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Veranstaltungsberichte

Worauf es in der Schule ankommt. Kriterien für eine gute Schule.

Schule im Fokus

Pater Klaus Mertes SJ, der Direktor des Kollegs St. Blasien, einer renommierten Jesuitenschule im Schwarzwald, sprach zum Auftakt einer kleinen Reihe des Regionalbüros Südbaden der Konrad-Adenauer-Stiftung zur Bildungspolitik.

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Lehrerinnen und Lehrer melden sich zu selten in politischen Debatten zu Wort, sie fühlen sich häufig als Opfer der Bildungspolitik, stellte Mertes eingangs mit Bedauern fest.

Er beginnt mit einer Geschichte: Ein Mann erfährt von seinem Arzt, dass er nur noch wenige Wochen zu leben hat. Er besinnt sich darauf, was wirklich wichtig war in seinem Leben und schreibt einen Brief an den Leiter seiner ehemaligen Schule, des Kollegs St. Blasien. Die prägendste Erfahrung seiner Schulzeit, so schreibt er in diesem Brief, war die Zeit im Schulorchester.

Mertes wehrt sich gegen die zunehmende Vereinnahmung der Schulen durch allerlei Interessengruppen. So wichtig die PISA-Vergleichsstudien sind, sie messen doch nur einen kleinen Ausschnitt von Kompetenzen und geben keinerlei Auskunft über die Qualität des Schullebens, geschweige denn der schulischen Bildung. Schule braucht Freiräume. Nur so kann Bildung gelingen. Wenn Schule mit zahlreichen Aufgaben überfrachtet wird, die eigentlich nicht zu ihrem Auftrag gehören, wenn sie unter ständigem Reform- und Leistungsdruck steht, leidet die intrinsische Motivation der Schüler. Lernen wird zu bloßem Pauken.

Bildung steht in der Tradition der Aufklärung. Sie ist ein selbsttätiger Prozess und bedarf eines Erlebnisses der Freiheit und des Vertrauens. „Sapere Aude“: Wage es, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! Nicht Faktenwissen, wie es in Wikipedia abrufbar ist, nicht fragloses Übernehmen der Werte anderer, sondern die kritische Reflektion des Gelernten und des eigenen Standpunktes zeichnet den gebildeten Menschen aus. Bildung heißt, skeptisch zu sein, sich nicht verführen zu lassen von totalitären Ideologien, eine eigene Position zur Welt zu finden.

Sechs Kriterien für eine gute Schule benennt Pater Mertes:

Schule muss ihr Handeln reflektieren und sich Evaluationsprozessen stellen.

Auch die Kriterien dieser Evaluation müssen immer wieder aufs Neue hinterfragt werden.

Wichtiges Merkmal einer guten Schule ist ein gutes Lehrer-Schüler-Verhältnis, das die richtige Balance zwischen Nähe und professioneller Distanz findet. Zwar bleibt die Qualität des Unterrichts wichtig, sie fällt aber nur auf fruchtbaren Boden, wenn das Verhältnis zwischen Schülern und Lehrern intakt ist. Basis muss ein Klima der Wertschätzung sein, der persönlichen Zuwendung, aber auch der Führung.

Bildungsgerechtigkeit ist ein weiterer Anspruch der guten Schule. Der Bildungserfolg und die Teilnahme an außerschulischen Aktivitäten dürfen nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängen.

Eine gute Schule schreitet entschieden gegen Gewalt ein. Mobbing, sei es in der Klasse oder im Internet, muss ebenso entschieden bekämpft werden, wie körperliche Gewalt oder Ausgrenzung von Minderheiten. Gefragt ist ein klarer Verhaltenskodex.

Schließlich bereitet eine gute Schule auf das Leben vor: Sie stellt sich auch existenziellen Grenzsituationen und der Frage nach Gott, die auch von nicht kirchlich gebundenen Schülern gestellt wird.

„Der Auftrag von Schule in einer demokratischen Bürgergesellschaft ist es, jungen Menschen Voraussetzungen und Hilfen mitzugeben, damit sie in ihrem Leben Verantwortung in Freiheit übernehmen können.“

Im Gespräch mit den rund 60 Gästen, darunter zahlreiche Lehrerinnen und Lehrer und Schulleiter, ging es um die Frage, wie die genannten Ziele im Kolleg St. Blasien umgesetzt werden. Der altsprachliche Zweig und die Partnerschaft mit einer chinesischen Schule, Praktika im sozialen Bereich, die den Schülern einen Perspektivwechsel ermöglichen oder bestimmte Rituale des Schweigens und der Besinnung, gehören zu den besonderen Merkmalen der Schule. Hinzu kommt die einzigartige Immobilie, die eine Atmosphäre der Weitläufigkeit und Ruhe ausstrahlt. Auch das Internat und die Herkunft der Schüler aus einer Vielzahl von Ländern sind bemerkenswert. Mertes beschrieb, welche Konsequenzen die Schulen in katholischer Trägerschaft aus den Fällen sexuellen Missbrauchs gezogen haben.

Auch die hitzige Debatte um den Entwurf des Bildungsplans in Baden-Württemberg kam zur Sprache. Zwar muss sich Schule mit Fragen der sexuellen Identität beschäftigen und ein Klima der Toleranz schaffen, es darf aber kein „Zwang zur Selbstoffenbarung“ der Schüler entstehen. Schüler haben ein Recht auf Privatsphäre.

Pater Mertes betonte die Grenzen der Institution Schule. Die Schule ist nicht in der Lage, gesellschaftliche Defizite zu kompensieren. Sie muss sich auf den Kern des Bildungsprozesses konzentrieren. Die Rollen im „magischen Dreieck“ von Lehrern – Eltern – Schulleitung müssen klar definiert sein. Eine omnipotente Schule sei eine „totalitäre Veranstaltung“.

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Kontakt

Thomas Wolf

Thomas Wolf

Leiter Regionalbüro Südbaden des Politisches Bildungsforums Baden-Württemberg

thomas.wolf@kas.de +49 761 156 4807-2 +49 761 156 4807-9
Pater Klaus Mertes SJ KAS Südbaden

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