Veranstaltungsberichte
In seiner Einführung ergänzte Karl-Heinz B. van Lier, Landesbeauftragter für Rheinland-Pfalz der Konrad-Adenauer-Stiftung, den Titel der Veranstaltung noch um das Motto „Selbstbestimmte Freiheit – so viel wie möglich!“. Kinder zu bekommen, sei - so van Lier - nicht die zielgerichtete Umsetzung eines unbedingten Wunsches. Vielmehr bekäme man heute Kinder nur noch , wenn sie in die Lebensplanung passten. Auch der Staat habe hier eine eindeutige Werteskala: Er lässt eine finanzielle Ausbeutung der Familien in Höhe von 55 Tsd. Euro zu, ohne für den sogenannten `Familienlastenausgleich´ zu sorgen. Junge Leute hätte heute sehr wohl begriffen, dass Kinder – zumal mehrere – eine hohe finanzielle Belastung mit sich brächten.
Da wundere es nicht, wenn die erste Priorität im Leben junger Menschen der Beruf zum Zwecke der finanziellen und persönlichen Unabhängigkeit und Selbstbestimmung sei, hielt van Lier fest. Und abschließend: „Familie ist heute für junge Menschen ein Lebensentwurf unter vielen. Selbst beste Bedingungen haben zu keinem Motivationsschub geführt, Familie zu gründen“.
Dr. des. David Schumann referierte zu der Frage „War und ist die Steigerung der Geburtenrate jemals ein Ziel der Bundesregierung gewesen?“ aus historischer Sicht. Eindeutig, so Schumann, sei diese Frage sicherlich nicht zu beantworten.
In der Ära Adenauer herrschte das Motto „Kinder kriegen die Leute immer“ vor. So war eine pronatale Politik in diesen ersten Jahren der Bundesrepublik nicht nötig. Ab Mitte der 60er Jahre sanken die Geburtenraten dann dramatisch von 2,5 auf 1,8 Kinder pro gebärfähige Frau. Die Gründe, so führte Schumann an, waren in der Abkehr von traditionellen Werten und Normen und in der Ersetzung familiärer Netzwerke durch staatliche zu finden. Hiermit ging ein Anstieg der Opportunitätskosten für Kinder einher. „ Also Geld, das verlorenging, wenn die Frau - angesichts des höheren Akademisierungsgrads - zu Hause blieb“, erklärte der Historiker. Und weiter: „Es bestand in zunehmendem Maße die wirtschaftliche Notwendigkeit eines zweiten Einkommens insgesamt“. Die Geburtenförderung sei in der öffentlichen Debatte auch dieses Jahrzehnts immer verpönt gewesen und so sei die Diskussion gemieden worden.
In den 70er Jahren wurde, erläuterte Schumann, erstmals über die Auswirkung auf die sozialen Sicherungssysteme gesprochen, aber „die Lösung war immer ein Mehr an staatlichen Leistungen“. Die sozialliberale Regierung unter Brandt vollzog dann schließlich die vollständige Abkehr von der pronatalen Politik insgesamt. So rückte die Geburtenförderung erst wieder unter der unionsgeführten Regierung in den Fokus der Familienpolitik. In den 80er Jahren seien die Auswirkungen des Geburtenschwunds durchaus bereits erkannt worden: „Das Argument der Kohl-Regierung war es, dass die Bevölkerungspolitik ein Gebot der Vernunft sei“. WeitreichendeModelle aber, ergänzte Schumann, wurde aber dennoch abgelehnt.
Als in den 90er Jahren die Geburtenraten auf bis zu 0,8 Kinder pro Frau sanken, habe sich der Zeitgeist gedreht: „Fortan ging es immer darum, nicht die Kinderlosen zu bestrafen“. Unter der Rot-Grünen Regierung verbot sich dann sogar - so stelle man bei näherer Betrachtung fest - hinsichtlich der Familienpolitik jeder Akt, Menschen dazu zu bringen, Kinder zu bekommen. Der erste Koalitionsvertrag der Regierung Merkel habe immer das Motto „Wir wollen mehr Kinder!“ betont. Und so sei es der damaligen Familienministerin Ursula von der Leyen in erster Linie vorzugsweise um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf gegangen, so Schumann. Im Koalitionsvertrag von 2009 sei es immerhin noch an einer Stelle um die Schaffung besserer Rahmenbedingungen für Familien und Kinder gegangen, „im jetzigen Koalitionsvertrag findet sich gar keine Einlassung mehr zum Thema“, ergänzte der Referent.
Das Fazit von Schumanns historischer Betrachtung der pronatalen Politik der Regierungen in der Bundesrepublik lautete: Je weiter der demografische Wandel fortschritt, umso weniger wurde über die Ursachen gesprochen. Immer wieder gab es zwar Ansätze zu einer partiellen, aber gezielten Förderung, mit der Absicht, die Geburtenraten zu steigern, allerdings immer mit verschiedenen Ausrichtungen. Schumann weiter: „Letztlich aber ging es immer um mehr Leistungen und um mehr Staat“. Der abschließende Appell des Historikers, selbst junger Familienvater, richtete sich kritisch an die Politik: „Letztlich kann es nicht schaden, wenn der Staat wenigstens die Benachteiligungen für Familien abschafft und sie nicht noch bestraft!“.
Birgitta vom Lehn, freie Journalistin und Autorin, sprach im Anschluss zum Thema „Kinder kommen immer zur Unzeit! Von den Grenzen der Vereinbarkeit“. Sie mahnte an, dass man sich nicht an kinderfreie Zonen gewöhnen dürfe. Viele Wohnviertel seien heute - so ihre Beobachtung - meist kinderfrei, obwohl dort offensichtlich Kinder lebten.
Die meisten Familien, so vom Lehn, lebten heutzutage in einer Mischung aus kapitalistischer Arbeit und sozialistischer Betreuung. Die sogenannte ‚Quality time‘, also die Zeit, die alle Familienmitglieder gemeinsam verbringen, wenn alle nach Hause kommen, sei immer begrenzter. Die zweifelsohne existierende Vereinbarkeitslücke aus Familie und Beruf mache „aus Paaren Partner in der Logistikbranche, die Familie wird zur Fahrgemeinschaft“, so die Journalistin. Dieses Zeitproblem der Familien werde von der Politik nicht gelöst. Ein Problem sieht vom Lehn auch darin, dass die Realitäten viel zu selten ehrlich dargestellt und stattdessen vieles beschönigt werden würde.
Vor allem die Elite der Gesellschaft verabschiede sich von der Vereinbarkeit von Familie und Beruf und entlarve sich selbst durch ihre niedrigen Geburtenraten, so vom Lehn. Da die Geburtenzahlen ihrer Auffassung zufolge, von politischer Seite nicht zu erhöhen seien, plädierte die Autorin dafür ,„lieber bestehende Familien und Paare mit Kinderwunsch zu fördern und ihnen nicht Steine in den Weg zu legen“. Und sie argumentierte weiter: „Nicht jeder Frau muss man auftragen, Kinder zu bekommen. Auch die Kinderlosigkeit muss möglich sein“. Kinder seien vielmehr ein Naturphänomen, aber man habe gelernt, alles zu kontrollieren. Daher sei die Frage nach Familiengründung immer auch eine Frage der Bildung und der dementsprechenden Lehrplänen, die Familienfragen lehren und vermitteln müssten, so vom Lehns Ansicht.
In ihrem Fazit kritisierte sie die mangelnde Akzeptanz von Familie: „Es wird immer nur über Belastungen durch Familie gesprochen. Familienleistungen werden aber unterschätzt und zu niedrig bewertet und es ist nicht ehrlich wenn gesagt wird, dass alle arbeiten gehen müssen“. Die Journalistin befürwortet daher die Zahlung eines Elterngehalts in angemessener Höhe.
Dr. Silke Dierks, Juristin und selbst vierfache Mutter, schilderte eindringlich und sehr persönlich, warum sie der Überzeugung ist „ Kinder sind eine Bereicherung für das Leben!“. Sie sprach sogar davon, dass Kinder eine Sinnstiftung für das Leben bedeuteten. „Mit den Augen von Kindern versteht man die Welt neu“, so Dierks. Und weiter: „Kinder bedeuten immer auch Chaos und man muss sich auf die Unbändigkeit, auf die Lautstärke und das Leben einlassen, das mit Kinder ins Leben Einzug hält“. Diese Sinnstiftung, also die Welt mit Kinderaugen zu sehen, aber auch das enge Zeitbudget, zeigten, dass Kinder in ihrer eigenen Welt lebten. Diese habe nichts mit der von Erwachsenen zu tun und lehre den Menschen wieder die Naivität. Dierks Fazit lässt sich daher wie folgt zusammenfassen: „Kinder bedeuten Glück!“.
Dr. Elisabeth Müller, Vorsitzende des Verbands kinderreicher Familien in Deutschland, erläuterte im Rahmen ihres Vortrags ihr Statement „Mehr Mehrkindpolitik, bitte!“ näher. Sie hielt fest, dass zur ausgleichenden Geburtenerhaltung 2,2 Kinder pro Frau notwendig und demnach Mehrkindfamilien nötig seien. Die Großfamilie aber sei ein Auslaufmodell, so Müller. Und sie erinnerte: „Kinder bekommt man aus emotionalen Gründen, weil man sie sich wünscht“. Statistisch betrachtet gebe es ebenso viele Einzelkinder wie Mehrgeschwisterkinder. Der Vorteil von Großfamilien bestehe darin, dass je mehr Geschwister in der Familie lebten, das Kommunikations- und Bindungsangebot größer werde, so Müller. Je größer die Familien würden, umso härter träfen sie aber auch die Belastungen: „Jede vierte Mehrkindfamilien ist armutsgefährdet!“. Höchst problematisch sei auch, dass die Erziehungsleistungen bei der Rente nicht angerechnet würden, erinnerte die mehrfache Mutter.
Sie fasste zusammen: „Mehrkindfamilien sind kein Auslauf-, sondern ein Zukunftsmodell! Familien muss Mut gemacht werden sich zu vergrößern!“. Die Forderungen des Verbands kinderreicher Familien lassen sich dementsprechend zusammenfassen: Erhöhung des Kinderfreibetrags bzw. des Kindergelds, Anschubfinanzierung für das dritte Kind, Berücksichtigung der Kinderzahl bei den Rentenbezügen und Abzug des Existenzminimums der Kinder von den Sozialversicherungsbeiträgen der Eltern. Dies alles, so Müller abschließend, liefe unter dem Motto: „Unsere Kinder – eure Zukunft!“.
Die Modedesignerin Anja Gockel, vierfache Mutter und international überaus erfolgreiche Unternehmerin plädierte ebenso wie Dr. Silke Dierks in ihrem Statement zum Thema „Kinder – Familie – und ein eigenes Unternehmen! Warum eigentlich nicht?“ für das Leben in und mit Familie. Sie äußerte allerdings auch den Wunsch, dass die Vielfalt in der Gesellschaft unterstützt werden sollte: „Wir sind alle Individuen und daher sind auch unsere Freiheitsempfindungen verschieden“. Das Problem der öffentlichen Meinung über Familien sieht sie in der medialen Vermittlung begründet: „Es wird vorgegaukelt, dass Mindermeinungen der Mehrheit entsprechen“.
Auch Anja Gockel unterstützte die These vom Chaos, das man mit Kindern in sein Leben hole: „Unsere Vorstellungen wie alles zu funktionieren hat, sind nicht die Vorstellungen unserer Kinder. Kinder machen intuitiv das, was sie dem Glück näher bringt“. Angesichts des Fachkräftemangels, den die Designerin auch in ihrer Branche beobachte, sehe sie folgendes Problem: „Wir sagen nicht jedem, ja, du kannst! Und ich helfe dir dabei!“. Ebenso sei dies häufig der Fall hinsichtlich der Familiengründung junger Menschen. Sie hielt fest, dass nur das Kinderkriegen sinnstiftend sei, da nichts ansonsten nach dem Tod dabliebe.
Gockel forderte abschließend ein Umdenken. Man dürfe nicht bloß die Schwierigkeiten sehen, die Familie mit sich brächte. „Das Gesamtumfeld muss geändert werden, die Rabenmutter muss aus unseren Köpfen“, und vor allem sei es „wichtig allen Freiräume zu geben, um sich individuell entfalten zu können“.
Die zum Ende des Politischen Salons hin vom Publizisten Jürgen Liminski moderierte Gesprächsrunde warf unter anderem noch einmal die Frage auf, was die Politik tun könne, um mehr Familienfreundlichkeit zu schaffen, wenn feststehe, dass alle Ausgaben für Familien eine echte Investition und somit sinnvoll seien. Dr. des. David Schumann rief hier zu einem positiven Denken auf: „Die Politik steckt zwar den Rahmen, oft aber werden individuelle Lebensentscheidungen gegeneinander ausgespielt und Lebensmodelle verglichen“. Und er kritisierte: „Die Politik aber sollte signalisieren, dass jeder glücklich werden kann und soll“.
Anja Gockel beschied die Frage nach dem Mehrwert eines relativistischen, freiheitliche Konzepts mit dem Wunsch, dass man junge Menschen unterstützen und darin bekräftigen sollte Kinder zu bekommen: „Die Unmenschlichkeit beginnt, wenn verkopft Kinder zu einem bestimmten Zeitpunkt zu bekommen sind. Sie sind Leben, dass immer möglich sein muss!“.
Karl-Heinz B. van Lier beschloss die Veranstaltung mit einem Appell an alle Familien offensiver zu werden und an die Eltern sich bewusst zu machen, welchen Reichtum sie mit Kindern besitzen: „Deutschland braucht das gesunde Maß an Chaos, das nur von Kindern kommen kann. Kinder lenken uns vom selbstreferenziellen Blick auf uns ab und eröffnen neue Perspektiven. Nur so ersticken wir nicht an Genügsamkeit und fehlender Zuversicht.“