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PID – ein „vorgezogener“ Schwangerschaftsabbruch?

Diskussion mit Eberhard Schockenhoff

Eberhard Schockenhoff, der sich als katholischer Moraltheologe im deutschen Ethikrat klar gegen eine Zulassung der PID ausgesprochen hatte, sah den Beschluss des Bundestages kritisch. Auf Einladung von donum vitae und Konrad-Adenauer-Stiftung Freiburg wies er in Kirchzarten auf offene Fragen hin.

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Die intensive Debatte im Deutschen Bundestag über die Zulassung der PID wurde als Sternstunde des Bundestags bezeichnet: Obwohl die Abgeordneten in dieser Frage tief gespalten waren und die Diskussion sehr emotional geführt wurde, waren die Beiträge von gegenseitigem Respekt getragen. Die Lager gingen quer durch die Parteien. Nach der Aufhebung der Fraktionsdisziplin musste jeder einzelne Abgeordnete eine schwierige Gewissensentscheidung fällen. Auch in der CDU, die sich auf das christliche Menschenbild beruft, waren die Meinungen geteilt. Im Vorfeld der Debatte, auf dem Bundesparteitag in Karlsruhe, wurde eine intensive Diskussion geführt.

Nach der Entscheidung der Mehrheit des Deutschen Bundestags im Juli 2011 für eine begrenzte Zulassung von Gentests an künstlich erzeugten Embryonen bleibt die PID im Grundsatz verboten. Sie ist nur in bestimmten Ausnahmefällen zulässig: Für Paare, die eine Veranlagung für eine schwere Erbkrankheit haben oder denen eine Tot- oder Fehlgeburt droht. Auch wenn dem Kind im späteren Leben eine genetisch bedingte schwere Krankheit bevorsteht soll die PID im Einzelfall gestattet werden. Die Paare müssen sich jedoch zuvor beraten lassen. Eine Ethikkommision muss im Einzelfall zustimmen. Zudem darf die PID nur an bestimmten Zentren, die dazu eine Lizenz bekommen haben, vorgenommen werden.

Eberhard Schockenhoff, der sich als katholischer Moraltheologe im deutschen Ethikrat klar gegen eine Zulassung der PID ausgesprochen hatte, sah den Beschluss des Bundestages kritisch. Auf Einladung von donum vitae und Konrad-Adenauer-Stiftung Freiburg wies er in Kirchzarten auf offene Fragen hin.

Der Wunsch nach einem gesunden Kind habe in der heutigen Gesellschaft eine zentrale Bedeutung. Um diesen Wunsch zu erfüllen, stehe der Fortpflanzungsmedizin ein ganzes Arsenal von Möglichkeiten zur Verfügung. Schwangerschaft sei häufig zu einer Phase der Besorgnis geworden. Nicht die uneingeschränkte Freude auf die Geburt sondern die bange Frage, ob das Kind gesund zur Welt komme, stehe im Vordergrund. Die PID erscheine in dieser Betrachtungsweise als Ausweg aus einer Konfliktsituation. Es sei aber fraglich, ob eine Welt, in der es weniger Behinderungen und Krankheiten gebe, eine glücklichere Welt sei.

In einer moralphilosophischen Betrachtung müssen Ziele, Methoden und Folgen einer Entscheidung bewertet werden. Nach diesen Kriterien kommt Schockenhoff zu der Einschätzung, die Entscheidung des Bundestages für eine begrenzte Zulassung der PID öffne einen selektiven Blick auf den Embryo. Kein Mensch habe jedoch das Recht, Kinder erst zu erzeugen und sie dann zu verwerfen. Der Zeitpunkt der Befruchtung sei das am wenigsten willkürliche Datum für den Beginn des menschlichen Lebens. Daher gelten schon für den menschlichen Embryo die Grundsätze der Menschenwürde, der Gleichheit und des Diskriminierungsverbotes.

Der Bundestag habe einen „offenen Rechtsbegriff“ geschaffen. Die Festlegung eines Kataloges von schweren genetischen Schädigungen, für die eine PID zulässig sein soll, sei aus moralphilosophischer Sicht nahezu unmöglich, da es keine vernünftigen Kriterien für die Bewertung der „Schwere“ einer zukünftigen Krankheit gebe. Es bestehe zudem die Gefahr, dass die Kriterien im Laufe der Zeit verwässert und erweitert würden.

Wie werden die Ethikkommissionen zusammengesetzt sein, welche Voraussetzungen müssen die PID-Zentren erfüllen? Schockenhoff lehnt es für seine Person ab, an einer solchen Kommission mitzuwirken, da er nicht an einer Entscheidung beteiligt sein möchte, welches Kind leben darf und welches nicht.

In der Diskussion offenbarte sich das moralische Dilemma. Während einige Gäste mit „zwei Seelen in der Brust“ Verständnis für die Entscheidung erblich vorbelasteter Eltern für eine PID äußerten, ohne die Schwierigkeit der Entscheidung zu leugnen, argumentierten andere im Sinne des Lebensschutzes gegen die PID.

Schockenhoff wies auf die Sichtweise von Behinderten hin, die trotz der Schwere ihrer Behinderung ein glückliches Leben führen. Es sei zudem nicht absehbar, welche Krankheiten durch den medizinischen Fortschritt in Zukunft geheilt oder gelindert werden können. Ein weiteres Problem seien unterschiedliche Standards in Europa, die zu einem „PID-Tourismus“ führten.

Es bleibt zu beobachten, wie die Zulassung der PID in bestimmten Ausnahmefällen praktisch umgesetzt wird und welche Konsequenzen sich für den Schutz des menschlichen Lebens ergeben.

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Kontakt

Thomas Wolf

Thomas Wolf

Leiter Regionalbüro Südbaden des Politisches Bildungsforums Baden-Württemberg

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