Länderberichte
Mit ungläubigem Staunen muss das Publikum zur Kenntnis nehmen, dass unter den ersten Köpfen, die tatsächlich rollen, auch so prominente und als untadelig angesehene Persönlichkeiten, wie die ehemalige Kulturministerin Mona Musca zu finden sind, die noch vor wenigen Tagen in der jüngsten Meinungsumfrage als populärste Politikerin nach Präsident Basescu galt.
Die Offenlegung der Fakten ist – wie auch auf anderen Politikfeldern üblich - in den innenpolitischen Meinungsstreit geraten und wird von einigen, auf Effekthascherei bedachten Medien in unverantwortlicher Weise ausgeschlachtet. Auch aus der Behörde zur Aufarbeitung der Akten der kommunistischen Geheimpolizei (CNSAS) sind auf zweifelhaftem Wege „Informationen“ in die öffentliche Debatte gekommen. Dass damit die Glaubwürdigkeit in weiten Kreisen der Bevölkerung untergraben wird, schadet gerade dem Bemühen all derer, die eine Selbstreinigung im Hinblick auf dieses düstere Kapitel der rumänischen Vergangenheit immer noch für möglich halten.
Es ist leicht nachzuvollziehen, dass die Aufdeckung der Fakten über eine Organisation wie die Securitate, die 1944 gegründet wurde und bei ihrer Auflösung 1990 rund 40000 offizielle und mehr als 400.000 inoffizielle Mitarbeiter hatte, keine leichte Aufgabe sein würde.
Mehr noch: Das Ausmaß der allmählich bekannt werdenden Verbrechen, auch die Tatsache, dass selbst Kinder und Jugendliche angeheuert wurden, „in geheimer, organisierter, aktiver und wahrheitsgetreuer Weise die Organe der Securitate in ihrer Aktivität für die Vorbeugung, Entdeckung und Liquidierung von Verstößen gegen die Staatssicherheit und die Bekämpfung jedwelcher Tätigkeiten, die die Interessen der sozialistischen Staatsordnung beeinträchtigen, zu unterstützen“ und nicht zuletzt die begründete Vermutung, dass viele „Ehemalige“ in einflussreichen Positionen überlebt haben, lassen erahnen, auf welchem Minenfeld sich diejenigen bewegten, die seriöse Aufklärung betrieben haben.
Voraussetzung hierfür war, dass im Jahre 1999 mit dem CNSAS (Consiliul National pentru Studierea Arhivelor Securitatii) eine der Gauck-Behörde vergleichbare Institution per Gesetz geschaffen wurde. Während der sozialistischen Regierung (2000-2004) funktionierte die Behörde überwiegend nur auf dem Papier, und dies aus mehreren Gründen:
- Zum einen wurden die Akten nur in geringem Umfang aus der Verfügungsgewalt des rumänischen Informationsdienstes SRI der CNSAS übertragen. Nach dem Regierungswechsel Ende 2004 schien sich die Situation nur allmählich zu verbessern. Lange Zeit wurden zahllose Akten unter Verweis auf Belange der nationalen Sicherheit oder wegen fehlenden Speicherplatzes, in Wahrheit aber wegen fehlenden politischen Willens unter Verschluss gehalten.
- Die Sitzungen des CNSAS-Leitungsgremiums wurden systematisch von Teilen seiner Mitglieder (meistens Vertreter der Sozialdemokratischen Partei (PSD), der Partei Großrumäniens (PRM) und der Demokratischen Union der Magyaren in Rumänien (UDMR)) durch Abwesenheit sabotiert.
- Darüber hinaus hatte auch Premierminister Adrian Nastase die Notwendigkeit der Behörde grundsätzlich in Zweifel gezogen: „Der CNSAS kämpft mit der Vergangenheit und öffnet Gräber“.
In diesem offeneren Klima und im Zeichen einer spürbar größeren Informations- und Pressefreiheit ist auch die Zivilgesellschaft in diesem Bereich aktiver geworden. Man kann aktuell ohne Übertreibung von einer Kampagne sprechen, in der die CNSAS mit Anfragen überhäuft wird, um den Status von etwa 80 000 Personen zu klären.
Ohne über die Motive der Überprüfung im Detail nachzusinnen: wichtig sind die Gruppen um die es hier geht: Journalisten und Redakteure, Universitätsrektoren, Gewerkschaftler, Politiker, Lehrer usw.
Grundlage ist die am 24. Juli 2006 vom Obersten Verteidigungsrat verabschiedete Entscheidung, alle Funktions- und Mandatsträger zu überprüfen und nicht wie bis her alle Dossiers unter den Verschlussvorbehalt der „nationalen Sicherheit“ zu stellen.
Wie nie zuvor könnte man von guten Voraussetzungen für eine nach rechtsstaatlichen Prinzipien funktionierende Aufarbeitung der Vergangenheit in Rumänien sprechen.
Gleichwohl muss hier einschränkend festgestellt werden:
- eine unpräzise Gesetzgebung, die Raum lässt für vielfältige Interpretationen,
- das fortwährende Spannungsverhältnis zwischen den Parteien der Regierungskoalition PD und PNL,
- die gezielte Manipulierung der Medien und eine unprofessionelle Arbeit der Journalisten
- sowie vor allem auch das Interesse der Betroffenen an einer Vertuschung und/oder Verharmlosung der Tatsachen - dies alles lässt begründete Zweifel aufkommen, ob der Prozess der Selbstreinigung nicht schließlich doch in einer Sackgasse endet.