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Expertengespräch

Präsentation Forschungsergebnisse und Zeitzeugengespräch „Seelenarbeit im Sozialismus“

„Psychiatrie in der DDR - Vorgaben, Nischen und Missbrauch“

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Details

Akten zur DDR Pixabay
Akten zur DDR

Mit dem Forschungsverbund "Seelenarbeit im Sozialismus" hat der Bund über vier Jahre lang ein umfangreiches Projekt an fünf deutschen Hochschulstandorten gefördert. Ziel der ersten Förderphase war die Aufarbeitung der "Psycho"-Fachdisziplinen innerhalb des Gesundheitswesens der DDR. Dazu wurden umfangreich Unterlagen in nationalen und internationalen Archiven ausgewertet und etliche Zeitzeugen, darunter einst Verantwortliche und Patienten, befragt. Durch die Corona-Pandemie waren die Forschungen teilweise deutlich behindert. Im Mittelpunkt des Teilprojekts von Rainer Erices an der FAU Erlangen-Nürnberg stand die Aufarbeitung von Wechselbeziehungen zwischen SED, Gesundheitsverwaltung, Forschern und Klinikern.

Der Anspruch der DDR, allen Menschen ein leistungsfähiges und zukunftsweisendes Gesundheits-systemkostenlosbereitzustellen, entfernte sich besonders in der Honecker-Ära zunehmend von den realen Möglichkeiten. Sowohl Partei als auch Verwaltung fanden kein probates Mittel gegen den Niedergang und beharrten auch in der Schlussphase der DDR eher auf ideologische Lösungen. Die Forschungslandschaft mit den Fachgesellschaften war staatlich normiert. Konflikte zwischen Politbüro und leitenden Gesundheitspolitikern zeugen in den Akten von Konzeptlosigkeit. Besonders in den psychiatrischen Einrichtungen war die wirtschaftliche Notlage der DDR spürbar.

 

Daneben offenbaren erstmals ausgewertete Akten eine Vielzahl an Spitzeln unter den einstigen Wissenschaftlern und Klinikern. Manche von ihnen profitierten davon innerhalb ihres Berufsweges nachweislich, teilweise auch über die sog. Wende hinaus. Die Stasiakten zeigten auch, wie Therapeuten sich gegen staatliche Vorgaben auflehnten und Nischen für das eigene Wirken fanden.

Das Erlanger Teilprojekt befasste sich auch mit dem heiklen Thema des Missbrauchs innerhalb der "Psycho"-Fächer. Der nachgewiesene politische Missbrauch der Psychiatrie in der Sowjetunion sorgte in den 1970er-Jahren für Schlagzeilen. Nach dem Fall der Mauer berichteten Medien über ähnliche skandalöse Zustände in der DDR. Untersuchungskommissionen und Forschungen zeigten jedoch, dass es einen systematischen Missbrauch für politische Zwecke nicht gegeben hatte. Trotzdem haben bis heute entsprechende Vorwürfe gegen das Gesundheitswesen der DDR überlebt. Wesentlich erscheint, dass jenseits medialer Skandalisierung der Missbrauchbegriff erweitert werden sollte. So lassen sich ordnungspolitische Eingriffe gegen Patienten in der DDR, massive Schweigepflichtsverletzungen oder eine Kriminalisierung von sogenannten Asozialen im Kontext staatlicher Vorgaben diskutieren.

Der Abend soll den Stand der Forschung aufzeigen, Quellen und offene Fragen erläutern und Schwierigkeiten bei der Aufarbeitung benennen.

PD Dr. med. Rainer Erices (Arzt und Journalist Institut für Geschichte und Ethik der Medizin)

„Wir haben unheimlich viele Akten des Bundesarchivs ausgewertet, teilweise zum ersten Mal. Eindrucksvoll warenbeispielsweise die Hilflosigkeit von Partei- und Gesundheitsfunktionären gegen Ende der DDR, die hohe Anzahl von Spitzeln in den Psycho-Disziplinen oder auch Nebenaspekte wie die psychophysiologische Forschung innerhalb des MfS.“

 

Dr. Karl Heinz Bomberg (Arzt, Liedermacher und Buchautor)

"Nach meiner politischen Haft 1984 war ich froh, wieder frei zu sein (…). 1994 besuchte mich Jürgen Fuchs in meiner Praxis und legte mir nahe, daß ich als Betroffener und angehender Spezialist geeignet bin, etwas für die Verfolgten der SED-Diktatur zu tun. Das Thema DDR-Unrecht und gesundheitliche Folgen hat sich international auf Menschenrechte erweitert.“

Programm

18:00 Uhr: Begrüßung

Maja Eib

Landesbeauftragte der Konrad-Adenauer-Stiftung für Thüringen

 

Prof. Dr. Nikolaus Knoepffler

Kom. Direktor des Instituts für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin in Jena und KAS-Vertrauensdozent

18:10-19:45 Uhr: Impulse und Diskussion

Moderation: Michael Merkel 

Stipendiat der Konrad-Adenauer-Stiftung

 

 

 

Impuls aus den aktuellen Forschungsergebnisse „Seelenarbeit im Sozialismus“ mit dem Schwerpunkt Psychiatrie in der DDR - Vorgaben, Nischen und Missbrauch

PD Dr. med. Rainer Erices

Arzt und Journalist

Institut für Geschichte und Ethik der Medizin 

Leiter des Teilprojekts „Psychiatrie, Psychologie und Psychotherapie im Gesundheitssystem der DDR“ im Forschungsverbund Seelenarbeit im Sozialismus (SiSaP), Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg

Impulse

Impuls aus Zeitzeugen- und Therapeutensicht

Dr. Karl Heinz Bomberg

Arzt, Liedermacher und Buchautor "Seelische Narben - Freiheit und Verantwortung in den Biographien politisch Traumatisierter der DDR"

 

Impuls aus Sicht eines aktuellen Medizinstudenten

Patrick Riegner

Medizinstudent, KAS-Stipdeniat und Landesvorsitzender RCDS-Thüringen

Schlusswort

Olena Nosovska  

KAS-Stipendiaten Sprecherin Jena

Stehempfang und Zeit für persönliche Gespräche

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Veranstaltungsort

Friedrich-Schiller-Universität Jena, Hörsaal 9
Carl-Zeiss-Straße 3,
07743 Jena

Referenten

  • Prof. Dr. Nikolaus Knoepffler
    • Michael Merkel
      • PD Dr. med. Rainer Erices
        • Dr. Karl Heinz Bomberg
          • Patrick Riegner
            • Olena Nosovoska
              Kontakt

              Maja Eib

              Maja Eib bild

              Landesbeauftragte und Leiterin Politisches Bildungsforum Thüringen

              maja.eib@kas.de +49 (0) 361 65491-0 +49 (0) 361 65491-11

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