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Veranstaltungsberichte

Vertreter von indigenen Organisationen, Staat und Unternehmen zu Besuch in der Bundesrepublik Deutschland

Studien- und Dialogprogramm

Vom 22.06 bis zum 29.06 besuchten sechs Delegationsmitglieder aus Lateinamerika die Bundesrepublik Deutschland. Ziel war es die Problematik des Konsultationsrechts im Zusammenhang mit Umwelt‐ und Klimaschutz in Deutschland bekannt zu machen und für Lateinamerika sind vor allem die deutschen Erfahrungen der Ordnungspolitik im Umweltbereich und der Förderung der Entwicklung umweltfreundlicher Technologien von Interesse. Die Delegation besuchte sowohl Nordrhein-Westfalen, als auch Berlin.

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Das Regionalprogramm „Politische Partizipation Indígena“ (PPI) der Konrad-Adenauer-Stiftung arbeitet in Lateinamerika intensiv zum Thema Konsultationsrecht. Das Konsultationsrecht ist ein Mitspracherecht der Nachfahren von Ureinwohnern in Lateinamerika wenn verwaltungstechnische- oder gesetzliche Maßnahmen die Territorien, die sie bewohnen, betreffen. Ein Beispiel ist der Abbau von Rohstoffen, die sich auf indigenen Territorien befinden. Dieses Mitspracherecht der indigenen Völker ist vor dem folgenden Hintergrund legitim: die Traditionen der indigenen Völker können als Kulturerbe betrachtet werden und die Internationale Arbeitsorganisation (IAO) erforschte in einer Studie zur Ausbeutung von Arbeitskräften, dass die indigenen Völker die am meisten betroffene Bevölkerungsgruppe ist. Um die Rechte der indigenen Völker zu schützen, verabschiedetet die IAO zuletzt das Abkommen 169, dass von 22 Ländern unterschrieben wurde (davon sind 13 aus Lateinamerika), und welches bindend ist. Das Abkommen 169 sieht auch das Konsultationsrecht der indigenen Völker vor und erwähnt außerdem noch weitere Akteure, die in so einem Konsultationsprozess von Bedeutung sind: der Staat und die Unternehmen.

In Lateinamerika sind die Rechte der indigenen Völker, und somit das Konsultationsrecht, was die Anerkennung angeht, am fortgeschrittensten, allerdings ist die Umsetzung umstritten und die Interessen der verschiedenen Akteure sind oft nicht miteinander vereinbar. Das PPI versucht deshalb einen Dialog zwischen den verschiedenen Akteuren zu fördern, um so zukünftigen Konflikten vorzubeugen. Indigene Völker zeichnen sich durch eine enge Bindung an ihre Territorien, den Glauben an eine beseelte Natur und den schonenden Umgang mit knappen Ressourcen aus. Die Staaten befinden sich in der Pflicht, Konsultationsprozesse durchzuführen und den ordnungspolitischen Rahmen in Bezug auf Umweltstandards und faire Entschädigungszahlungen zu setzen. Indigene Völker können einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz leisten und Unternehmen müssen sich der Herausforderung stellen, umweltfreundliche Technologien zu entwickeln und ihre soziale Verantwortung gegenüber den indigenen Völkern wahrzunehmen. Die Zukunft kann nur friedlich und nachhaltig gestaltet werden, wenn ein konstanter Dialog etabliert wird und die verschiedenen Akteure Methoden der Konfliktlösung zur Anwendung bringen.

Obwohl Deutschland das Abkommen 169 der IAO nicht unterzeichnet hat, ist auch in Deutschland das Konsultationsrecht ein Thema, wenn auch unter einem verschiedenen Blickwinkel. Es ist auf Bundesebenen im Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) geregelt und auch auf Länderebene gibt es entsprechende Gesetze oder Verweise auf das VwVfG. Betroffene Bevölkerungsteile von gewissen Verfahren, auch Minderheiten, werden in den entsprechenden Verträglichkeitsprüfungen, Anhörungen und Planfeststellungsverfahren befragt. Es ist zu beachten, dass die Rohstoffe Eigentum des Staates sind und öffentliches Interesse ein Grund ist, von einer Konsultation abzusehen. Allerdings sind Entschädigungen in Geld vorgesehen.

In Lateinamerika konzentrieren sich die Staaten hauptsächlich auf den Abbau von Rohstoffen um Energie zu erzeugen und den wirtschaftlichen Wachstum zu fördern. Bekanntlich sind diese Rohstoffe schädlich für die Umwelt. Deutschland ist Pionier in der Erzeugung erneuerbarer Energien, die nicht nur umweltfreundlicher sind, sondern auch der Abhängigkeit von Importen der fossilen Energien entgegenwirken kann. Die Erzeugung von erneuerbarer Energien könnte im Falle von Lateinamerika eine Lösung sein, Konflikte mit der indigenen Bevölkerung zu vermeiden, da Rohstoffe nicht mehr von deren Territorien ausgebeutet werden würde.

Genau so einen Erfahrungsaustausch hatte das Studien- und Dialogprogramm, welches von der Konrad-Adenauer-Stiftung in Berlin vom 22. bis zum 29. Juni organisiert wurde, und in mehreren Städten Nordrhein-Westfalens und Berlin stattfand, zum Ziel. Die Problematik des Konsultationsrechts im Zusammenhang mit Umwelt‐ und Klimaschutz wurde in Deutschland bekannt gemacht. Für Lateinamerika sind vor allem die deutschen Erfahrungen der Ordnungspolitik im Umweltbereich und der Förderung der Entwicklung umweltfreundlicher Technologien von Interesse.

Als Teilnehmer wurden zwei staatliche, zwei indigenen und zwei Vertreter von Unternehmen eingeladen. Unter den staatlichen Teilnehmern befanden sich die Abgeordnete Maria Soledad Pérez aus Perú, die ein Gesetzesentwurf über Konsultationsrecht dem Parlamente vorgestellt hatte, und der Bürgermeister von Nueva Imperial aus Chile, wessen Kommune hauptsächlich indigene Bevölkerungsgruppen ausmacht. Griselda Galicia aus Mexiko und Fernando Vargas aus Bolivien vertraten die indigene Sichtweise. Der peruanische Unternehmer Guillermo Vidalon und die Zuständige für Rechts- und Regulierungsangelegenheiten des Referats für Bergbau, Ölförderung und Energie des Nationalen Unternehmerverbandes aus Kolumbien, Claudia Niño, wurden eingeladen, um die Perspektive der Unternehmen zu vertreten.

Das Programm war vielschichtig und enthielt mehrere Gesprächspartner. Das erste Gespräch fand mit dem Leiter des Referats „Nachhaltigkeitsstrategien“ des Ministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen statt. Er gab hauptsächlich eine Einsicht in die rechtliche Lage und die festgelegten Prozesse der Anhörung und Planungsfeststellungsverfahren. Auf staatlicher Ebene, wurde auch ein Treffen mit Herrn Dr. Gerd Hachen, MdL, im Landtag von Nordrhein-Westfalen organisiert, der hauptsächlich die Kompetenzen zwischen Bund, Ländern und der EU bezüglich Bürgerinitiativen erläuterte und auch die Wichtigkeit erneuerbarer Energien für die Bundesrepublik Deutschland hervorhob. Auf Bundesebene, hatten die Abgeordneten Dr. Peter Weiß und Dr. Georg Kippels vom Arbeitskreis Lateinamerika hauptsächlich Interesse die Erfahrungen und Sichtweisen der Teilnehmer zu hören, ebenso wie Frau Sybille Pfeiffer, MdB und Vorsitzende der Arbeitsgruppe Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung der CDU/CSU Bundestagsfraktion. Anschließend berichtete MdB Gero Storjohann über das Petitionsverfahren im Deutschen Bundestag als eine Alternative sich als Bürger oder Unternehmen Gehör zu verschaffen.

Weitere Gesprächspartner waren die Stadtwerke Essen AG, STEAG GmbH, RWE Power AG und SL Natur Energie. Die verschiedenen Unternehmen gaben Einsicht in diverse Formen von Energieerzeugung und Vermarktung. Die Stadtwerke Essen sind ein kommunal orientiertes Versorgungsunternehmen für die Stadt Essen in den Bereichen Wasser, Gas, Abwasser und Hafenbetrieb. Über 51% des Unternehmens gehört der Kommune. Laut Unternehmen seien die Bürger ihm nah, da das Produkt der Stadt selber zu Gute käme. STEAG GmbH ist der fünftgrößte deutsche Stromerzeuger und exportiert Strom. Neben Steinkohle- und Raffineriekraftwerken, stellt das Unternehmen Industriekraftwerke und Anlagen zur dezentralen Energieversorgung her und ist in der Energiedienstleistung tätig mit Fernwärme, erneuerbarer Energie und Handel mit Kohle und CO2-Zertifikaten. Das interessante an dem Unternehmen ist das seine internationalen Lieferanten verpflichtet werden bestimmte Standards einzuhalten, wie zum Beispiel im Bereich der Umweltstudien oder des Konsultationsrechts. Regeln im Sinne der UN-Menschenrechtserklärung, des Abkommen 169 der IAO und des UN-Global Compact müssen befolgt werden. Allerdings sei der Global Compact sehr oberflächlich und Sanktionen werden nicht eingehalten. Das Unternehmen nahm auch Stellungnahme zur Beibehaltung von konventioneller Energie. Erneuerbare Energie sei von großer Wichtigkeit, allerdings sei die Speicherung von erneuerbarer Energie noch sehr kostspielig. Es sei notwendig in Forschung und Speichertechnologien zu investieren; bis dahin müsse diese Lücke von konventioneller Energie gefüllt werden. In einem Gespräch mit Herrn Christian Hübner, Koordinator Klima-, Umwelt- und Energiepolitik der Hauptabteilung Europäische und Internationale Zusammenarbeit der Konrad-Adenauer-Stiftung, wurde allerdings klar, dass diese konventionelle Energie vom Staat subventioniert wird, was langfristig gesehen nicht unbedingt dazu führt, dass diese abgebaut wird. Um einen Einblick in die Erzeugung erneuerbarer Energien zu bekommen, erlaubte SL Natur Energie den Teilnehmern Wind- und Biomasseanlagen zu besuchen. Um einen Einblick in die Erzeugung konventioneller Energie zu bekommen, wurde der Braunkohletagebau Garzweiler besichtigt, Eigentum der RWE Power AG, der zweitgrößte Energieversorger Deutschlands.

Garzweiler, u.a., rief Proteste mehrere Bürger hervor, die umgesiedelt werden mussten, da das Unternehmen eine Ausweitung verfolgte und weiterhin verfolgt. Eine der heutzutage betroffenen Gemeinden ist Erkelenz. Die Teilnehmer führten ein Gespräch mit den Sprechern der Bürgerinitiative „STOP Rheinbraun e.V.“ über die Problematik und die Argumente gegen das Braunkohlewerk. Die Sprecher erwähnten in einer Anhörung teilgenommen und alle möglichen Instanzen um eine Ausweitung des Tagebaus zu stoppen durchlaufen zu haben, aber die Umsiedlung sei nicht aufzuhalten. Der Prozess sei zwar schmerzhaft, aber die Entscheidung der entsprechenden Institutionen sei zu respektieren. Entsprechende aber ungenügende Entschädigungen seien vorgesehen, so die Sprecher. Solche Fäll werden von den Medien an die Öffentlichkeit gebracht, wie zum Beispiel vom Westdeutschen Rundfunk. Dort führten die Teilnehmer Gespräche mit den Vertretern der Umweltberichterstattung in Radio, Fernsehen und Internet. Die Berichterstattung verliefe ohne Bedrohungen, auch wenn diese oft kritisch gegenüber Unternehmen oder dem Staat sei. Dies sei nicht der Fall in Lateinamerika, so die Teilnehmer. Da die öffentlichen Medien in Deutschland sich von Beiträgen der Bürger finanzieren und nicht Eigentum des Staats oder Privatpersonen sind, sei die Information in den Medien relativ unabhängig von politischen Einflüssen im Gegensatz zu Lateinamerika.

Wie erfolgreich die Einschließung von Bürgern in gewinnbringende Initiativen sein kann, zeigt das Beispiel der Landesgartenschau Zülpich 2014, wo die Kommune und später das Land Nordrhein-Westfalen, eng mit den Bürgern zusammenarbeiteten. Die Teilnehmer bekamen eine Führung durch die Landesgartenschau und wurden mit den Hintergründen vertraut gemacht. Die Gewinne gehen zum Teil in die Verbesserung der Infrastruktur der Kommune.

Abschließend nahmen die Teilnehmer an der Tagung der Arbeitsgemeinschaft Deutsche Lateinamerikaforschung (ADLAF) 2014 statt, die dieses Jahr zusammen mit der KAS organisiert wurde. Das Thema war „Globalisierte Naturen – Lateinamerikanische Perspektiven“, was natürlich auch Aspekte wie Konsultationsrecht, erneuerbare Energien, Bürgerinitiativen, u.a., behandelte.

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