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Volkszählung 2011/12 in Lateinamerika: Sicht- oder Unsichtbarkeit der indigenen Bevölkerung?

Internationales Forum

Am 12. Juni 2012 fand ein internationales Forum "Volkszählung 2011/12 in Lateinamerika: Sicht- oder Unsichtbarkeit der indigenen Bevölkerung?“ in Santiago de Chile statt. Die Veranstaltung wurde vom Regionalprogramm „Indigene Politische Partizipation“ der KAS, der Universität Miguel de Cervantes und vom Städtischen Forschungsinstituts für ein nachhaltiges Lateinamerika in Chile organisiert. Im Forum gab es zwei Podiumsgespräche: im ersten wurde der Fragestellung im Allgemeinen nachgegangen und im zweiten ging es um die Perspektive der statistischen Ämter der jeweiligen Länder.

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Susanne Käss, die Repräsentantin des PPI, und Jorge Maldonado, Vizekanzler der Autonomen Universität Miguel de Cervantes, eröffneten die Veranstaltung. Susanne Käss begann ihren Vortrag mit der Gründung des PPI im Jahr 2006. Sie betonte, dass dem Hauptziel der KAS-Arbeit, die Vertiefung demokratischer Strukturen und die Stärkung der Rechtsstaatlichkeit zu unterstützen, dabei Rechnung getragen werde. Dieses Ziel könne in Gesellschaften, in denen große Teile der Bevölkerung, wie die indigene, von den Prozessen der politischen Partizipation ausgeschlossen sind, nicht erreicht werden. Damit eine Demokratie mittel- und langfristig stabil sein kann, sei es wichtig, Strukturen zu schaffen, die allen Gruppen der Gesellschaft eine Teilnahme ermöglichten. Aufgrund dessen verfolge das PPI zwei Hauptziele: 1) Die Sensibilisierung nicht-indigener Akteure, wie Geschäftsleute, Parteien und staatliche Akteure, damit sie die Probleme der Indigenen in ihrer Agenda berücksichtigen, die oft nur durch einen interkulturellen Dialog gelöst werden können. 2) Die Förderung eines Austauschs zu Themen, die für die indigenen Völker von großer Bedeutung sind. Vor diesem Hintergrund wurde das Thema der Volkszählungen ausgewählt. In Lateinamerika gibt es keine abgestimmte Methodik für die Sichtbarmachung indigener Völker. Dies erschwert die Formulierung geeigneter Politikprogramme für diesen Bevölkerungssektor und die Erstellung von vergleichenden Studien auf regionaler Ebene. Es ist auch wichtig, wie die ethnische Frage gestellt wird, da dies eine Polemik entfachen kann. So geschehen in Bolivien in der Volkszählung von 2001, als die Selbstidentifikation „Mestize“ nicht berücksichtigt wurde, in der Annahme die indigene Selbstidentifikation würde eine erhebliche Zunahme erfahren. In dieser Veranstaltung werden die Erfahrungen anderer Länder verdeutlicht: in Chile wurde die Volkszählung gerade abgeschlossen, in Bolivien und Honduras wird sie in den kommenden Monaten stattfinden und in Kolumbien und Mexiko wurde eine neue Volkszählung vor kurzem durchgeführt.

Jorge Maldonado betonte, dass die Autonome Universität Miguel de Cervantes mit einem indigenen Ansatz neue Erfahrungen mache und bedankte sich für die Einladung der KAS und der CICLAS zur Teilnahme an dieser Veranstaltung. Die Welt steht vor einem großen Paradigmenwechsel, so ergibt sich die Notwendigkeit, globale, ethische Codes, die ein Leben in der Gesellschaft ermöglichen, zu definieren. Diese ethischen Codes, die sich von den Menschenrechten ableiten, dienen wieder als Hauptbezugspunkt für die Wertschätzung des indigenen Kapitels. Für eine lange Zeit wurden die indigene Identität und Herkunft abgelehnt, so ist es jetzt Zeit für kulturelle Begegnungen, in denen gelernt wird diese Kulturen zu respektieren und ein zivilisiertes Zusammenleben zu fördern. Nach einer langen Zeit der Gleichgültigkeit indigenen Völkern gegenüber, wandte sich die Politik in Chile im Jahr 1993 den indigenen Völkern zu. Der Präsident Patricio Aylwin verabschiedete das indigene Gesetz und gab eine völlige Unkenntnis hinsichtlich indigenen Fragen zu. Während seiner Studienzeit an der Uni sei ihm gesagt worden, dass die indigenen Probleme gelöst wären und die indigene Bevölkerung in Chile voll integriert sei. Die Unvollkommenheiten des indigenen Gesetzes und die Konvention 169 (Konvention über eingeborene und in Stämmen lebende Völker in unabhängigen Ländern) der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO), die die Rechte indigener Völker verabschiedete, führten zu einem interkulturellen Dialog. Erst jetzt werden diese indigenen Rechte in nationales Recht integriert. Die Autonome Universität Miguel de Cervantes zeigt sich bereit am Aufbau eines multikulturellen Landes mitzuarbeiten.

Huaracán Miguel, Berater für indigene Angelegenheiten, moderierte das erste Podium. Die erste Vortragende war Fabiana del Popolo von der Wirtschaftskommission für Lateinamerika und die Karibik (Comisión Económica para América Latina y el Caribe - CEPAL), die über "Indigene Völker in den Volks- und Wohnungszählungen der 2010er Dekade: Fortschritte und Herausforderungen in Lateinamerika“ sprach. In Anbetracht aller gesellschaftspolitischen Änderungen weltweit, vor allem in Lateinamerika, sowie einer starken Präsenz der indigenen Bewegungen, die es geschafft haben, ihre Forderungen auf die öffentliche Agenda zu positionieren, gibt es eine Verpflichtung seitens des Staates, diese Identifikation in den Informationssystemen auf nationaler Ebene einzubeziehen. Es gibt rechtliche Mindeststandards für die indigenen Völker, die in der ILO-Konvention 169 und in der Erklärung der Rechte der indigenen Völker der Vereinten Nationen synthetisiert sind. Werden die Daten als Teil dieser rechtlichen Mindeststandards berücksichtigt, können sie als ein wichtiges Instrument zur Anerkennung der indigenen Völker der Region und zur Förderung der Menschenrechte dienen. Während die Daten für die Planung, Umsetzung und Kontrolle der öffentlichen Politiken wichtig sind, bleibt es zu prüfen, ob die Implementierung dieser Rechte tatsächlich abgeschlossen wurde. Die Identifizierung der indigenen Völker in allen Datenquellen stellt ein wiederkehrendes Thema in verschiedenen Foren auf nationaler und internationaler Ebene dar. Es gibt eine Anzahl von Empfehlungen seitens des Ständigen Forums für indigene Angelegenheiten der Vereinten Nationen (Foro Permanente para las Cuestiones Indígenas de la ONU), die auf eine Entbündelung und eine Sichtbarmachung der indigenen Völker in den Informationssystemen drängen. Dieses Thema wurde auch in das Aktionsprogramm in Durban und systematisch in den Berichten von Menschenrechtsausschüssen und der Berichterstatter der verschiedenen lateinamerikanischen Länder, allen voran vom Sonderberichterstatter für indigene Völker der Vereinten Nationen, aufgenommen. Die Einbeziehung der indigenen Daten ist eine notwendige Praxis, aber sie ist nicht ausreichend, da die statistischen Werkzeuge aus dem Blickwinkel einer westlichen Logik und Ideologie konzipiert wurden, die nicht einfach mit denen der indigenen Völker übereinstimmt. Es ist jedoch ein erster Schritt, um eine Identifikation in den existierenden Quellen zu haben. In der Erklärung der Rechte der indigenen Völker der Vereinten Nationen (Artikel 15 und 16) wird ausdrücklich das Recht auf Informationen erwähnt. Eine solche Informationsquelle stellt die Volkszählung dar, die sowohl Politiken als auch Programmen einen grundlegenden Input bietet. Sie ist das einzige Instrument, das eine umfassende Reichweite erreicht und es erlaubt wesentliche Fragen, wie die Anzahl der indigenen Bevölkerung und wer die indigenen Völker unserer Länder sind, zu beantworten. Darüber hinaus ist der Zensus die einzige Quelle, die die drei Komponenten demographischer Bevölkerungsdynamik wie Fertilität, Sterberate und Migration aufzeigt. Die Volkszählung kann Informationen über die sozio-kulturellen Reproduktion, die besonders im Fall der Indigenen wichtig ist, liefern. Darüber hinaus kann sie als universelle Quelle kleinere Populationen erfassen. In Lateinamerika gibt es mehr als 670 von den Staaten anerkannte indigene Völker, dabei ist der Zensus das einzige statistische Instrument, das eine Erfassung von kleineren Populationen ermöglicht und es erlaubt, repräsentative Proben für Untersuchungen oder tiefergehende Studien zu erstellen.

In der 2000er-Dekade haben 16 Länder Fragen zur Identifizierung der indigenen Völker in ihre Volkszählungen einbezogen. Nur in neun Ländern wurden die indigenen Völker in ihren Territorien und nicht im Rest des Landes identifiziert, obwohl die Erfassung solcher Daten gerade im Hinblick auf das Thema Migration bedeutsam ist. Die Einbeziehung der Fragen zur Identifizierung von Indigenen war völlig neu in Lateinamerika, denn in der Vergangenheit haben nur sehr wenige Länder, wie Mexiko, diese Fragen in ihre Volkszählungen integriert. Dies erlaubte einen Methodenvergleich, der sich zusammengefasst wie folgt darstellt: Es konnte eine Vielzahl von Kriterien (Selbst-Identifikation gegenüber Sprache) und ein konzeptioneller sowie operativer Ansatz bei der Formulierung der Fragen beobachtete werden. Es ist nicht das Gleiche zu fragen: „gehören Sie zu", „verteidigen sie" oder „fühlen Sie sich identifiziert mit“. In jedem Land beeinflusst die Formulierung der ethnischen Frage die Ergebnisse, die bei der Erfassung der indigenen Bevölkerung, zustande kommen. Trotz der Heterogenität, die in Lateinamerika zu diesem Thema zu beobachten ist, gibt es einen Indikator, der die Menschenrechte verletzt und der allen 16 Ländern gemein ist: der Indikator der indigenen Kindersterblichkeit liegt über den der nicht-indigenen. Dies zeigt eine ungerechte Situation, in der sich die indigene Bevölkerung bis heute befindet.

Es gab auf nationaler und regionaler Ebene verschiedene Debatten über die Formulierung der ethnischen Frage. Dabei konnten sich einige internationale Empfehlungen der CELADE (Centro Latinoamericano y Caribeño de Demografía), die den Direktoren der statistischen Ämter vorgestellt wurden, durchsetzen. Hinsichtlich der Identifikationskriterien sollte die Selbstidentifikation als primäres Kriterium angewandt werden. Auch sollten andere Daten wie Sprache, Territorium und Vorfahren beachtet werden. Des Weiteren ist auch die Vorbereitung der Kartografie wichtig, da sich die indigenen Territorien nicht immer den politisch-administrativen Einheiten zuordnen lassen. Eine weitere Empfehlung ist die kulturelle Anpassung des Fragebogens und die Gestaltung von ergänzenden Instrumenten. Im Volkszählungsprozess muss eine wirksame Beteiligung der indigenen Völker, von der Budgetierung bis hin zur Verbreitung und Auswertung der Volkszählung, deutlich werden. Dafür ist es notwendig, vor Beginn der Volkszählung, Kampagnen und Schulungen, zur Verbesserung einer Selbstidentifikation, zu realisieren. Auch ist die Institutionalisierung der Themen von größter Bedeutung. Im Allgemeinen gibt es kein Rezept, wie die Fragen formuliert sein sollten, weil die Länder sich im Bezug auf die Stärke der indigenen Bewegungen sowie legislativen und rechtlichen Rahmenbedingungen, in unterschiedlichen Fortschrittsstadien befinden. Es kann jedoch gesagt werden, dass die Formulierung der ethnischen Frage so direkt wie möglich zu sein hat und dabei alle Völker berücksichtigt werden sollen. Die Fragen müssen gemeinsam mit den Völkern formuliert werden. Dank dieses Ansatzes in den 2000er Jahren und trotz der Einschränkungen, die die Ergebnisse in dieser Runde hatten, war es möglich, zum ersten Mal aufgeschlüsselte Informationen zu erhalten.

Laut internationalen Empfehlungen, sollten die Volkszählungen alle zehn Jahre, zu Beginn einer Dekade, durchgeführt werden. Fünf Länder (Mexiko, Panama, Brasilien, Argentinien und Ecuador) haben ihre Volkszählung unter Berücksichtigung der ethnischen Frage im Jahr 2010 durchgeführt und drei weitere realisierten diese im Jahr 2011 (Costa Rica, Venezuela und Uruguay). Kolumbien und Nicaragua führten ihre Volkszählungen im Jahr 2005, El Salvador und Peru im Jahr 2007, durch. Alle Länder haben systematisch die Fragen überprüft und nahmen die Volkszählung unter Beteiligung der indigenen Völker vor. Alle statistischen Ämter bewiesen eine gewisse Offenheit. In Paraguay und Brasilien wurden pilotweise gemeinsame Testläufe der Volkszählung durchgeführt, da sich ihre politischen Gebiete überkreuzen. So gab es Fortschritte bei der kartographischen Darstellung. Auch wurden Fortschritte in der Institutionalisierung sichtbar, so wie in Ecuador, wo die nationale statistische Kommission für Indigene Völker und Afroecuadorianer gegründet wurde. Hinsichtlich der kulturellen Anpassung und ergänzender Instrumenten, haben viele Länder weitere Schritte, insbesondere in Bezug auf ergänzende Befragungen der indigenen Völker, gemacht. Im Allgemeinen kann gesagt werden, dass eine Verbesserung der Beteiligungsmechanismen und Kampagnen erzielt wurde, obwohl die Fortschritte unterschiedlich sind. Einige Anhebungen in den Statistiken der indigenen Bevölkerung haben natürliche Erklärungen, andere nicht. So wurde in Mexiko bei der indigenen Bevölkerung eine Erhöhung von sechs Millionen auf 15 Millionen festgestellt. Im Bezug auf das Datenmaterial gibt es nach wie vor Herausforderungen zu überwinden, daher es ist notwendig neue alternative oder komplementäre Indikatoren zu definieren, insbesondere wenn sich die konventionellen als ungeeignet zeigen.

Nachfolgend sprach Álvaro Mauricio Torres, Direktor für öffentliche Politik und innere Entwicklung der ethnischen Gemeinden in Kolumbien (Ecodesarollo), über die „Bedeutung der statistischen Informationen in der Entwicklung der ethnischen Gemeinschaften“. Die Nationale Verfassung Kolumbiens betrachtet als kulturell eigenständige Gruppen oder ethnische Gruppen: die Indigenen, die schwarze Bevölkerung (Afrokolumbianer oder afrikanische Nachfahren), native Inselbewohner der Inselgruppen von San Andres und Providencia, die Palenqueros und die Roma (Zigeuner). Statistische Daten sind für die Entwicklung der ethnischen Gemeinschaften wichtig, insbesondere wenn sie mit klaren Entwicklungsstrukturen und einer guten Vorstellung eines Gemeinschaftsaufbaus geplant sind. Mit Hilfe dieser Daten können Leitlinien gebildet, Charakterisierungskriterien und Diagnosen erstellt, sowie eine effektive Annäherung an die Gemeinschaften erzielt werden, was die Entwicklung von Initiativen, die strukturelle Probleme lösen, erleichtert. Daten stellen einen immateriellen Vermögenswert dar, die durch Konsolidierung, Analyse und Verbreitung eine Entscheidungsfindung ermöglichen, die mittel- und langfristig greifbare Ergebnisse hervorbringt, wie Verbesserungen in wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Aspekte der Gemeinschaften. Mit qualitativ zuverlässigen Daten können strategische Entscheidungen getroffen, Entwicklungspläne sowie Lebenspläne aufgestellt werden, gibt es Verbesserungen in der Infrastruktur, können Aktionslinien definiert, klare Entwicklungsziele und strategische Investitionen vorgenommen werden, was zur Verbesserung der Lebensqualität der ethnischen Gemeinschaften beiträgt. Vertrauenswürdige statistische Daten, die zeitnah erhoben wurden, ermöglichen ein Monitoring und eine Evaluierung der öffentlichen Politik; ohne sie wäre diese wichtige Aufgabe sehr komplex und kostspielig.

In diesem Sinne wurde die ethnische Frage in Kolumbien wie folgt formuliert: „Sind Sie oder betrachten Sie sich als indigene Person, entsprechend nach Ihrer Kultur, Ihres Volkes oder Ihrer körperlichen Merkmale?“ Anschließend wird eine Frage nach der indigenen Zugehörigkeit anhand folgender Optionen gestellt: Roma, native Inselbewohner der Inselgruppen von San Andres und Providencia, Palanqueros aus San Basilio, Schwarze/Mulatten/Afrokolumbianer oder afrikanische Nachfahren, keine der oben genannten. Diese Frage gründet auf einer Selbsterkennung. Die Ziele dieser Frage waren folgende: Infor mationen über die sozio-ökonomischen und demographischen Merkmale der kolumbianischen ethnischen Gruppen bereitzustellen; die sozialen und kulturellen Eigenheiten einer multiethnischen Bevölkerung im Land zu verstehen; einen generellen Forschungsrahmen über die Bevölkerung, die einer ethnischen Gruppe angehören, zu bilden und die Unterschiede der ethnischen Gruppen in der Bevölkerung sichtbar zu machen, so dass eine soziale Anerkennung ihrer kulturellen Besonderheiten und die Konstruktion ihrer ethnischen Identität begünstigt werden. Die grundlegenden Kriterien für die Fragestellung waren: Territorialität, die ethnische Zugehörigkeit, Identität und Sprache. In Bezug auf das territoriale Kriterium gelten zu einer ethnischen Gruppe zugehörend, Menschen, die in einem Gebieten mit anerkannten Grenzen angesiedelt sind. Im afrokolumbianischen Fall werden die Gemeinderäte der dunkelhäutigen Gemeinschaften, die in der pazifischen Region angesiedelt sind, befragt. Beim Kriterium der ethnischen Zugehörigkeit, werden die Hautfarbe und andere phänotypischen Merkmale als Indikatoren der Volkszugehörigkeit herangezogen. Das Kriterium der Identität beruht auf der Selbstidentifikation oder Selbsterkenntnis, bezogen auf ein Zugehörigkeitsgefühl eines Individuums zu einer deutlich erkennbaren sozialen Gruppe. Das sprachliche Kriterium klassifiziert eine ethnischen Gruppe durch die Tatsache, dass sie die Sprache ihrer Ahnen sprechen. Im Fall der afrokolumbianischen Bevölkerung Palenques aus San Basilio (Departement Bolívar) und der nativen Inselbewohner der Inselgruppen von San Andres und Providencia, sind eigene Sprachen entstanden, die heute häufig angewandt werden.

Das kolumbianische Amt für Statistik (Departamento Administrativo Estadístico de Colombia - DANE) ist mit diversen Organisationen Allianzen eingegangen, um die Zugehörigkeit zu einer Ethnizität zu klären. Das DANE nahm an Foren für den Dialog und den Erfahrungsaustausch zur Erfassung von ethnischen Bevölkerungsgruppen in den nationalen Statistiken teil. Unter den Teilnehmern befanden sich Vertreter von ethnischen Gruppen, Wissenschaftlern und Experten aus diesem Bereich, sowie Beamten aus anderen statistischen Instituten Lateinamerikas. Die regionalen Regierungen knüpften Kontakte mit den indigenen und afrokolumbianischen Autoritäten eines jeden Departements und bildeten indigene und afrokolumbianische Räte (Juntas Indígenas Territoriales (JIT) / Juntas Afrocolombianas Territoriales JAT). Die regionalen Regierungen bewirkten Sensibilisierungsprozesse unter den traditionellen ethnischen Autoritäten der Region, regionale Organisationen, sowie unter den Mitgliedern der indigenen und afrokolumbianischen Räte. Jeder Koordinator aus dem Munizip stellte Kontakte mit den indigenen Autoritäten und den Kommunalräten der schwarzen Gemeinden in jedem Munizip her und wurde gemeinsam mit Repräsentanten und Räten indigener Gebiete zur Teilnahme am Planungsprozess eingeladen.

Kolumbien hat eine Gesamtbevölkerung von 41 Millionen Menschen, von denen sich 3,36% als indigene, 0,01% als Roma, 10,4% als afrokolumbianisch bezeichnen und 84,16% sich nicht mit einer ethnischen Zugehörigkeit identifizieren lassen. Indigene Bevölkerung ist überwiegend nördlich, südlich und südöstlich des Landes angesiedelt; die Afrokolumbianer im Norden und Westen von Kolumbien; die Roma, auf kommunaler Ebene, im Norden wie Bogotá und Valle del Cauca. Die Beteiligung dieser Volksgruppen in der Volkszählung entspricht den ihnen zugewiesenen Gebieten. Gegenwärtig existieren 710 indigene, titulierte Territorien in den 27 Departements und den 228 Munizipien des Landes, die eine Fläche von etwa 34 Millionen Hektar umfassen. Im Gesetz 70 aus dem Jahr 1993 werden den Afrokolumbianern ihre Rechte auf Eigentum, der Markierung der Grenzen und Zertifizierung der Eigentumsrechte als Völkerrecht anerkannt. Als Schlussfolge müssen Entscheidungen, die die natürlichen Ressourcen im Territorium, auf politischer Ebene mit dem Volk verhandelt werden. Auf diese Weise wurden große Landflächen mit Eigentumsrechten versehen, insbesondere an der pazifischen Küste Kolumbiens. Zwischen 1996 und 2004 wurden den schwarzen Gemeinschaften (TCCN) 4.717.269 Hektar mit Eigentumsrechten zertifiziert.

Die Daten aus der Volkszählung hinsichtlich des Territoriums haben bei der Ausarbeitung des Entwicklungsplans 2010-2014 den Gemeinschaften der Schwarzen, Afrokolumbianer, nativen Inselbewohner und Palenqueras gedient. Zudem wurde ein Arbeitspapier der Wirtschafts- und Sozialpolitik, bekannt als CONPES, in Kolumbien erstellt. Die Aktivitäten der verschiedenen Organisationen, die zur Ausarbeitung öffentlicher Politikprogramme für die diversen ethnischen Gruppen des Landes in den Regionen dienen, sollen damit koordiniert werden. Insgesamt hat die Volkszählung zur Präzisierung und Vorbereitung der Entwicklungspläne für bestimmte Territorien, in denen sich ethnische Gemeinschaften befinden, gedient. Außerdem können somit gezielt mehr Ressourcen zur Verbesserung der Lebensbedingungen den ethnischen Gemeinschaften zugeteilt werden. Zuletzt wurden auch gemeinsame Strategien zur Armutsreduzierung in den betroffenen Gebieten entwickelt.

Nach dieser Präsentation war Frau Malvina Ponce de León als Sprecherin an der Reihe. Sie ist Professorin an der Universität Miguel de Cervantes, Direktorin der Fakultät für Sozialarbeit und Vizepräsidentin im Nationalrat der Arbeitsgemeinschaft Sozialarbeiter in Chile. Sie ging auf das Thema der „Sichtbarmachung der indigenen Völker aus der Perspektive der Multikulturalität“ ein. Die Volkszählungen liefern viel Datenmaterial, dieses wird jedoch kaum an den Universitäten ausgewertet. Wenige beschäftigen sich mit der Diversität, die im Zensus erfasst wird. Die Rückschritte und Mängel, die zu Fragen indigener Themen bestehen, werden eher auf der internationalen Bühne behandelt und hier insbesondere auf dem Gebiet des Rechtspluralismus. Die Fortschritte in Chile werden in einigen Bereichen wenig umgesetzt, wie zum Beispiel in der zweisprachigen interkulturellen Bildung. Hingegen ist in anderen Bereichen ein Fortschritt eher offensichtlich wie im Gesundheitssektor, dem Indigenen Recht, die Anerkennung der indigenen Territorien, die Ratifizierung der ILO-Konvention 169, dem Land-Gipfel im Jahr 1992, die Erklärung über die Rechte der indigenen Völker der Vereinten Nationen, etc.. Der Sprecherin zufolge sollte die Geschichtsschreibung in einem Rechts- und Justizrahmen betrachtet werden. Es sollte davon ausgegangen werden, dass es verschiedene Kulturen gibt, die ihr eigenes Wissen entwickelt haben. Die Universitäten sollten ein kulturell weitgefächertes Wissen vermitteln, um ein interkulturelles Zusammenleben zu fördern. Es ist wichtig, dass die indigenen Völker eigene Lösungsstrategien für ihre Probleme erarbeiten. Dabei kann die westliche Welt von ihnen lernen. Kulturelle Vielfalt sollte die Grundlage für die Entwicklung öffentlicher Politiken in einer Demokratie sein.

Als letzter Redner des ersten Podiums hatte Wilson Reyes, ein nationaler indigener Berater und Ex-Nationaldirektor der Konföderation für Fragen zur indigenen Entwicklung (CONADI) das Wort. Er referierte über „Das kollektive Recht der indigenen Völker Chiles. Die indigene Frage in der Volkszählung von 2012". In der Dekade der 1990er Jahren wurde das Indigene Gesetz, das zwar keine indigenen Rechte anerkennt, jedoch Räume für eine Institutionalisierung und für öffentliche Politikprogramme für indigene Völker schafft, verabschiedet. In diesem Jahrzehnt kam es zu Dialogen auf nationaler Ebene und es wurden Gesetze für die indigenen Völker, vor allem für Lafkenches-Mapuche, beschlossen. Die Rapanui können sich auf das Gesetz für Spezialterritorien berufen. Allerdings liegt Chile im Vergleich zu anderen Ländern in der Region bei der Anerkennung der indigenen Rechte international zurück. Zum Beispiel wurde die ILO-Konvention 169 erst im Jahr 2007 vom Kongress bewilligt und im Jahr 2009 erlassen. Die ILO-Konvention 169 kann als ein Dach der Rechtsinstitutionen der Staaten betrachtet werden, das Antworten auf alle Kontingenzen, die sich gegenwärtig präsentieren, liefert. Eines der wichtigsten Aspekte dieser Vereinbarung ist es, den Prozess der vorherigen Konsultation (der indigenen Völker) zu regulieren. Auch der Interamerikanische Gerichtshof geht auf diese Bedürfnisse ein. Die aktuelle chilenische Regierung steht vor der Herausforderung auf Themen wie das Konsultationsrecht und das Fehlen des Begriffs "indigene Völker" in der Verfassung, angemessen zu reagieren. Letztendlich hat die Volkszählung gezeigt, dass in Chile eine bedeutende indigene Bevölkerung existiert.

Die nationale sozio-ökonomische Erhebung (Casen) aus dem Jahr 2002 erfasste unter Chiles Bevölkerung 692.192 Indigene. Im Jahr 2006 stieg diese Zahl der Indigenen auf 1.060.786. Davon sind 87% der Indigenen Mapuche, 7% sind Aymaras, 3% sind Atacameños und 2,7% gehören anderen Ethnien an. Die Erhebung aus dem Jahr 2007 bestätigt vor allem die Ungleichheiten zwischen der indigenen und nicht-indigenen Bevölkerung: Indigene sind stärker von Armut und extremer Armut betroffen als die Menschen im Rest des Landes. Die Umfrage zeigt ein starkes Lohngefälle. Die Herausforderung liegt darin diese Ungleichheiten einzuebnen.

Wilson Reyes sieht in der Erhebung (Casen) ein Machtinstrument, mit dem wieder der Fehler begangen werde, Maßnahmen in wirtschaftlichen, sozialen, politischen und religiösen Bereichen einzuführen. In Bezug auf indigene Themen ist die Volkszählung nicht repräsentativ, aber es ist strategisch notwendig sich dieser zu bemächtigen, sie kennen zu lernen und sie zu Gunsten der indigenen Völker anzuwenden. Reyes kritisierte die Gestaltung des Fragebogens für den Zensus, da dieser nicht die Sicht der indigenen Völker berücksichtige bis auf die Fragen Nr. 24, Nr. 25, Nr. 26 und Nr. 29, die vom Befrager meistens lax behandelt wurden, wodurch wichtige Themen, wie die indigene Spiritualität, die Zugehörigkeit oder indigene Sprachen ausgelassen wurden. Es wurde lediglich nach Spanisch- oder Englischkenntnissen gefragt. Auch bei der Bekanntmachung und Verbreitungsstrategie der Volkszählung war die indigene Bevölkerung nicht daran beteiligt. Es wäre wichtig gewesen die Volkszählung auch in den indigenen Sprachen zu bewerben, um damit verschiedene Sektoren oder Territorien zu erreichen. Ein weiterer Kritikpunkt war das Design für die Datenerfassung. Es wurden keine Quoten für indigene Befrager vereinbart, die speziell als interkulturelle Vermittler in indigenen Territorien mit hoher indigener Bevölkerungsdichte hätten eingesetzt werden können. Es wurde somit versäumt ihre Sprachen, Lebensweisen und Gewohnheiten einzubeziehen. Zusätzlich wäre es wünschenswert gewesen, indigene Führungskräfte, Fachleute und Techniker im Umgang mit den Variablen und den Ergebnissen der Volkszählung zu schulen, damit sie diese Kenntnisse in Entwicklung, Bildung und Kultur anwenden können.

Die genannten Kritiken beziehen sich auf Komponenten, die schwerwiegend gegen die ILO-Konvention 169 verstoßen und den Empfehlungen des UN-Sonderberichterstatters bezüglich der Rechte der indigenen Völker keine Folge leisten. Reyes ist auch über eine korrekte Anwendung der künftigen indigenen öffentlichen Politikprogramme, insbesondere im Hinblick auf indigene Sprachen, besorgt.

Das zweite Podium wurde von José Miguel Serrano, dem Direktor des CICLAS moderiert. Die erste Rednerin, María de la Luz Nieto de los Ríos, Beauftragte der Volkszählung des Nationalen Instituts für Statistik (Instituto Nacional de Estadística - INE) referierte über „Die Indigenen Völker in der chilenischen Volkszählung“. Sie begann mit der Vorstellung der verschiedenen Volkszählungen in Chile, indem sie auf ihre kulturelle Eignung einging. Bereits im Jahr 1992 beinhaltete der Zensus die Frage nach der Zugehörigkeit zu einer indigenen Kultur unter Erwähnung der Mapuche, Aymara y Rapanui. Dies lag an dem im Jahr 1993 erlassenen Gesetz (19.253), das den Schutz, die Förderung und Entwicklung der Indigenen etablierte und die Schaffung der CONADI ermöglichte.

Die Volkszählung von 2002 beinhaltete die Frage nach der Zugehörigkeit (die Formulierung der Frage wurde geändert) zu einer der acht gesetzlich anerkannten indigenen Gruppen: Mapuche, Aymara, Rapanui oder Ostern, Atacama, Quechua, Colla, Alacalufe oder Kawashkar und Yámana oder Yagan. Im Jahr 2006 wurde das Gesetz durch die Aufnahme des Volkes Diaguita modifiziert; derzeit gibt es neun anerkannte indigene Völker in Chile.

Der Zensus 2012 unterscheidet sich von Vorherigen schon beginnend mit der Formulierung der Frage nach den indigenen Völkern. Er beinhaltet eine Filterfrage, die allen Befragten gestellt wird, um Menschen, die sich als Teil einer indigenen Gruppe betrachten, zu identifizieren. Wenn diese Frage bejaht wird, dann folgt die Frage nach der Zugehörigkeit. Die Formulierung greift auf die von 1992 zurück: „betrachten Sie sich als zugehörig“ mit dem Unterschied zu 1992, dass der Bezug zu einem Volk und nicht zu einer Kultur hergestellt wird. Es kam zu den erwähnten Änderungen, da der prozentuale Anteil der indigenen Bevölkerung sich zwischen den Jahren 1992 und 2002 unnatürlich verringerte. Die Zusatzfrage bietet für jede der neun gesetzlich anerkannten Gruppen Kategorien, sowie eine offene zusätzliche Kategorie „andere" an. Eine weitere Änderung, die diesmal im Vergleich zur vorherigen Volkszählung vorgenommen wurde, waren die Namen der Völker in der indigenen Sprache. Neben Fragen zur Selbstidentifizierung, wurden andere mit indigenem Bezug, wie beispielsweise zur Sprache gestellt, in welcher Menschen in der Lage sind, eine Unterhaltung aufrecht zu erhalten. Auch im Hinblick auf die Religion, wurde die Antwortmöglichkeit "indigene Spiritualität" ergänzt. In Bezug auf die Wohnsituation enthielt bereits der Zensus aus dem Jahr 1952 die Kategorie ruca (traditionelle Behausung der Mapuche), die jedoch andere Völker auszuschließen scheint, so dass nun diese Kategorie in "traditioneller indigene Behausung“ geändert wurde, mit den in Klammern gesetzten Begriffen ruca und pae pae (traditionelle Behausung der Rapanui). Hinsichtlich der Infrastruktur werden unter anderen Kategorien Fragen zu Strom, Trinkwasser, und Abwasserentsorgung gestellt. Sie sollen dazu beitragen, Mängel der Infrastruktur in ländlichen indigenen Gemeinschaften zu erkennen, zumal die Unterversorgung im städtischen Raum bei 1% liegt. Schließlich wird die Kategorie Wohneigentum um eine alternative Antwort „Gemeinschaftseigentum“ ergänzt.

Vor dem Zensus fand eine Vorkonsultation der Indigenen statt. Im Allgemeinen war es nicht klar, wie der Prozess genau hätte durchgeführt werden sollen. Die Erklärungen der ILO-Konvention 169 über das Konsultationsrecht dienten zwar als Grundlage, aber in diesem Dokument waren keine weiteren spezifischen Modalitäten aufgeführt. Auch in Chile existiert das Dekret 124, aber dieses wird nicht von den Indigenen anerkannt und konnte somit nicht als Referenz angewandt werden. Die Vorbefragung lässt sich als einen ersten Schritt betrachten, der mit der Zeit zu perfektionieren ist. Das Ziel dieser Vorkonsultation war es, die indigene Bevölkerung über die Volkszählung zu informieren und sie an ihrer Realisierung teilhaben zu lassen, ihre Kommentare und Vorschläge für den Fragebogen einzubeziehen. Zu den Beratern zählten Personen, die den vom chilenischen Gesetz anerkannten indigenen Völkern angehören. Sie kamen über ihre traditionellen Organisationen und Gemeinschaften, Verbänden und indigenen Organisationen. Der Fragebogen zum Zensus entstand in völliger Absprache, mit besonderem Schwerpunkt auf die spezifischen Fragen zur Zugehörigkeit und die Sprache der indigenen Völker. In der ersten Stufe wurde über den Beratungsplan berichtet und dieser verbreitet. In der zweiten Etappe ging es um die Teilnahme am Zensus. In der dritten Stufe ging es um die Systematisierung der Anmerkungen und Vorschläge. Die vierte Etappe wurde mit der Überprüfung der Ergebnisse, ihrer Kommunikation an Interessenten und der Veröffentlichung auf der Webseite vom chilenischen INE, abgeschlossen.

Im Rahmen der Verbreitung und Beteiligung, wurde der Beratungsplan der CONADI vorgestellt, die jedoch kein Kommentar hierzu abgab. Zeitgleich wurde der Beratungsplan den Regionalen Runden vorgestellt. Es wurden Plakate und Informationsblätter in der Öffentlichkeit verteilt. Auch wurden 4.890 Briefe an indigenen Organisationen mit Hintergrundinformationen und Anmeldeformularen zur Teilnahme gesendet. Es gab 765 Rückmeldungen, stellvertretend für 4.591 Personen. Diese Rückmeldequote ist gering, wenn man bedenkt, dass Chile rund 17 Millionen Einwohner zählt. Diese Daten verfügten also über keine statistische Relevanz, daher musste eine qualitative Analyse durch eine wörtliche Transkription der Ergebnisse realisiert und eine Diskursanalyse mit entsprechender Software durchgeführt werden. Zusätzlich wurden Treffen und Informations-Beratungsworkshops mit indigenen Organisationen (über 20 Workshops) durchgeführt.

In Bezug auf die Datenerhebung wurden im Voraus Regelungen mit indigenen Organisationen und Verbänden vereinbart, um eine gute Akzeptanz der Befrager in den Gebieten mit einer hohen indigenen Bevölkerungsdichte sicherzustellen. So wurden Befrager beauftragt, die den indigenen Gemeinschaften angehörten und bevorzugt die jeweilige indigene Sprache beherrschten. Sie waren berechtigt den Einwohnern, die kein Spanisch sprachen, den Fragebogen mündlich zu übersetzen. In der Regel wurden sie gut empfangen, abgesehen von zwei Gemeinschaften, die den Befragern den Zutritt verweigerten und auch nicht den Fragebogen der Volkszählung beantworteten.

Zu den verbleibenden Herausforderungen für das Land gehören die Datenaufbereitung und die Veröffentlichung der Ergebnisse der Volkszählung 2012 im Hinblick auf die indigenen Völker. Die Auswertung der Daten aus der Volkszählung 2002 wurde durchgeführt, jedoch war ihre Verbreitung nicht möglich. Eine weitere Herausforderung besteht darin, Ergebnisse zu kleineren Gebietseinheiten zu erzielen, die dazu beitragen, eine größere Vielfalt der indigenen Völker zu berücksichtigen. Es ist also sehr wichtig georeferenzierte Daten zu sammeln, um eine Feinkartierung zu ermöglichen. Im Allgemeinen ist es notwendig Grundlagen für die Herstellung von repräsentativen und relevanten Statistiken für die indigenen Völker zu schaffen und sie zu verstehen und sie zu befähigen, Diagnosen mit diesen Zahlen zu erstellen.

Delmis Pineda, die am statistischen Institut Honduras tätig ist, sprach über die "Auto-Identifizierung der indigenen Völker und Afrohonduraner. Ihre Beteiligung an der nationalen Volks- und Wohnungszählung 2013". 12% bis 18% der Bevölkerung Honduras gehören zu den folgenden neun indigenen und afrohonduranischen Völkern: Tawahka, Pech, Tolupan, Lenca, Miskito, Maya Chortí, Garifuna, englischsprachige Schwarze und Nahua. Die Lenca und Garifuna machen den größten Bevölkerungsanteil aus. In 16 der 18 Departements Honduras leben indigene und afrikanisch-stämmige Einwohner. Viele indigene Gemeinschaften stellten die Ergebnisse der Volkszählung 2001 in Frage, da ihr zufolge Indigene einen Anteil von 7% an der Gesamtbevölkerung haben. Dieses Misstrauen führte im Jahr 2007 zu einer eigenen Erhebung. Die neue Zählung zeigte, dass der indigene Anteil an der Gesamtbevölkerung bei 20% lag. In der Volkszählung von 2001 wurden zweifelsohne Probleme bei der Erfassung von indigenen Daten aufgrund von operativen Schwierigkeiten, wie die Unzugänglichkeit in bestimmten Territorien, sichtbar.

Die Volkszählung von 1988 war die erste, die die ethnische Frage anging. Die ethnische Frage befand sich im Abschnitt über die allgemeinen Merkmale der Bevölkerung und wurde wie folgt formuliert: Sprechen Sie eine der folgenden Sprachen? Die möglichen Antworten waren: Garifuna, Xicaque, Paya, Miskito, Lenca, Sumo und keine. Der Grund für diese Frage war eine Kampagne zur zweisprachigen Erziehung. Ein Problem, das offensichtlich wurde, war die Tatsache, dass es nur die Möglichkeit gab eine einzige Sprache anzukreuzen. Dies führte zu Verwirrungen, weil es Leute gab, die zwei oder mehr Sprachen beherrschen. Zum Beispiel sprechen viele Indigene des Volkes Tawahka durch die Nähe zum Gebiet der Miskito, Spanisch, Miskito und Tawahka. Ein weiteres Problem war, dass die Fragen auch Kindern ab fünf Jahren gestellt wurden und es somit zu einer Verzerrung der Ergebnisse kam.

Im Zensus von 2001 wurde bereits die ethnische Frage aus Sicht der indigenen Selbst-Identifikation und Zugehörigkeit einbezogen, so dass nach der Zugehörigkeit zu einer Bevölkerungsgruppe und nicht mehr nach der Sprache gefragt wurde. Mögliche Antworten waren neun: Garifuna, Schwarz Englisch, Tolupán, Pech (Paya), Miskito, Lenca, Tawahka (Sumo) Chorti, andere.

Die Volkszählung, die im Jahr 2013 durchgeführt werden soll, wird den Prioritäten des Nationalen Plans und der Visionsstrategie des Landes folgen, die die aktuelle Regierung der Republik festgelegt hat. Mit dem Hauptziel der Armutsbekämpfung werden demographische, wirtschaftliche, soziale und wohnungsbezogene Daten erhoben.

Die ethnische Frage in diesem Zensus unterscheidet sich von vorangegangenen, dabei war und ist sie sehr umstritten. Darüber hinaus wird diese Volkszählung von anderen abweichen, da sie zu ihrer Realisierung die Beteiligung der indigenen Völker fördert. So beteiligten sich die Indigene bei der Formulierung der Fragen, insbesondere bei solchen mit ethnischer Natur. Eine internationale Beraterin schlug folgende Formulierung für die Frage Nummer sieben vor: „Wie nehmen Sie sich wahr?“, mit den Antworten "Indigen, Schwarz, Afrohonduranisch, Mulatte, Mestize, Schwarz und Andere". Es wurde beschlossen, die Frage neu zu formulieren: „Wie identifizieren Sie sich?“ mit den gleichen Antworten wie zuvor, jedoch mit Verzicht auf die Möglichkeit „Mulatte“. In Bezug auf das Thema der Selbst-Identifikation, schlug die internationale Beraterin folgende Frage vor: „Mit welchem der folgenden Völker identifizieren Sie sich gemäß Ihren Bräuchen und Ihrer Kultur?“ Mögliche Antworten waren: "Chortí, Lenca, Miskito, Nahua, Pech, Tolupan, Tawahka, Garifuna, englischsprachige Schwarze und eine andere". Diese Frage wurde wie folgt neu formuliert: Welchem Volk gehören Sie an? Die Antworten entsprachen dabei denen, die von der internationalen Beraterin vorgeschlagen wurden mit der Änderung "Chortí" in "Maya Chortí".

Zusätzlich wird mit dieser Volkszählung eine Annäherung an indigene und afrohonduranische Verbände sichtbar. Bislang sind aus dieser Annäherung folgende Resultate erfolgt: 1.) Am 7. Februar 2012 wurde eine Vereinbarung zwischen dem Sekretariat für indigene und afrohonduranischen Völker (SEDINAFROH), das im Jahr 2010 unter der Führung von Präsident Porfirio Lobo Sosa gegründet wurde, und dem INE von Honduras, zur Beteiligung der Mitarbeiter und Koordinierung der technischen und finanziellen Ressourcen, getroffen. 2.) Ein Workshop zur Überprüfung der Fragestellung im Volkszählungsformular und zur Identifizierung der Kommunikationsmedien mit den Völkern. Beteiligt waren hierbei das Programm der Integralen Entwicklung der Indigenen Völker (DIPA), SEDINAFROH und Vertreter verschiedener Verbände. 3.) Ein Testdurchlauf des Fragebogens der Volkszählung (es wurden 140 Menschen befragt) in der Stadt La Ceiba, in der Gemeinde Corozal, an dem 28 Befrager aus afrohonduranischen und miskito Völker beteiligt waren, die zuvor hierfür geschult wurden. 4.) Es wurde ein Slogan der Selbstidentifikations-Kampagne für indigene und afrohonduranischen Völkern, das in Absprache mit ihnen und dem INE entstand, veröffentlicht.

Arnulfo Embris Osorio vom mexikanischen Spracheninstitut für indigene Sprachen (INALI) beschäftigte sich als letzter Redner mit der Frage: „Wie können in Mexiko Indigene in den Volkszählungen identifiziert werden?“. Die indigene Bevölkerung war in den letzten Jahrhunderten präsent und wurde auf unterschiedlicher Weise anerkannt. Je nach Epoche der Republik wurden sie entweder als Arbeitskräfte oder Sklaven identifiziert. Im neunzehnten Jahrhundert wurde die mexikanische Nation von den Liberalen ausgerufen, die der Redner als ungültig auffasst, weil darin die Völkervielfalt nicht berücksichtigt werde.

Wie aber lässt sich eine indigene Person identifizieren? Die Antwort hängt davon ab, wie die Zählung vorgenommen und wer befragt wird. Früher hat das statistische Amt nicht die Indigenen gezählt, sondern diejenigen, die eine indigene Sprache beherrschten. Im Jahr 1890 wurde zum ersten Mal die Bevölkerung erfasst, die eine indigene Sprache sprach. Als dann die Frage anders formuliert werden sollte, stellte sich das Nationale Institut für Statistik, Geographie und Informatik (INEGI) dagegen, weil es die Vergleichbarkeit der Daten aufrecht erhalten wollte. Als Lösung um die Frage nach der Sprache beizubehalten, wurde eine weitere Fragen zur Identifikation formuliert. Diese Frage ist die gleiche, die zurzeit im erweiterten Fragebogen gestellt wird.

In den Verfassungsänderungen im Jahr 1994 und später im Jahr 2002 wurde im Artikel 2 wegen der ethnischen Vielfalt die multikulturelle Zusammensetzung der mexikanischen Nation verankert. Die Verfassungsgeber nahmen die Definition, die von der ILO vorgeschlagen wurde, an: „Indigene Völker sind diejenigen, die von Bevölkerungsgruppen abstammen, die im Territorium des Landes vor der Kolonialisierung ansässig waren und die heutzutage ihre eigenen sozialen, wirtschaftlichen, kulturellen und politischen Institutionen bewahren. Im Einklang mit ihren Sitten und Gebräuchen erkennen indigene Gemeinschaften ihre Autoritäten an.“

Mit Mexikos Identifikation als ein multikulturelles Land war es notwendig Daten zu sammeln, die diese Bezeichnung untermauern. Die Daten aus dem Zensus bieten eine solide Grundlage für ein besseres Verständnis nicht nur von demographischen Entwicklungen. Bis zur Volkszählung von 2000 wurden darin demographische und soziodemographische Fragen gestellt. Mit der Intervention des Nationalen Institut für Indigene Sprachen (INALI) werden nun auch linguistische Daten gefordert in Bezug darauf, wie viele Sprachen verloren gehen, ob indigene Sprachen in den Familien gesprochen werden, ob indigene Sprachen täglich gesprochen werden und andere. Das INEGI beherrscht zunehmend den Umgang mit dem Informationsbedarf.

In der Volkszählung von 2010 war die erste ethnische Frage, ob eine indigene Sprache oder ein Dialekt gesprochen wird. Sobald eine genauere Eingrenzung der indigenen Sprache oder des Dialekts klar war, wurde gefragt, ob Spanisch gesprochen wird (da 15% der indigenen Bevölkerung Mexikos nur ihre eigene Sprache spricht). Diese Fragen wurden alle Menschen, die älter als drei Jahre waren, gestellt. In einem erweiterten Fragebogen, der bei 1% der Mexikaner herangezogen wurde, befand sich die Frage nach der Selbstidentifikation. In Fragebögen für Orte mit weniger als 3.000 Einwohnern und die meisten indigenen Gemeinschaften leben in solchen Orten, wurde danach gefragt, ob ihre Einwohner eine indigene Sprache sprechen, wie sich diese indigene Sprache nennt und ob die Sprache in dieser Gemeinschaft in der Schule, Kirche, auf Festen, zuhause oder im Handel gesprochen wird.

Die Daten der Volkszählung von 2010 zeigten, dass zwischen den Jahren 1930 und 2010 die Einwohnerzahl, die indigene Sprachen beherrschte, von 2.200.000 auf 6.700.000 gestiegen war. Prozentuell betrachtet verringerte sich die Anzahl der Einwohner, die eine indigene Sprache sprechen: während im Jahr 1930 es noch 16% der Bevölkerung waren, lag die Prozentzahl im Jahr 2010 bei um 6,7%. Aus der allgemeinen Volks- und Wohnungszählung von 2010 ging hervor, dass in den Vereinigten Staaten von Mexiko 112.336.538 Einwohner leben, wovon 6,6 Mio. eine indigene Sprache beherrschen, 11,3 Millionen in indigenen Haushalten wohnen und sich 15,7 Mio. als indigen auffassen. Angesichts dieser Daten gibt es 9,1 Mio. Indigene, die nicht ihre indigene Sprache sprechen und 400.000, die indigene Sprachen sprechen, sich aber jedoch nicht als indigen bezeichnen. Einer Schätzung zur Folge werden in den nächsten 50 Jahren rund 64 indigene Sprachen aussterben. Daher ist es wichtig, Politikprogramme zu fördern, die sich für eine Aufrechterhaltung indigener Sprachen einsetzen. Die meist gesprochenen indigenen Sprachen sind Nahuatl, Maya, Mixteken und Tzeltal. Es existieren 68 indigene Völker und elf Sprachfamilien.

Mit Hilfe der Volkszählung von 2010 konnte außerdem eine signifikante Anzahl von Personen registriert werden, die sich selbst als indigen auffasst. Die höchste Anzahl befindet sich in Oaxaca und es folgen die Staaten Yucatán, Chiapas, Veracruz, Puebla und Mexiko. Weder ihre demographischen noch linguistischen Eigenschaften sind bekannt, da diese Fragen nicht auf nationaler Ebene gestellt wurden.

Mit dem Zensus aus dem Jahr 2010 konnten außerdem unter anderem Daten über das Gesundheitswesen, das Analphabetentum, höhere Bildung und Wohnungen erfasst werden. Aus ihnen ging hervor, dass sich in den letzten fünf Jahren der Zugang der indigenen Bevölkerung zu Gesundheitsdiensten verdoppelt hat. 58,2% der Bevölkerung ist krankenversichert, dies entspricht 35,2% mehr als im Jahr 2005. Im Bildungssektor liegt die Alphabetisierung bei den über 15-jährigen, die an Orten leben, deren indigener Bevölkerungsanteil 40% oder mehr entspricht, bei 76,1%, das sind 4,4% mehr als im Jahr 2005. 79,5% haben einen Schulabschluss, was einer Steigerung von 4,7% gegenüber dem Jahr 2005 entspricht. 23,7% haben die Grundschule abgeschlossen; 5,4% haben eine höhere Schulbildung; im Jahr 2005 lag dieser Indikator bei 4,4%. Hinsichtlich der Wohnsituation verfügen neun von zehn Haushalte über Strom, was eine Steigerung um 4,7% im Vergleich zum Jahr 2005 ausmacht. 68,9% der Hau shalte hat Zugang zum Trinkwassersystem, was einer Steigerung von 3,4% im Vergleich zu 2005 entspricht. 54,4% der Haushalte verfügen über ein Entwässerungssystem, das sind somit 11,7% mehr als im Jahr 2005. In den letzten fünf Jahren haben die Maßnahmen der Regierung zur Beseitigung der Erdböden in den indigenen Haushalten eine Reduzierung von 44,9% auf 22,1% erzielt.

Die Vorbefragung der indigenen Völker für die Volkszählung seien wichtig, untermauerte Arnulfo Embris Osorio. Es müsse jedoch festgehalten werden, dass viele statistische Daten bei der Gestaltung von Politikprogrammen unberücksichtigt blieben. Auch müssten andere Institutionen einbezogen werden. Darüber hinaus sei es notwendig den Schwerpunkt auf eine Aufwertung und Erhaltung der indigenen Sprachen zu setzen.

Im Anschluss an die Vorträge hatten die Zuschauer die Gelegenheit Fragen zu stellen. Die größte Aufmerksamkeit galt der Volkszählung in Chile, die in diesem Jahr stattfand. Es wurde nachdrücklich betont, wie wichtig es sei, die Afrochilenen in Diskussionen zu dieser Thematik zu berücksichtigen. Ein weiteres Thema war die Rolle der CONADI in der aktuellen Volkszählung. Schließlich wurde nach der Bedeutung von Identität, indigenen Bewegungen und indigener politischer Partizipation in den Volkszählungen gefragt. Die Identität ist wichtig für die Sichtbarkeit der kulturellen Vielfalt und historisch ausgegrenzten Gruppen; indigenen Bewegungen sind die Hauptakteure des Wandels, insbesondere weil die indigene politische Partizipation nach wie vor gering und von den verschiedenen Regierungsebenen abhängt ist. Ein weiteres Problem scheint zu sein, dass indigene Anführer sich oft von traditionellen Parteien fern halten, da sie dort ihre Ideologie nicht vertreten sehen.

Am Nachmittag wurde ein Workshop mit chilenischen und internationalen Experten auf dem Campus der Autonomen Universität Miguel de Cervantes veranstaltet. Schlussfolgernd wurde folgendes festgehalten: Die ethnische Frage gemeinsam mit den indigenen Völkern zu formulieren hat einen bedeutenden Stellenwert; darüber hinaus sollen sich indigene Völker und Institutionen bei der Gestaltung von öffentlichen Politiken beteiligen, die auf Grundlage der Daten aus den Volkszählungen entwickelt werden können.

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