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Veranstaltungsberichte

Das Rule of Law FORUM

von Paul Saadeh

Die erste Ausgabe des Rule of Law FORUMs, der jährlichen Leitveranstaltung des Rechtsstaatsprogramms der Konrad-Adenauer-Stiftung für den Nahen Osten und Nordafrika.

Am Freitag und Samstag, den 9. und 10. Dezember 2022, richtete das Rechtsstaatsprogramm Naher Osten und Nordafrika (MENA) der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) in Zusammenarbeit mit der „Youssef SADER Foundation for Legal Culture“ (SADER-Stiftung) die erste Ausgabe des jährlichen Rechtsstaat-FORUMs aus. Die Veranstaltung fand im Lancaster Plaza Hotel in Beirut statt.

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Diese jährliche Flaggschiffveranstaltung zielt darauf ab, die wichtigsten rechtlichen Fragen in der MENA-Region zu erörtern, indem Experten aus der gesamten Region eingeladen und relevante und aktuelle Fragen zum Stand von Rechtsstaatlichkeit und Demokratie in der Region erörtert werden. In diesem Jahr umfasste das FORUM 5 Diskussionsrunden, die sich jeweils einem bestimmten Thema widmeten.

Um 9:00 Uhr begann die Veranstaltung mit Eröffnungsstatements von Herrn Philipp Bremer, Direktor des Rechtsstaatsprogramms der Konrad-Adenauer-Stiftung für den Nahen Osten und Nordafrika, Rechtsanwalt Rany Sader, Präsident der SADER-Stiftung, und Konsul Matthias Voigt, der den deutschen Botschafter im Libanon, S.E. Andreas Kindl, vertrat.

Philipp Bremer eröffnete die Sitzung und erörterte einleitend, wie sich die KAS in der Region für die Förderung der Rechtsstaatlichkeit einsetzt. Er dankte der SADER-Stiftung für ihre Mitwirkung an diesem Projekt. Herr Bremer hob insbesondere die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte hervor, die am 10. Dezember 1948 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen verabschiedet wurde, und beendete seine Rede mit einem Zitat von Charles Malik. Rechtsanwalt Rany Sader, Chief Legal Innovation Officer von SADER und Vorsitzender der SADER-Stiftung, berichtete, wie sich die Stiftung seit ihrer Gründung um die Förderung der Rechtsstaatlichkeit in der Region bemüht und wie sie dies auch 160 Jahre später noch tut.

Im weiteren Verlauf der zweitägigen Veranstaltung wurden fünf Panels abgehalten:

 

Das erste Panel: Zugang zur Justiz inmitten anhaltender wirtschaftlicher und sozialer Kämpfe.

Podiumsteilnehmer: Richter Faysal Makki – Präsident der libanesischen Richtervereinigung, Dr. Omar AlJazy – geschäftsführender Gründungspartner von Aljazy & Co., Herr Nino Karamaoun – technischer Leiter des UNDP-Rechtsstaatsprogramms im Libanon. Moderiert von: Herr Philipp Bremer.

Das Hauptziel ist eine effiziente, leicht zugängliche und unabhängige Justiz. Das Justizwesen im Libanon steht vor vier Arten von Herausforderungen: strukturell (konfessionelle Einmischung in die Politik und  politische Einmischung in die Justiz), rechtlich (Ernennung der Mitglieder des Obersten Justizrats, Immunität vor Strafverfolgung usw.), materiell (Fehlen eines unabhängigen Haushalts für die Justiz) und psychologisch (die Bevölkerung hat das Vertrauen in die Justiz und ihre Rolle verloren). Aus der Sicht eines Anwalts schaden ständige unnötige Änderungen von Gesetzen der Meinung des normalen Bürgers über das Recht. Die Prozesskostenhilfe erfordert ein solideres Finanzierungssystem. Außerdem sollten die Anwaltskammern eine wichtigere Rolle bei der Festlegung von rechtlichen Standards spielen und den Bürgern den Zugang zum Recht erleichtern. Schließlich kann eine effizientere Gerichtsaufsicht das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Justiz stärken sowie ein effizienteres und strafferes Arbeiten der Gerichte fördern.

 

Das zweite Panel: Verfassungs- und Rechtsmechanismen zur Sicherung der Unabhängigkeit der Justiz – Wahl der Richter, Finanzierung der Justiz, mögliche Verfassungsänderungen?

Podiumsteilnehmer: Herr Nizar Saghieh – Gründer und Geschäftsführer der Legal Agenda, Richter Abdellatif Chentouf – Mitglied des Obersten Justizrates in Marokko, Prof. Rudolf Mellinghoff –Bundesverfassungsrichter a.D. / Präsident des Bundesfinanzhofs a.D. Moderiert von: Dr. Laith Nasrawin – Rechtsanwalt, ordentlicher Professor für öffentliches Recht, Dozent für Verfassungsrecht und Menschenrechte an der juristischen Fakultät der Universität Jordanien.

Auch wenn im Libanon der Grundsatz der Gewaltenteilung anerkannt ist, bestehen dennoch kritikwürdige Verschränkungen. So werden beispielsweise acht der zehn Mitglieder des Obersten Justizrates im Libanon von der Regierung ernannt. Die Bangalore-Prinzipien für richterliches Verhalten werden von den Justizsystemen in der ganzen Welt zunehmend akzeptiert und umgesetzt. Für eine weitere Etablierung dieser Werte bedarf es aber zweier zentraler Akteure: die Justiz selbst und den Gesetzgeber.

 

Das dritte Panel: Eine vergleichende Perspektive auf Wahrheit und Erinnerung, damals und heute: Tunesien, Marokko und Libanon.

Podiumsteilnehmer: Frau Layal Sakr – Rechtsanwältin, Geschäftsführerin von SEEDS for Legal Initiative, Frau Salwa el Gantri -–Senior Expert für Programme bei ICTJ Tunesien, Dr. Fadoua Loudiy – Assistenzprofessorin am Institut für strategische Kommunikation und Medien der Slippery Rock University (SRU). Moderiert von: Dr. Karim El Mufti – Professor und leitender Forscher für Menschenrechte und internationaler Experte für Justiz- und Sicherheitsfragen.

Die „Transitional Justice“ konzentriert sich auf die Opfer und ihre Erfahrungen und beruht auf fünf wichtigen Grundsätzen: Rechenschaftspflicht, Wahrheit über das Geschehene, Wiedergutmachung, institutionelle Reform und Versöhnung. Marokko war eines der ersten Länder in der MENA-Region, das den Prozess der „Transitional Justice“ einleitete. Im Libanon fand nach dem Ende des Bürgerkriegs (1975-1990) jedoch keine juristische Aufarbeitung statt, da die vormaligen Kriegsherren in die Regierung gewählt wurden und sich darauf einigten, sich selbst für die während des Krieges begangenen Verbrechen zu begnadigen. Die Eltern der während des Krieges verschwundenen Personen mussten bis 2018 auf die Verabschiedung eines Gesetzes über das Verschwindenlassen von Personen warten.

 

Das vierte Panel: Die entscheidende Rolle der Medien bei der Durchsetzung der Rechtsstaatlichkeit und der Sicherung der Gerechtigkeit; aktueller Stand der Verabschiedung von Mediengesetzen.

 

Podiumsteilnehmer: Frau Roula Mikhael – Gründerin und Geschäftsführerin der MAHARAT-Stiftung mit Sitz in Beirut, Frau Saloua Ghazouani Oueslati – Regionaldirektorin Tunesien & MENA von Article19, Frau Maya Gebeily – Leiterin des Reuters-Büros für Libanon, Syrien und Jordanien. Moderiert von: Rechtsanwalt Edgard Abawatt – Verfassungsexperte und Dozent für Verfassungsrecht und öffentliches Recht an der Université La Sagesse, Beirut.

Die Rolle der Medien ist wichtig, da sie das Bild der Justiz einfach verzerren können. Außerdem spielen Journalisten eine wesentliche Rolle für den Zugang zu verlässlichen und umfassenden Information der Menschen. Die Rechtsstaatlichkeit kann gestärkt werden, indem sichergestellt wird, dass Journalisten Zugang zu glaubwürdigen Quellen haben, die Überprüfung von Fakten gefördert wird und schließlich das Bewusstsein für Rechtsfragen geschärft und häufiger Gespräche über Rechtsstaatlichkeit geführt werden.

 

Das fünfte Panel: Datenschutz, geistiges Eigentum und Zugang zu Informationen in einem rechtsstaatlichen System.

Podiumsteilnehmer: Me. Nadim Gemayel – Parlamentsabgeordneter im Libanon, Richter Taher Abou Eleid – Vizepräsident am Berufungsgericht, Ägypten, Rechtsanwalt Jocelyne Alayan – Gründer der JoVi-Beratungsfirma, Mitglied der juristischen Fakultät der Ozyegin-Universität, Fachbereich PIL und Rechtsvergleichung, Rechtsanwalt Faareen Ali – Gründer und Geschäftsführer von Law Simplified Ltd, UK. Moderiert von: Rechtsanwalt Rany Sader – Präsident der Youssef SADER-Stiftung.

Es ist wichtig, dass der Zugang zu Informationen und der Zugang zu Urteilen für die Bürger gewährleistet ist. Die Digitalisierung bietet hierfür viele Möglichkeiten. Die Menschen haben jedoch auch Schwierigkeiten, das Recht zu verstehen, vor allem, wenn sie keinen Anwalt beauftragen können. Außerdem sollte es mehr Plattformen geben, die es den Bürgern ermöglichen, innerhalb akzeptabler Grenzen selbst Klage zu erheben, ohne einen Anwalt zu beauftragen. Schließlich wird angeregt, Kurse über Rechtstechnologie und künstliche Intelligenz in die Lehrpläne der Universitäten aufzunehmen.

Weitere Informationen zu den Themen der Podiumsdiskussion und den Diskussionsteilnehmern finden Sie im E-Booklet HIER.

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Kontakt

Paul Saadeh

Paul Saadeh

Projektkoordinator

paul.saadeh@kas.de +961 1 385 094 | +961 1 395 094

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