zu geben. Die öffentlichen und gesellschaftlichen Maßnahmen, die als staatliches Instrument etabliert werden, haben zwei Absichten: (1) Die Umverteilung der Einnahmen in der Bevölkerung und (2) die Forderungen der marginalisierten Bevölkerungsteile integrieren, und nicht nur ihre Rechte formal anzuerkennen. In diesem Sinne reagiert der Staat gegenüber diesen Forderungen, ist aber nicht aktiv. Nach der Wiedereinsetzung der Demokratie, ließ die Antwort nicht auf sich warten eine neue Beziehung zwischen Staat und indigenen Völkern, nicht ohne Schwierigkeiten, aufzubauen. Es wurden überwiegend juristische Aspekte bevorzugt und es kam zur Erneuerung der Struktur der Institutionen in der (1) der Staat auch die Indigenen repräsentiert und eine Rolle spielt, (2) die Forderungen gebündelt und durch die entsprechenden Institutionen artikuliert werden und (3) das Recht auf Entwicklung vor dem Recht auf Rechtsprechung institutionalisiert wird.

In diesem Zusammenhang bleiben das Territorium und die Armut die historischen Probleme in den Regionen mit der höchsten Bevölkerungsrate mit Indigenen (Mapuches). Heute wie früher kontrollieren die indigenen Völker, in Chile sind es durch das Gesetz 19.253 von 1993 12 anerkannte Völker, immer noch nicht die Schlüsselelemente, die ihr Überleben sichern, was sie unfähig macht, ihre originären Rechte auszuüben, wie das Recht auf Grundstückseigentum, Territorium (Grund und Bodenschätze) und ihre Identität. Auf der anderen Seite, trotz vieler politischer und technischer Schwierigkeiten, gab es einige Anstrengungen und Fortschritte der Politik- und Programmförderung, um den Zielen des Gesetzes gerecht zu werden, was von den Organisationen der Mapuche auch anerkannt wurde. Man wird sich des Ausmaßes der verwendeten finanziellen Mittel in Maßnahmen, wie die Landrückgabe und die Implementierung des Herkunftsprogramms Programa Origenes (dessen Ziel es unter anderem war, verschiedene öffentlichen Dienste für die indigenen Völkern sicher zu stellen), bewusst. Ihrerseits haben die indigenen Völker ihre zentrale Forderung, von dem Grundstückseigentum hin zu einer umfassenderen Forderung, die auch das Recht auf politische und kulturelle Entwicklung einschließt, erweitert.

Die Fortschritte in Bezug auf die öffentlichen Maßnahmen für indigene Völker wurden vor allem dank des Beschlusses der Parteikoalition Concertación, seit der demokratischen Transition 1989 und durch seine verschiedenen Präsidenten (Aylwin, Frei, Lagos, Bachelet), sichtbar, und schließen politische Kompromisse mit der indigenen Welt und die Berücksichtigung der Forderungen der indigenen Organisationen mit ein. Beispielsweise gibt der multikulturelle Pakt „Re-Conocer“, der von Präsidentin Bachelet veranlasst wurde, den öffentlichen Ämtern vor, die indigene Thematik in ihre Planungen und Haushalte einzubinden. Zuvor wurde versucht in Regierungsbehörden die Thematik der Indigenen zu bündeln; heute ist die Thematik durch die gesamte staatliche Struktur hindurch institutionalisiert. Ein weiteres Beispiel ist das Herkunftsprogramm (Programa Orígenes). Der damalige Präsident Frei initiierte den kommunalen Dialog und stellte die Forderungen im Regierungspalast La Moneda vor; zum ersten Mal nahmen 1.000 Lonkos (indigene Anführer der Gemeinden) an so einer Veranstaltung teil. Daraus resultierte auch die Notwendigkeit die Variable Indigene gegenüber dem Staat zu artikulieren und diese in die öffentlichen Maßnahmen zu integrieren. 2001 unterzeichnete d ie Regierung unter Präsident Lagos einen Vertrag mit der Interamerikanischen Entwicklungsbank (BID) um die erste Phase des Herkunftsprogramms zu beginnen. In der südlichen Region Araucanía arbeitete man im Zeitraum 2001-2006 mit 424 Gemeinden. 2006 wurden diese öffentlichen Maßnahmen der Parteienkoalition Concertación mit den Indigenen weitergeführt und während der Regierungszeit der Präsidentin Michelle Bachelet wurde die zweite Phase des Herkunftsprogramms begonnen, das 2011 auslief und 738 Gemeinden in der genannten Region umfasste. Das Herkunftsprogramm hatte folgende Auswirkungen auf die Gemeinden und Gebiete: Gebietsrückgabe, die den Gemeinden erlaubte sich zu artikulieren um ihre Forderungen aufzuzeigen; Einsetzung „Runder Tische“ zur lokalen Planung (MPL), die Raum für die Repräsentanten der Gemeinden geben, um mit dem Staat zu interagieren; kulturelle Projekte, die es erlauben die Vorfahren zu ehren, indem Ressourcen zur Verbesserung oder zur Reparatur einiger Eltum (Friedhöfe) eingesetzt werden. In der Regel entscheiden die Gemeinden in ihren regelmäßigen Sitzungen selbst, wie sie den Fond der Lokalentscheidung (FDL) einsetzen. Daraus wurden die Projekte geboren, die durch die Leiter der MPL gebilligt wurden um durch das Herkunftsprogramm finanziert zu werden.

Die Referentin zeigte auf, dass die Verwaltungsorgane der Regionen des Landes, in denen der Anteil der Indigenen an der Gesamtbevölkerung hoch ist, sich definitiv an die Entwicklungsarbeit anpassen sollten, die diese Völker voranbringen. Dies schließt auch die lokalen Verwaltungsorgane ein, die die Verpflichtung haben, die indigene Thematik, vor allem im Fall der Neunten Region, in ihre Haushalte zu integrieren. Die Ratifizierung des Abkommens 169 der IAO durch die Regierung erlaubt das indigene Thema als gesellschaftliches, realpolitisches Thema aufzunehmen und nicht nur als eine Materie, die allein den Willen der aktuellen Regierung betrifft.

Mit Blick auf die letzten Überlegungen ist die Referentin davon überzeugt, dass die indigenen Völker das Recht des Wohlbefindens haben, was ein Anliegen der gesamten Bevölkerung sein sollte. Aus der westlichen Sichtweise des Staates, betrachtet man den Ansatz der Indigenen und ihr Wirtschaftsmodell in enger Verbindung mit dem wissenschaftlichen und technologischen Fortschritt. Allerdings geht die ursprüngliche Integrität viel weiter als die Diagnostik (Armut) und die Verarbeitung von spezifischen Forderungen. Die Weltanschauung der indigenen Völker basiert auf dem Wissen über die Ausgeglichenheit zwischen dem Spirituellen, Natürlichen, Wirtschaftlichen und Sozialen. Aus dieser Perspektive zeichnet sich das System der Mapuche, im Gegensatz zum westlichen Modell, durch seine Integrität aus, das die verschiedenen Systeme, die nebeneinander in der Welt der Mapuche existieren, miteinander in Beziehung setzt, um das „gute Leben“ („buen vivir“) zu erreichen. In diesem Sinne wird deutlich, dass es sehr wohl sicher sei, dass der Staat zwar größere und bessere Räume für die Belange der Bürger geschaffen hat, sich jedoch die Ungerechtigkeit und Ungleichheit deutlich bei der Qualität der Behandlung in den öffentlichen Ämtern zeigt. Es existieren spürbare Unterschiede zwischen Behandlungen in den Systemen der Mapuches und Nicht-Mapuches. Deshalb beinhaltet ein wichtiger Fortschritt in diesem Bereich tiefgreifende Veränderungen in der Mentalität, in öffentlichen und sozialen Maßnahmen, die eine neue Sichtweise sowie eine veränderte Anerkennung hervorbringen.

Als Repräsentantin von Panama sprach Ana Teresa Ávila über das Thema: „ Bilanz der öffentlichen Maßnahmen für indigene Völker in Panama“. Derzeit ist zwar das wirtschaftliche Wachstum in Panama hoch aber es besteht weiterhin, vor allem in indigenen Zonen, große Armut, Analphabetismus, Arbeitslosigkeit, etc. Deshalb ist die Präsenz von internationalen Organisationen in Panama notwendig, die sich jedoch aufgrund der guten wirtschaftlichen Lage zurückgezogen haben.

In Panama leben sieben indigene Völker: die Ngäbes, die Gunas, die Emberá, die Wounaan, die Bri Bri, die Buglés und die Naso-Tjërdi. Genauso bestehen fünf indigene Territorien (Comarcas): Kuna Yala, Emberá-Wounaan, Ngäbe-Buglé, Kuna de Madugani und Kuna de Wargandi (wobei die erste die Älteste und die letzte erst 2000 gegründet wurde). 2008 wurde durch das Gesetz 72 ein spezielles Vorgehen für die Vergabe von Kollektiveigentum von indigenen Völkern eingeführt, welche nicht innerhalb der Comarcas liegen. Das bedeutet jedoch nicht, dass dieses Gesetz automatisch Gebiete legalisiert. Das Volk der Naso- Tjërdi hat derzeit einen Antrag gestellt eine eigene Comarca zu etablieren und das Volk der Bri Bri versucht gerade mit vereinigten Kräften die Anerkennung ihres Territoriums als Comarca bzw. Kollektiveigentum zu erreichen.

Die Stiftung für Entwicklung und bürgerliche Freiheit, panamaisches Kapitel der internationalen Transparenz, realisierte in den Jahren 2010 und 2011 das Projekt „Bilanz der öffentlichen Maßnahmen für indigene Völker in Panama“ um die Partizipation der indigenen Völker im Bereich Konsultation, Definition, Evaluation und Durchführung von öffentlichen panamaischen Maßnahmen im Rahmen der Milleniumsentwicklungsziele (MDG ) zu fördern. Zu diesem Zweck nahm die oben genannte Stiftung an einer Hauptversammlung der Nationalen Koordination der Indigenen Völker Panamas (COONAPIP) teil, die sich aus den traditionellen Autoritäten der sieben Völker zusammensetzt. Was sich in der Bilanz zeigte war, dass die indigenen Völker nicht berücksichtigt werden; die Verantwortlichen, die die öffentlichen Maßnahmen entwerfen, haben nie mit den indigenen Völkern über ihre Bedürfnisse gesprochen.

Dieses Projekt adressierte die Regierung und die öffentlichen Einrichtungen, um sie an die Arbeit zu erinnern, die sie nach den Abkommen und Verträgen, die unterzeichnet wurden, zu verrichten haben. 40% dieser Abkommen und Verträge werden, bezüglich ihrer Umsetzung, nicht verfolgt. Ein Abkommen, das nicht unterzeichnet wurde, ist das Abkommen 169 der IAO. Dies hat politische Gründe, da 20% des Staatsgebietes den Indigenen gehört und sich in diesen Gebieten sehr wertvolle natürliche Ressourcen befinden.

Ebenso bildete die genannte Stiftung Arbeitstische, an denen der bereits existierende strategische Plan öffentlicher Maßnahmen für indigene Völker analysiert wurde und der aus sechs Schwerpunkten besteht: a) Zur Reduzierung der extremen Armut der indigenen Völker beitragen und damit auch die MDG zu erreichen; b) Kompetenzentwicklung, die an die wirtschaftliche Entwicklung von extrem armen Familien angelehnt ist und die überwiegend Unternehmertum, unternehmerische Entwicklung und Innovation, sowie Partnerschaften und neue Finanzierungsmodelle, abgestimmt auf das Potenzial der jeweiligen Region und des Marktes, fördert, mit dem Ziel die Einkommen der Nutzer zu erhöhen; c) Sicherstellung von Dialogmöglichkeiten, der Koordination und der Artikulation für öffentlichen Maßnahmen zwischen staatlichen Institutionen und den direkten Verantwortlichen in den indigenen Gebieten; d) Förderung der Achtung der Menschenrechte, Gerechtigkeit und guter Umgang zwischen den indigenen Völkern und zuletzt e) die Verstärkung der öffentlichen Dienstleistungen, vor allem im Bereich Bildung und Gesundheit. Darüber hinaus wurde eine Überprüfung der staatlichen Institutionen (insgesamt 46), die an dem strategischen Plan ausgerichtet sind, und öffentlichen Einrichtungen, die für die öffentlichen Maßnahmen verantwortlich sind, durchgeführt. 2010 hatten 15 der 33 der überwachten Institutionen direkte Maßnahmen durchgeführt, 13 indirekte Maßnahmen und fünf Institutionen haben sich nicht geäußert, ob sie direkte oder indirekte Maßnahmen durchgeführt haben. 2011 wurden 46 Institutionen überwacht, wovon 23 direkte Maßnahmen und 23 indirekte Maßnahmen durchgeführt haben. Jedoch wurde auch beobachtet, dass viele Projekte öffentlicher Maßnahmen nicht angemessen auf die spezifischen Gegebenheiten in den einzelnen Zonen angewendet werden konnten.

In Bezug auf die Politik der Inklusion und der Partizipation bei der Gestaltung und Umsetzung der öffentlichen Maßnahmen, hatten 22, von den 2010 überwachten 33 Institutionen, einen Mechanismus für Konsultation und Partizipation, zehn dieser Institutionen fehlten Möglichkeiten der Partizipation und bei einer ist nicht bekannt, ob sie solche Mechanismen überhaupt verwendete. Von den 46 überwachten Einrichtungen im Jahr 2011 haben sich 23 mit den traditionellen Autoritäten oder mit den Bezirksräten beraten, elf hatten einen Mechanismus für Konsultation oder Partizipation und neun konnten keine Beteiligungsmechanismen vorweisen. Das bedeutet, dass es in Panama zwar Befragungen gibt, diese sind jedoch aber nicht partizipativ. Es ist ein Irrglaube der Machtorgane, dass die Indigenen alles haben möchten, da dies der Realität nicht entspricht.

Insbesondere durch die Gruppenumfragen mit Indigenen über die Maßnahmen indigener Partizipation, die von der Stiftung durchgeführt wurde, zeigte sich, dass im Jahr 2010 die Hauptprobleme folgende seien: Der fehlende Respekt gegenüber ihren Gebieten; die Nicht-Ratifizierung des Abkommens 169 der IAO, der den Indigenen das Konsultationsrecht zugesteht; fehlende Qualifikationen zur nachhaltigen Produktion; die Notwendigkeit zur Wahrung und Förderung der interkulturellen, zweisprachigen Erziehung; mangelnde medizinische Überwachung der Gesundheitsprogramme in indigenen Gebieten und die fehlende Förderung von nachhaltigen, einheimischen Unternehmen. 2011 wurden folgende Probleme festgestellt: Das Fehlen von ausgerüsteten Gesundheitszentren; das Fehlen von Zufahrtsstraßen; das Fehlen von angemessenen landwirtschaftlichen Projekten; die Notwendigkeit von Projekten der Selbstverwaltung und der fehlende Respekt gegenüber der interkulturellen, zweisprachigen Erziehung. Die wichtigsten Schlussfolgerungen aus dem Jahr 2010 waren: Das Fehlen eines strategischen Plans, um die indigenen Völker konsultieren zu können; wenn eine Befragung realisiert wird, dann über das schon entworfene Projekt, Programm oder die Tätigkeit; die Meinung der traditionellen Autoritäten und der Gemeinden werden nicht berücksichtigt; die indigenen Gemeinden werde nicht konsultiert, sondern ihnen wird eine Entscheidung aufoktroyiert. Im Jahr 2011 kam es ebenfalls zu denselben Schlussfolgerungen.

Die Referentin hob demnach hervor, dass die öffentlichen Einrichtungen ihre Ausrichtung zwischen ihren Plänen und dem strategischen Plan der Regierung in Bezug auf das indigene Thema und den MDG verbessern müssen. Genauso müsse eine Verbesserung ihres Planungs- und Überwachungssystems erfolgen, mit eindeutigen Indikatoren, die eine genaue Messung der Auswirkungen erlauben. Das Projekt erleichtere den Institutionen die Kategorisierung von Programmen, Projekten und Vorhaben, und trage zur Verbesserung im internen Informationsmanagement bei. Es fehlen jedoch noch einige Einzelheiten. Zum Beispiel ist die Information nicht nach Völkern aufgegliedert, was zeigt, dass die öffentlichen Einrichtungen keine Projekte oder Programme präsentieren, die einen spezifischen kulturellen Zuschnitt für jedes indigene Volk besitzen. Auch haben sie noch keine klar definierten Kommunikationsmechanismen mit den indigenen Völkern, weshalb diese oft nicht an Planungs –, Formulierungs –und Diskussionsprozessen öffentlicher Maßnahmen teilnehmen können. Dadurch entstehen große Probleme bei der späteren Umsetzung und Kontrolle der Projekte und Programme. Daher ist die Ratifizierung des Abkommen 169 so wichtig, das eines der besten Garantien darstellt, wenn es um die Anerkennung der Rechte indigener Völker, der Organisationsformen, der Selbstverwaltung, der Selbstbestimmung und unter anderem der Spiritualität geht. Ohne Ausnahme sind alle Institutionen dazu verpflichtet, öffentliche Maßnahmen gegenüber den indigenen Völkern einzusetzen und/oder zu verbessern und so die Rechtsstaatlichkeit zu stärken. Diese Verbesserungen sollten konstanter sein, genauso wie ihre Überwachung, um eine effiziente Durchführung zu erreichen. Dabei ist es erforderlich, kurz-, mittel- und langfristige Programme einzuführen, die auf den wesentlichen Befunden basieren, die zusammen unter der aktiven Teilnahme der sieben indigenen Gemeinschaften mit ihren zwölf traditionellen Strukturen gefunden werden. Öffentliche Einrichtungen müssen demnach respektvoll mit ihrem Wissen und ihren sozialen, traditionellen und kulturellen Organisationen umgehen.

Als fünfter Referent sprach Xavier Abreu über das Thema „Wegbereitende öffentliche Maßnahmen für indigene Völker in Mexiko: Eine Regierungsvision.“ Der Artikel 2 der Verfassung der Vereinten Mexikanischen Staaten besagt in Bezug auf die indigenen Völker, dass die Nation eine multikulturelle Zusammensetzung hat, die auf den indigenen Völkern aufbaut und die ihre eigenen sozialen, kulturellen, wirtschaftlichen und politischen Institutionen unterhält und dass eine indigene Gemeinschaft eine soziale, wirtschaftliche und kulturelle Einheit ist, die im Einklang mit ihren eigenen Autoritäten und mit ihren Sitten und Bräuchen ist. Die wichtigsten Ergebnisse der Volkszählung von 2010 zeigten, dass die indigene Bevölkerung 15,7 Millionen übersteigt und dass eine große Anzahl an Personen sich als Indigene identifizieren, wobei sich die größte Anzahl in Oaxaca, Yucatán, Chiapas, Veracruz, Puebla und Mexiko-Stadt befinden, da dort die Gesamtbevölkerung der Indigenen eine Million übersteigt.

Mexiko ist auf dem achten Platz unter den Ländern mit einem hohen Anteil an indigenen Völkern und es ist das Land mit dem größten indigenen Bevölkerungsanteil in Lateinamerika. Jährlich weist der mexikanische Staat sieben Millionen Dollar dem indigenen Thema zu, wobei der Haushalt für die indigenen Völker alle anderen Länder der Region übersteigt. Ein Drittel der Gemeinden im Land sind indigene Gemeinden, wobei die indigenen Regionen ein Fünftel des gesamten Staatsterritoriums umfassen. 70% Nadelwälder und 60% Dschungel befinden sich in den indigenen Regionen und die Biodiversität in ihren Regionen hat die Entwicklung ihrer Kultur und ihrer Geschichte beeinflusst. Ein Großteil der indigenen Bevölkerung lebt in ländlichen Zonen, wo vor allem Einsprachigkeit vorherrscht, die mit Armut einhergeht. 70% der indigenen Bevölkerung lebt in Armut; 40 in extremer Armut. Die Armut in Mexiko wird anhand des Zugangs zum Warenkorb gemessen.

In der Geschichte Mexikos gibt es drei Zeiten: eine Epoche in der die öffentlichen Maßnahmen gegenüber den Indigenen nicht beachtet wurden, eine zweite Epoche in der begonnen wurde die Indigenen in die öffentlichen Maßnahmen einzubeziehen, ohne diese jedoch anzuhören, und eine dritte Epoche in der sie angehört und beachtet wurden, aber nicht auf sie gehört wurde. Heute spricht man in Mexiko von der kulturellen Identität, die als Drehscheibe der sozialen Entwicklung gilt. Identität hat dabei versc hiedene Aspekte: Der erste und wichtigste ist die Weltanschauung eines Volkes, die auf Werten, Wissen, Sitten und Bräuchen basiert. Ein weiterer Aspekt von Identität ist die Sprache. Vor allem in Mexiko ist es wichtig die eigenen Sprachen zu erhalten, da immer weniger Personen die indigenen Sprachen sprechen. Der dritte Aspekt ist die soziale Organisationsform. Jede Gemeinde hat verschiedene Amtsträger, wobei die wichtigsten fast immer der traditionelle Vorsteher und die Gemeindegüter sind. Die Posten sind ein Synkretismus der nativen Religion und der Evangelisation. Ein weiteres Element sind die Bräuche und Sitten, deren Akzeptanz immer verlangt werden sollte, außer wenn die Menschenrechte und vor allem die Frauenrechte nicht eingehalten werden. Auch sind die Ausdrücke Teil der Identität, wie Musik, Kunst, Kleidung, etc. Und all diese genannten Elemente der Identität sollten in die öffentlichen Maßnahmen eingegliedert werden.

Die öffentliche Verwaltung muss sich unter anderem an einer vertretbaren menschlichen Entwicklung, Bildung, Gesundheit, Grundversorgung, Infrastruktur und produktiver Projekte orientieren. In Mexiko wird am wenigsten in die Verbesserung der Wirtschaft in den indigenen Gemeinden investiert. Gleichzeitig sollte die Konsultation als Arbeitsmedium mit den indigenen Völkern verwendet werden. Dies wurde in Mexiko jedoch noch nicht erreicht, außer im Staat San Luis de Potosí, der an einem Gesetz zur Konsultation arbeitet. Auf nationaler Ebene gab es im Juni 2011 eine Reform des Artikels 1 der Verfassung, in dem die Menschenrechte nicht mehr „gewährt“ sondern von Natur aus „anerkannt“ werden. Genauso wurden auf Verfassungsebene alle von Mexiko unterzeichneten internationalen Verträge und Abkommen, wie beispielsweise das Abkommen 169 der IAO oder die Erklärung der Rechte der Indigenen Völker der Vereinten Nationen aufgenommen. Derzeit verpflichtet die Judikative die Exekutive die Konsultation durchzuführen.

Andere wichtige Verfassungsreformen, wurden im Jahr 2001 im Artikel 2 und im Jahr 2011 im Artikel 1 vorgenommen, Artikel die die Rechte der indigenen Völker betreffen. Jedoch fehlt die Anerkennung der Kollektivrechte, sprich, dass die indigenen Völker als Rechtssubjekt gelten. Weiterhin ist es notwendig in den rechtlichen Rahmenbedingungen und im Rechtsbewusstsein zu arbeiten, sowie die indigenen Kulturen anzuerkennen und den interkulturellen Dialog zu fördern. Auch existiert immer noch eine extreme Diskriminierung, wobei das oben genannte von größter Bedeutung ist. Das kulturelle Konzept und die kulturelle Angemessenheit sind wichtig, um die Wege der Entwicklung der indigenen Völker zu definieren. Deswegen sollten die öffentlichen Maßnahmen von den Indigenen selbst kommen. Von Seiten der Regierung ist es notwendig eine territoriale Struktur zu haben, um die Gebiete, die die verschiedenen indigenen Völker bewohnen, umfassen zu können.

Anschließend folgte die Präsentation des ehemaligen Vizepräsidenten von Bolivien, Víctor Hugo Cárdenas, der über „Die öffentlichen Maßnahmen für indigene Völker in Bolivien: Zwischen Hoffnung und Enttäuschung“, sprach. Er begann seinen Vortrag, in dem er fragte, wie es möglich sei, dass die Regierung mit einer anfänglichen Unterstützung von mehr als 50% jetzt nur noch eine feste Wählerbasis von 30% hinter sich vereinigen könne. Auch fragte er auf rethorische Art, wie es möglich sein konnte dass ein indigener Kandidat in der Lage war, die Stimmen von Indigenen und Mestizen hinter sich zu vereinen, und im vergangenen Jahr die Regierung aber Repressalien gegen indigene Aufstände anordnete.

Um diese Fragen zu beantworten erklärte er, dass es von zentraler Wichtigkeit sei zu verstehen, dass die Regierung von Evo Morales definitiv eine Verstärkung der indigenen Repräsentation im Staat auf nationaler, departementaler und lokaler Ebene erreicht hat. Die Stimmen, die die Regierung erhalten hat, waren das Resultat ihres eigenen Verdienstes. Trotz allem hat ein Großteil der Bevölkerung aus „Frustration“ gewählt. Das Land war müde von den alten politischen Oligarchien und war auf der Suche nach einer neuen Alternative. Die Wahlstimme aus wirklicher Überzeugung beträgt jedoch weniger als die Hälfte. Die „frustrierten“ Wähler, die anfänglich für Evo Morales stimmten, sind nun enttäuscht worden, wodurch sich auch die derzeitige Reduzierung der Wählerunterstützung von Evo Morales zeigt. Der treue Kern, der weiterhin die Regierung unterstützt, hat einen Stimmenanteil von 30% und setzt sich größtenteils aus Kokabauern und nicht aus Indigenen, Bauern oder Populisten zusammen, wie viele dachten. Die Kokabauern, die auf der Regierungsseite stehen, stammen meist aus der Region Chapare, die Region in der Evo Morales sein politisches Leben begann. In Bolivien existieren zwei Koka-Anbaugebiete: Chapare und Yungas. Die Kokablätter der Yungas werden für den internen Konsum, für kulturelle und medizinische Zwecke angebaut; die Kokablätter aus dem Chapare werden meist für illegale Zwecke angebaut. Mehr als 90% der produzierten Kokablätter im Chapare, das sich im Departement Cochabamba befindet, ist für den Drogenhandel bestimmt. Darüber hinaus räumt die Regierung ein, dass 63% der Kokablätter der Yungas und des Chapare in informellen Kanälen zirkulieren.

Die Regierungspartei, Bewegung zum Sozialismus (MAS), war nicht Teil der Volksaufstände bis zum Jahre 2003. Die Reden des Präsidenten oder seiner wichtigsten Regierungsvertreter waren nie ethnisch oder indigen. Diejenigen die einen indigenen Diskurs hatten und haben sind der Dachverband der indigenen Völker Boliviens (CIDOB), die Organisation der Tieflandindigenen, und der Nationalrat der Ayllus, Markas und der Qollasuyu (CONAMAQ), die Organisation der Hochlandindigenen. In Bolivien befindet sich ein Großteil der indigenen Bevölkerung im Hochland (wobei Aymaras und Quechuas die größten Gruppen darstellen mit mehr als 2 Millionen Einwohnern). Früher waren fünf Organisationen die Stütze der Regierung, die „Pakt der Einheit“ hießen: die Bartolinas Sisas (indigene Frauen); der Gewerkschaftsbund der Bauern und Arbeiter in Bolivien (CSCUTCB), die Kolonisten/Interkulturelle (Hochlandindigene, die ins Tiefland wanderten), die CIDOB und die CONAMAQ. Heute distanzieren sich die zwei Letztgenannten deutlich von der Regierung.

Bolivien hat etwa zehn Millionen Einwohner, von denen ungefähr sechs Millionen indigen sind. Nach Prozentanteil sind Bolivien und Guatemala die zwei Länder mit dem höchsten indigenen Bevölkerungsanteil. In absoluten Zahlen hat aber Mexiko die meisten Indigenen, mit ca. 15 Millionen indigenen Einwohnern. Boliviens Demokratie ist mittlerweile 30 Jahre alt, aber ein Thema in diesen 30 Jahren war immer die zunehmende Präsenz der Indigenen in öffentlichen Kreisen, auf lokaler, departementaler und auch auf nationaler Ebene. Heutzutage sind im Parlament zwischen 23 und 25% der Parlamentarier indigen (insgesamt sind es ungefähr 160 Parlamentarier), wobei es mehr männliche indigene Parlamentarier gibt als Frauen.

Was war das Bolivien der indigenen Völker vor dem Amtsantritt der MAS? Es gab schon davor fortschrittliche Maßnahmen, Maßnahmen die die aktuelle Regierung aber als ihre eigenen Ideen ausgibt. Beispielsweise erkannte die Verfassung von 1994 ebenfalls die Rechte der indigenen Völker an. Auf wirtschaftlicher Ebene, legte die Regierung zu 75% die öffentlichen Investitionen fest. Das Volksmitwirkungsgesetz, unter der Regierung von Gonzalo Sánchez de Lozada y Víctor Hugo Cárdenas erlassen, reduzierte die oben genannte Prozentzahl auf 20%. Seit diesem Gesetz müssen von 100% der öffentlichen Investitionen 50% von den Gemeinden bestimmt werden, auch von indigenen Gemeinden; früher bestimmte die Zentralregierung ca. 23% der öffentlichen Investitionen und die Departements die restlichen. Genauso wurde in dieser Zeit die interkulturelle, zweisprachige Bildung auf nationaler Ebene ausgeweitet, was schon seit den 80er Jahren angekurbelt wurde. 1996 wurde auch das Gesetz über die Gebietsrechte der Indigenen erlassen. Die sogenannten Tierras Comunitarias de Origen (indigene Territorien) wurden von der aktuellen Regierung durch den Terminus Tierras Indígenas Originarias Campesinas ersetzt. Früher hatten indigene Frauen kein Recht auf Grundstücksbesitzt, dies wurde ebenfalls in dieser Zeit durch ein Gesetz geändert.

Welche öffentlichen Maßnahmen hat die aktuelle Regierung Boliviens implementiert? Um diese Frage zu beantworten ist es zunächst entscheidend das Konzept „öffentlichen Maßnahmen“ zu bestimmen. Laut Theorie sind öffentliche Maßnahmen eine Reihe von Aktionen, die von der Regierung im Rahmen des Verfassungsrecht durchgeführt werden, dem öffentlichen Interesse dienen sollen und im Dialog mit der Gesellschaft realisiert werden sollten. Es ist keine alleinige Maßnahme, sondern ein Prozess. Laut dieser Definition und laut Autor gibt es derzeit keine öffentlichen Maßnahmen in Bolivien. Was in Bolivien existiert sind Regierungsaktionen die sehr punktuell und zufällig sind. Auch hat die Regierung anfängliche Versprechen nicht eingehalten, wie die Vorgabe, dass alle staatlichen Beamten mindestens eine indigene Sprache sprechen müssen. Diese Versprechen können auch nicht erfüllt werden, da die MAS die Wahlen nicht mit einem Regierungsprogramm, sondern mit Wahlslogans, Slogans zur Nationalisierung aller privaten Unternehmen und Slogans zur Industrialisierung der Wirtschaft im Land die Wahlen gewonnen hat. Was unter der MAS erreicht wurde ist die Verabschiedung einer neuen Verfassung mit umfangreichen Rechten für die indigenen Völker; die Schaffung eines Rechtspluralismus, der durch ein Gesetz (Gesetz zur justiziellen Abgrenzung) geregelt ist, aber leider das indigene Recht auf den „Diebstahl von Hühnern“ einschränkt; die direkte Wahl des Justizorgans, dessen Intention es war die Ämter zwar durch das Volk zu bestimmen, aber letztendlich die Wahl politisiert wurde, da die Kandidaten zunächst einer Vorauswahl im Parlament unterzogen wurden, in dem die MAS die absolute Mehrheit hat. Dies führte dazu, dass der Kandidat mit den meisten Stimmen nur 15% erhielt, da zwei Drittel der Wahlbevölkerung unter diesen Umständen nicht wählen wollten. Des Weiteren hat die MAS seit sie die Regierung stellt eine Verstaatlichung der Unternehmen erreicht, was eher ein Misserfolg war, da beispielsweise vor allem Öl- und Gas heute eher importiert als wie früher exportiert wird, was auf die geringe Produktivität zurückzuführen ist. Auch wurde unter der MAS die Gewährung des Bonus „würdige Rente“ für Senioren erreicht, eine Maßnahme, die von anderen Regierungen aber schon implementiert wurde („Bonosol“). Darüber hinaus wurde auch der Bonus „Juancito Pinto“ für Schüler und „Juana Azurduy“ für schwangere Frauen gewährt.

Víctor Hugo Cárdenas stellte fest, dass die Regierung von Evo Morales „entlarvt“ worden sei. Zunächst könne man die „indigene Maske“ durch Ereignisse wie um den TIPNIS (Indigenes Gebiet und Nationalpark Isiboro Sécure) widerlegen. Auch der „Pakt der Einheit“, sprich, die gesellschaftliche Unterstützung der Regierung zerfiel aufgrund des Falles TIPNIS, da CIDOB und CONAMAQ gegen den Bau einer Straße mitten durch den TIPNIS waren. Der Fall TIPNIS entfesselte eine Diskussion in Bolivien über das Konsultationsrecht, einen Vorgang den die Regierung erst durchführte nachdem mehr als 70% der Straße bereits gebaut war und obwohl Bolivien das Abkommen 169 der IAO ratifiziert hatte, das vorschreibt, dass die Konsultation vor der Durchführung eines Projektes stattfinden muss und frei und informativ sein muss.

Im Hinblick auf das „Bild der Armut“, zeigt sich die Widersprüchlichkeit ebenfalls, da Bolivien wirtschaftlich derzeit einen Aufschwung erlebt, aufgrund des hohen Weltmarktpreises für Rohstoffe. Dennoch lebt mehr als die Hälfte der bolivianischen Bevölkerung in Armut. Im Dezember 2010 provozierte der berühmte Gasolinazo, die Abschaffung der Gassubventionen, enorme soziale Proteste, die den Präsidenten dazu zwangen diese Abschaffung wieder aufzuheben. Dieser Vorfall brachte die Regierung beinahe zu Fall.

Mit den Wahlen des Justizorgans zeigte die Regierung, dass auch ihre „institutionelle Maske“ nur Schein ist. Das Argument der rechtlichen Unabhängigkeit wurde durch die geringe Wahlbeteiligung und durch die parlamentarische Vorauswahl der Kandidaten extrem geschwächt.

In Bolivien scheint es keine öffentlichen Maßnahmen zu geben, sondern nur gut und schlecht ausgeführte Aktionen für indigene Völker. Leider wurde der indigene Diskurs politisch instrumentalisiert. Es gibt viele rechtliche Instrumente für die indigenen Völker in Bolivien, jedoch ist die Anwendung dieser Instrumente in der Praxis extrem defizitär, was sich deutlich im Fall TIPNIS zeigte.

Anschließend folgte Eufrosina Cruz, Abgeordnete der PAN, die über „ Ein Weg in Richtung Einheit, Gerechtigkeit, Würde und Respekt für unsere Völker“ sprach. Eufrosina Cruz ist Indigene (Zapoteca). Über Einheit, Gerechtigkeit, Würde und Respekt zu sprechen bedeutet sich auf Demokratie und Entwicklung zu beziehen. Dabei soll die Wahrung der kulturellen Identität ohne Verletzung der Menschenrechte angestrebt werden.

Viele Male werden Menschenrechtsverletzungen unter dem Deckmantel von Bräuchen und Sitten und unter dem Gewohnheitsrecht verübt. In zahlreichen indigenen Gemeinden dürfen Frauen beispielsweise nicht an Gemeindeversammlungen teilnehmen. Die Abgeordnete stammt aus Oaxaca, ein Staat der 570 Gemeinden hat, von denen 418 durch Bräuche und Sitten regiert werden. In ungefähr 95 dieser Gemeinden dürfen Frauen nicht an den Gemeindeversammlungen teilnehmen.

Im Allgemeinen werden die öffentlichen Maßnahmen in Mexiko nicht mit einer indigenen Perspektive entwickelt. Obwohl 15 Millionen Einwohner in Mexiko indigen sind, ist das indigene Thema nicht verbreitet. Aus diesem Grund lebt die indigene Bevölkerung größtenteils noch in Armut, was laut Referentin auch die Ignoranz verstärkt. Sobald diese Ignoranz beseitigt ist, und man die Umgebung ändern möchte, bedeutet dies ein Problem. Dennoch ist es wichtig Räume zum Zuhören zu schaffen, die Verantwortung zu übernehmen und die Konsequenzen zu tragen. Derzeit üben in den 570 Gemeinden in Oaxaca zehn Frauen ein politisches Amt für politische Parteien aus und sechs sogar in Gemeinden die mit Bräuchen und Sitten regiert werden. Dies stellt eine große Chance dar. Die Regierungsprogramme werden ohne Rücksprache mit den Indigenen durchgeführt, doch um berücksichtigt werden zu können müssen sie Teil der Politik sein, damit sie beispielsweise auch die Schaffung eines Konsultationsgesetzes auf nationaler Ebene mitbestimmen können.

Die letzte Präsentation wurde von Xochitl Gálvez, ehemalige Vorsitzende der CDI und indigener Abstammung, gehalten, die über „Die Herausforderungen der öffentlichen Maßnahmen gegenüber den indigenen Völkern in Mexiko“ sprach. Die Referentin nannte die Wichtigkeit die Bildung stärker in de n Mittelpunkt zu rücken, da bei allen Auswertungen über Bildung die Indigenen am schlechtesten abschnitten. Das Problem ist die Ungleichheit, die die öffentlichen Maßnahmen anpacken müssen. Die Problematik der Sitten und Bräuche, die in einigen Fällen Menschenrechte verletzen, können durch Bildung gelöst werden.

Ein weiteres Problem das Gálvez betonte, sei die wirtschaftliche Entwicklung der Gemeinden. Diese könne durch Bildung und Entwicklungsfinanzierung erreicht werden. Laut Referentin gibt es noch einige offene Themen in der Verfassungsreform, zum Beispiel die indigenen Völker als Rechtssubjekte und nicht als Subjekte des öffentlichen Interesses anzuerkennen. Es ist unmöglich, dass die gesamte Biodiversität Mexikos von ausländischen Labors untersucht und patentiert wird, was nur denjenigen wirtschaftlichen Wohlstand bringt. Derzeit gibt es zehn interkulturelle Universitäten, die Unterstützung für diese wissenschaftliche Untersuchung benötigen. Es ist notwendig sich die gesamte Biodiversität und auch das traditionelle Wissen zu Nutze zu machen und mit dem gesamten Erbe, das sie besitzen, zu handeln. Aber in diesen Bereich wird nicht investiert. Zum Beispiel müssen die neuen Bergbaugesetze mehr Umverteilungsmaßnahmen mit den indigenen Gebieten enthalten, denn wenn nicht, wird es im Laufe der Zeit immer schwieriger werden neue Minen auszubeuten. Und was nützen den ausländischen Unternehmen ihre Papiere und Erlaubnisse, wenn sie nicht die Unterstützung aus der Gemeinde haben. Die Referentin nennt dies die „sozialen Auswirkungen“ (impacto social). Es muss demnach eine Zustimmung von Seiten der Gemeinde geben, da ohne diese Zustimmung jegliche Umweltverträglichkeitsstudien und Studien bezüglich der Handelsauswirkungen nutzlos sind. Es ist notwendig aufzuhören über eine Politik der öffentlichen Wohlfahrt nachzudenken, da diese die Würde der Personen, die ihren Lebensunterhalt durch tägliche Arbeit verdienen, nimmt.

Die Referentin nannte als mögliche Lösung das Konzept des „Social Business“. Mit Menschenliebe verderbe man den Handel, aber es könne auch nicht alles nur um den Handel gehen. Dies sei die Alternative zum neoliberalen Modell: nicht alles nehmen und nicht alles geben. Das Konzept „Social Business“ ist ein Mittelweg.

Schlussfolgernd schlug die Referentin also vor, die Bildung und die wirtschaftliche Entwicklung stärker zu fördern. Man kann indigen sein, seine Bräuche erhalten und gut oder besser leben, je nach den persönlichen Fähigkeiten. Die öffentlichen Maßnahmen müssen an der Ausbeutung von wirtschaftlichen Ressourcen, der Biodiversität und dem kulturellen Wissen ausgerichtet werden, aber auf eine angemessene und nachhaltige Weise. Dadurch kann die Kultur und das „gute Leben“ („vivir bien“) erhalten bleiben.

Abschluss

Die Abschlussworte wurden von Stefan Jost, Repräsentant der KAS in Mexiko gehalten. Das Thema stellte eine große Herausforderung im persönlichen, politischen und im institutionellen Bereich dar, vor allem im Sinne der Anerkennung des Anderen und des Unterschiedlichen aber auch durch die Suche und die Definition von Gemeinsamkeiten in diesen unterschiedlichen Bereichen. Es wurde deutlich, dass dies nicht einfach ist. Es wurde viel erreicht, aber es ist immer noch ein weiter Weg zu gehen. In dieser gesellschaftlichen Entwicklung gibt es keine festen Modelle, sondern es ist ein offener Prozess.

Vor Jahren gab es eine Diskussion über den Präsidentialismus und Parlamentarismus, der von Europäern initiiert wurde, ausgehend von der kritischen Analyse des Präsidentialismus in Lateinamerika. Heutzutage ist diese akademische Diskussion losgelöst von allem institutionellem und politischem. Derzeit treten neue Verfahren und Konzepte auf, wobei es notwendig ist, Offenheit gegenüber diesen zu bewahren.

Weitere Veranstaltungen

Um diese Verfahren und Konzepte zu verstehen und mit ihnen zu arbeiten, vor allem auch in Bezug auf die Indigene Thematik, veranstaltete die KAS Mexiko am 25. September einen Workshop, der dazu diente eine eigene Linie im Hinblick auf das Thema der Indigenen in Mexiko aufzustellen. Eine Gruppe Indigener und Nicht-Indigener Experten trugen dazu bei, diese Linie festzulegen. Das Team des PPI teilte seine Expertise mit der Intention weiteren Input zu liefern.

Asset-Herausgeber

comment-portlet

Asset-Herausgeber