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Länderberichte

„Alles andere als der Sieg interessiert mich nicht“

von Michael Däumer, Sebastian Grundberger

Spanische Volkspartei kürt Mariano Rajoy zu ihrem Spitzenkandidaten

Was eigentlich schon längst klar war, ist seit dem 10. September auch amtlich. Der 52-jährige Mariano Rajoy wird die oppositionelle Volkspartei in den Wahlkampf für die voraussichtlich im März 2008 stattfindenden Parlaments-wahlen führen. Die Partei hat ihm ein-stimmig das Vertrauen ausgesprochen. Dabei ist eins klar: Rajoy ist zum Siegen verurteilt, wenn er politisch weiter eine Rolle spielen möchte. Auf dem Weg ins Amt des Ministerpräsidenten muss er dabei neben schlechten Umfragewerten vor allem gegen Unruhe in den eigenen Reihen kämpfen. Denn trotz aller demonstrativen Geschlossenheit toben in der PP bereits jetzt die Positionskämpfe für die Zeit nach Rajoy.

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Sieben Minuten. Dies war die Zeit, die die Partei ihrem Vorsitzenden stehenden Applaus gewährte. Sieben Minuten, die über die lähmenden Querelen und Grabenkämpfe der letzten Wochen hinwegtrösten sollten. Sieben Minuten, die der Nation signalisieren sollte, dass die Partei bereit ist, mit ihrem frisch gebackenen Spitzenkandidaten Regie-rungsverantwortung zu übernehmen. Nie-mand hatte es zuvor gewagt, PP-Generalsekretär Ángel Acebes zu widerspre-chen, als dieser die entscheidenden Worte sprach: „Ich ernenne Mariano Rajoy Brey zum Kandidaten der PP für das Amt des Mi-nisterpräsidenten“ und anschließend hinzu-fügte: „Gibt es jemanden, der sich der Stimme enthalten möchte?“. Damit war ohne formellen Wahlgang aus dem Oppositi-onsführer Rajoy der Spitzenkandidat Rajoy geworden.

Als solcher hielt der gebürtige Galicier aus Santiago de Compostela dann auch gleich seine Antrittsrede. Dabei tätschelte er die Seele seiner arg gebeutelten Partei und schwor sie auf traditionelle Werte ein. Ein-heit, Geschlossenheit und immer wieder Spanien. Insgesamt 33 Mal kam das Wort „Spanien“ in seiner Rede vor. Ganz nach dem Beispiel seines Vorbildes Nicolas Sar-kozy versuchte sich Rajoy, als erster Patriot seines Landes zu präsentieren: „Ich möchte Ministerpräsident Spaniens werden, weil es mein Land ist, weil ich Spanien liebe und weil ich Spanien fühle“, so der PP-Chef. Er betonte, dass in seinem Spanien alle Be-wohner des Landes Platz haben werden: „Egal, wo sie wohnen, egal, was sie denken, egal, zu wem sie beten – Spanien gehört allen. Von Melilla bis Finis Terrae gehört Spanien allen“.

Während Rajoy Spanien also offenbar in lei-denschaftlicher Liebe verbunden ist, er-scheint es derzeit ungewiss, ob Spanien die Liebe des Kandidaten an den Urnen auch erwidern wird. Umfragen sehen die PP be-reits seit Monaten hinter den regierenden Sozialisten – zwar nur relativ knapp, aber doch konstant. Deutlich größer ist der Ab-stand im direkten Vergleich zwischen Zapa-tero und seinem frischgebackenen Heraus-forderer. Wenn momentan Wahlen statt-fänden, könnte Rajoy wohl kaum mit einer Mehrheit rechnen.

Um dies aufzuholen, braucht Rajoy vor allem etwas, woran es zuletzt immer wieder gefehlt hatte: eine geschlossene Partei, die untereinander und mit ihrem Chef an einem Strang zieht. Deshalb versuchte der Kandi-dat, seine Partei hinter sich zu vereinen: „Ich liebe diese Partei sehr und alles, was diese Partei bedeutet (...). Das einzige Ziel ist es, die Wahl zu gewinnen und zu regieren. Ich werde mich nur damit beschäftigen. Alles andere interessiert mich jetzt nicht. Ich fordere von der PP, dass sie sich diesem einzigen Ziel verschreibt. Ich bitte Sie alle um Ihren größten Einsatz. Ich bitte darum, dass wir alle den gesunden Menschenver-stand gebrauchen und unsere Fähigkeiten einsetzen, dieses einzige Ziel zu erreichen.“

Der Appell an den „gesunden Menschenver-stand“ der PP-Politiker zielte dabei wohl vor allem auf den bei der Proklamationsverans-taltung neben Rajoy sitzenden, 84-jährigen PP-Ehrenpräsidenten Manuel Fraga aus Ga-licien und den eine Reihe hinter ihm postier-ten ehrgeizigen Madrider Bürgermeister Al-berto Ruiz-Gallardón. Beide hatten durch ihre Spekulationen über die Zukunft der PP immer wieder Unruhe in die Volkspartei ge-tragen. Fraga hatte erklärt, man müsse die Nachfolge Rajoys frühzeitig vorbereiten, während Ruiz-Gallardón offenbar in sich selbst die geeignete Person für diese Nach-folge sieht. Mit derartigen, in einer demo-kratischen Partei eigentlich normalen Dis-kussionen, war Rajoy nach Meinung vieler nicht ausreichend souverän umgegangen. Auch allgemein war ihm parteiintern immer wieder mangelndes Charisma, mangelnde Durchsetzungskraft und mangelndes Finger-spitzengefühl vorgeworfen worden. Niemand hatte sich jedoch seit der Wahlniederlage Rajoys 2004 und seiner Kür zum Par-teivorsitzenden im gleichen Jahr getraut, den offenen Machtkampf mit dem Aznar-Günstling zu suchen. Der Rücktritt des ehemaligen Wirtschaftsministers der Aznar-Regierung, Rodrigo Rato, von seinem Posten als Chef des Internationalen Währungsfonds, hatte zusätzliche Spekulationen angeheizt und die Frage aufkommen lassen, ob Rato nicht vielleicht eine Rückkehr in die Politik plane.

Rajoy entschloss sich daraufhin, die Flucht nach vorne anzutreten und einer möglichen öffentlichen Infragestellung seiner Person durch eine vorzeitige Kandidatenkür zuvor-zukommen. Offenbar hat das für den Gali-cier rasche und entschlossene Handeln auch seine Parteifreunde selbst überrascht. Der Parteichef hat entgegen seiner sonstigen Art mit der Faust auf den Tisch geschlagen – und das hat zumindest vorläufig Eindruck gemacht. Sollte es nicht noch zu einem un-vorhergesehenen Skandal um seine Person kommen, sitzt Rajoy damit zumindest bis zur Wahl wohl sicher im Sattel. Ob er die Wahl jedoch gewinnen wird, hängt auch da-von ab, ob sich seine ungewollten bzw. selbsternannten „Kronprinzen“ wie etwa Rodrigo Rato, Alberto Ruiz-Gallardón oder die Madrider Regionalpräsidentin Esperanza Aguirre voll in den Dienst seiner Kandidatur stellen oder ihre eigenen Ambitionen auf höhere Weihen in der Partei verfolgen wer-den. Nach eigenem Bekunden sind alle loyal und stellen sich voll und ganz hinter Rajoy. Aber der Kampf um die Nachfolge Rajoys nach einer möglichen Niederlage im kom-menden März ist vorprogrammiert. Während der Wirtschaftsweise Rato, der bei der Nachfolgeregelung 2003 von Aznar über-gangen wurde und sich nach der verlorenen Wahl 2004 nach Washington als Direktor des Internationalen Währungsfonds zurückzog, seine politische Zukunft wie einen heiligen Gral hütet, sieht sich der „unbesiegbare“ Ruiz-Gallardón als natürlichen Nachfolger. Esperanza Aguirre hingegen, die hinter den Kulissen die Strippen zieht, empfindet sich als eine zweite Frau Merkel.

Der sozialistische Organisationssekretär und PP-Chefkritiker José (Pepe) Blanco sieht aufgrund der Zerstrittenheit der PP einen erneuten Wahlsieg Zapateros nur noch als Formsache an. Die einzige Ungewissheit, die es momentan in Spanien gebe, sei die, wer nach dem Wahlsieg Zapateros Oppositions-führer werde, so Blanco. Zudem sei es ein schlechtes Zeichen, wenn man die eigene Partei in einem Wahlkampf extra zu etwas so selbstverständlichem wie Geschlossenheit aufrufen müsse. Nachdem Rajoy bei den letzten Wahlen 2004 nur durch einen „Fingerzeig“ José María Aznar zum Spitzen-kandidaten geworden sei, hätte er jetzt eine „Express-Nominierung“ inszenieren müssen, um einem Absägen seines Stuhles zuvorzu-kommen. Gleichzeitig warf Blanco der PP etwas vor, was auch Rajoy in seiner Rede der PSOE vorwarf, einen Mangel an klaren politischen Konzepten und programmatischen Vorschlägen.

So wurde vor allem eines deutlich: Wenn irgendjemand noch daran gezweifelt hatte, dass in Spanien bereits sechs Monate vor den Wahlen Wahlkampf herrsche, ist er jetzt eines Besseren belehrt worden. Je deutlicher es Mariano Rajoy dabei gelingt, sich gleichzeitig als Mann der politischen Mitte und als kraftvolle Führungsfigur zu präsentieren, desto größer dürften seine Chancen bei der schweren Aufgabe sein, Ministerpräsident Zapatero aus dem Regierungspalast „Moncloa“ zu drängen. Und bei allem bisher geäußerten Zweifel an Rajoy und der PP sollte man über eins nicht hinweg sehen: Die Volkspartei hat entgegen den Aussagen des vor (vielleicht allzu viel) Zuversicht strotzenden José Blancos nach allen Umfragen dennoch eine Chance, einen amtierenden Ministerpräsidenten an den Urnen aus dem Amt zu entfernen. Es bleibt abzuwarten, ob die sieben Minuten Applaus von Madrid nur ein Strohfeuer waren oder sich in eine permanente Haltung der Ge-samtpartei verwandeln. Schwierig wird es allemal, aber die regierende PSOE vergisst allzu schnell, dass sie auch die Wahl verlie-ren könnte. Denn die PP verfügt über eine solide Stammwählerschaft, die sie zu mobi-lisieren versteht. Die PSOE hingegen kam 2004 eine hohe Wahlbeteiligung ins Amt, bedingt durch die ungeschickte und irritie-rende Informationspolitik im Zusammenhang mit den Madrider Anschlägen drei Tage vor der Wahl. Je niedriger die Wahlbeteiligung, desto größer die Chancen für die Volkspartei. Das wissen auch die Sozialisten. Deswegen wird das Motto des Wahlkampfes „Mobilisierung durch Polarisierung“ lauten.

Curriculum Vitae: Mariano Rajoy Brey

Geburtsdatum: 27. März 1955

Geburtsort: Santiago de Compostela

Familienstand: verheiratet, 1 Kind

Beruflicher Werdegang:

•Studium der Rechtswissenschaften an der Universität von Santiago de Com-postela (Jahrgangsbester)

•1981 – 1983: Abgeordneter der AP (Alianza Popular) im Regionalparlament von Galicien

•1983 – 1986: Mitglied des Stadtrates von Pontevedra

•1986 – 1987: Präsident des Provinzpar-lament von Pontevedra und Generalsek-retär der AP in Galicien

•1986 – 1987: Stellvertretender Regio-nalpräsident in Galicien

•1988 – 1990: Generalsekretär der PP in Galicien

•Seit 1989: Abgeordneter des spanischen Parlaments, erst für Pontevedra, seit 2004 für Madrid

•1996 – 1999: Minister für Öffentliche Verwaltung

•1999 – 2000: Minister für Erziehung, Kultur und Sport

•2001 – 2002: Innenminister

•2002 – 2003: Stellvertretender Minister-präsident und Präsidialamtsminister von José María Aznar, Regierungssprecher

•1. September 2003: Ernennung zum Generalsekretär der PP und Spitzenkan-didat der Volkspartei für die Parla-mentswahlen am 14.3.04

•Seit Oktober 2004: Vorsitzender der PP als Nachfolger von José María Aznar

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