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Veranstaltungsberichte

Verfassungsgerichtsbarkeit und Rechtsstaatlichkeit in arabischen Ländern

Internationale Konferenz mit führenden Vertretern von Verfassungsgerichten der MENA Region

Vom 14. bis 15. November 2014 veranstaltete das KAS Rechtsstaatsprogramm Naher Osten / Nordafrika mit Sitz im Libanon in Zusammenarbeit mit dem libanesischen Verfassungsrat eine internationale Konferenz in Beirut zum Thema: Verfassungsgerichtsbarkeit und Rechtsstaatlichkeit in arabischen Ländern unter Betrachtung der jüngsten Entwicklungen in der Region und Ausblick.

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Eingeladen waren Präsidenten und Repräsentanten von Verfassungsgerichten und –räten aus der gesamten MENA Region, sowie Verfassungsrechtsexperten aus dem Libanon. Bei der Eröffnung der Konferenz waren sowohl der ehemalige Staatspräsident Michel Sleiman, als auch der ehemalige Parlamentssprecher Hussein Al Husseini, sowie Vertreter des Premierministers Tammam Salam und des Parlamentssprechers Nabih Berri, als auch weitere Minister und Abgeordnete des Parlaments, sowie diverse Botschafter, Vertreter der Rechtsanwaltskammer Beirut und der UNDP anwesend. Der Vertreter der Konrad-Adenauer-Stiftung im Libanon, Peter Rimmele, gab in seiner Eröffnungsrede der Hoffnung Ausdruck, dass diese Möglichkeit des gemeinsamen Erfahrungsaustausches die Entwicklung der Verfassungsgerichtsbarkeit in den arabischen Ländern weiter voranbringen wird und stellte insbesondere das Instrument der Verfassungsbeschwerde als ein Mittel vor, Grundrechte der Bürger mit Hilfe der Verfassung zu schützen. Einleitende Worte sprachen weiterhin ein Vertreter des Präsidenten der Union der Arabischen Verfassungsräte- und Gerichte, sowie Dr. Gianni Buquicchio, der Präsident der Venedig Kommission, einer Einrichtung des Europa Rates, die Verfassungsprozesse weltweit begleitend unterstützen, sowie der ständige Vertreter des deutschen Botschafters Carsten Meyer-Wiefhausen. Alle Anwesenden betonten die herausragende Bedeutung die dieser Konferenz zukommt.

In ihren Beiträgen veranschaulichten die Vertreter aus Tunesien, Marokko und Ägypten den oft schwierigen Prozess der Umwandlung von diktatorischen Staaten in Demokratien, den alle drei Länder in den letzten drei Jahren mit unterschiedlichem Erfolg durchgemacht haben und anhand von ausgewählten Beispielen zeigten sie welche wichtige Rolle die Verfassungsgerichtsbarkeit bei der Regulierung der Gesetzgebungsprozesse spielte. Insbesondere die neue tunesische Verfassung von 2014, die auch wichtige Grundrechte beinhaltet, dient als Beispiel und Vorlage für Verfassungsprozesse in der gesamten arabischen Welt.

Es wurde aber auch deutlich, dass die Möglichkeiten der Verfassungsgerichtsbarkeit in den Teilnehmerländern oft eingeschränkt sind. So gibt es nicht in allen Ländern Verfassungsgerichte, in denen Juristen Recht sprechen, sondern Verfassungsräte, die eher beratend und empfehlend tätig werden, aber keine verbindlichen Entscheidungen treffen können. Auch ist die Überprüfbarkeit insbesondere von einigen Akten der Exekutive schon per Verfassung nicht gegeben. Die Verfassungsgerichte sind auch dahingehend in ihrer Wirkungskraft beschränkt, dass sie nicht selbst aktiv werden können, sondern von anderen politischen Organen erst durch Erhebung von Klagen oder vergleichbaren Instrumenten zum Tätigwerden aufgerufen werden müssen. So unterliegen sie natürlich einer gewissen Abhängigkeit von den herrschenden politischen Verhältnissen und ihre Tätigkeit kann nicht losgelöst davon betrachtet werden. Eine große Mehrheit der Teilnehmer äußerte sich in diesem Zusammenhang auch zu dem großen Problem der politischen Einflussnahme und forderte die allgemeine Beachtung der Unabhängigkeit der Justiz.

Weiteres wichtiges Thema war die Trennung von Staat und Religion und Dr. Asma Ghachem, Verfassungsrechtsprofessorin an der Universität Karthago, betonte, dass diese Gratwanderung, die in manchen arabischen Ländern noch kaum vorstellbar erscheint, in Tunesien erfolgreich gelungen ist und in der Verfassung keinerlei Referenz mehr auf die Scharia, das islamische Recht genommen wird.

Am Beispiel des Bundesverfassungsgerichtes in Deutschland legte Dr. Jörg Menzel, Verfassungsrechtsexperte an der Universität Bonn, dessen Entwicklung und Funktionen dar. Insbesondere der große Einfluss den die Entscheidungen dieses Gerichtes innerhalb der deutschen Gesellschaft haben und die allgemeine Akzeptanz in der Bevölkerung, die nicht zuletzt auch durch das, die Grundrechte schützende, Instrument der Verfassungsbeschwerde erreicht wurde, stießen auf großes Interesse unter den Teilnehmern. Er empfahl aber, am Bespiel der deutschen Verfassung und ihres Einflusses auf Verfassungsentwicklungsprozesse in Asien, diese nicht einfach nur zu kopieren, sondern wies auf die Notwendigkeit hin, landesspezifische Besonderheiten zu berücksichtigen, was wiederum auf breite Zustimmung unter den Anwesenden stieß.

Alle Teilnehmer betonten die Notwendigkeit von demokratischer Umwandlung, und dem Einfügen von weiteren Grundfreiheiten für Bürger in die Verfassungen und gaben ihrer Hoffnung Ausdruck, dass diese weiteren Übergangsprozesse friedlich und zivilisiert verlaufen. Die Teilnehmer zeigten großes Interesse und Diskussionsfreude an den einzelnen Beiträgen und wichtige Impulse für die weitere Gestaltung der eigenen Verfassungsprozesse wurden so gegeben.

Zum Abschluss stellte der Präsident des libanesischen Verfassungsrates, Dr. Issam Sleiman, einen Katalog mit Strategien und Maßnahmen vor, die helfen sollen, die Entwicklung einer unabhängigen Verfassungsgerichtsbarkeit in der Region weiter voran zu bringen.

In der Veranstaltung wurde deutlich, dass die Verfassungsprozesse in den teilnehmenden Ländern zwar unterschiedlich dynamisch verlaufen und es auch inhaltlich größere Unterschiede gibt, dass aber auch das Ziel, nämlich Verfassungen zu schaffen, die demokratischen und rechtstaatlichen Ansprüchen gerecht werden, allgemein anerkannt wird.

Für das Rechtsstaatsprogramm Naher Osten der Konrad-Adenauer-Stiftung war diese Veranstaltung die erste ihrer Art gemeinsam mit dem libanesischen Verfassungsrat. Anknüpfend an diese überaus erfolgreiche Zusammenarbeit, und im Hinblick auf weitere Netzwerkbildung für den Austausch rechtsstaatsrelevanter Themen, werden nun noch Folgeveranstaltungen geplant.

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