Asset-Herausgeber

Veranstaltungsberichte

„Die Frau in der Streichholzschachtel“

Lesung und Gespräch

mit Nicki Pawlow und Konrad Paul (Goethe-Institut)

Asset-Herausgeber

Die Berliner Autorin Nicki Pawlow, welche teilweise in Thüringen aufwuchs und 1977 mit ihren Eltern über Yugoslavien flüchtete, las aus ihrem 2007 erschienenem Buch „Die Frau in der Streichholzschachtel“ im Weimarer Goethe-Institut. In ihrer Einführung unterstrich Nicki Pawlow, dass ihr Buch sowohl Liebesroman, Werk zur Deutschen Einheit als auch DDR-Aufarbeitung ist. Die Heldin Franziska, eine als Heranwachsende aus der DDR geflüchtete Treuhandangestellte der Pressestelle, verliebt sich in den verheirateten älteren und lebenserfahrenen Westjournalisten, der als früherer DDR-Korrespondent beruflich wie persönlich ein Idol ist. Das Spannungsfeld der Treuhandarbeit, welche Anfangs scheinbar anonym über tausendfache berufliche Schicksale entscheidet und später konfrontiert mit den Skandalen, Ermittlungsverfahren, dem Rohwedder-Mord und „Abwicklungen“ lässt die Figur gleichzeitig wachsen als auch verzweifeln.

/documents/269099/269151/7_file_storage_file_383_1.jpg/e660074b-c4aa-c64b-66f5-613c81236ee9
Nicki Pawlow beantwortet gern die Fragen des Publikums
Nicki Pawlow geht es jedoch nicht um Pauschalkritik der Treuhandanstalt oder die wirtschaftlichen Probleme Ostdeutschlands, sondern um die realistische Darstellung der Tätigkeit der „Anstalt“, die sowohl aus engagierten Idealisten wie DDR-Altkadern und smarten Geschäftsleuten bestand. Hintergründe wie kaum funktionierende Telefone, Unerfahrenheit und rudimentärste Büroausstattung kennzeichnen das Bild, was auf viele neu zu schaffende Institutionen und Behörden in den neuen Bundesländern zutraf. Dazu erzählt Sie die ersten Schritte der ehemaligen DDR-Bürger im vereinten Deutschland, betont aber gleichfalls, dass für Sie auch viele Bürger der alten Bundesrepublik sich an das wiedervereinigte Deutschland gewöhnen mussten, wie etwa der ehemalige gefeierte DDR-Korrespondent, der nun ein „normaler“ Journalist ist.

Im anschließenden Gespräch interessierte viele Zuhörer die persönliche Einschätzung der Autorin zur Treuhand bzw. woher Sie ihre Informationen bezog. Nicki Pawlow verdeutlichte, dass ihr die Menschen, die dort arbeiteten und ihre Motive und Hintergründe wichtig waren, wobei Sie natürlich auch eigene Lebenserfahrungen einfließen ließ. Die Treuhand bleibt daher ambivalent wie die Menschen und Lebenswege, wodurch die Treuhand für sie positive wie negative Seiten hat, wie im übrigen auch fast alle handelnden Personen im Buch. Für ihre Recherchen befragte sie viele ehemalige Mitarbeiter verschiedener Ebenen, wodurch ein anschauliches Bild entstand. Im Mittelpunkt stehen für Sie die Menschen, die ihr Leben neu gestalteten und meisterten, wie sie auch. Als Tochter eines bulgarischen Vaters wuchs sie nach der Flucht 1977 in Baden-Württemberg auf, wodurch ihr die Kontraste beider Gesellschaften besonders und die Unfreiheit in der DDR besonders bewusst wurden.

Konrad Paul verwies in seiner Moderation vielfach auf die Zensur und kulturelle Einschränkungen der kommunistischen Regime und gab vielfach diskussionsanreichernde Konnotation, die die gesprächsreiche Veranstaltung erfolgreich abrundete.

Zurück

Asset-Herausgeber

comment-portlet

Asset-Herausgeber