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Veranstaltungsberichte

„Eine vielschichtige Beziehung"

Seminar

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Tim Petersen: Neoliberalismus und Katholische Soziallehre haben ähnliche, aber nicht identische Wurzeln in Geistes- und Realgeschichte. Die Katholische Soziallehre entsteht im 19. Jahrundert als Antwort auf Industrialisierung und die damit verbundene Soziallehre. Ihr wissenschaftliches Gebäude hat sie über lange Jahre durch den von Heinrich Pesch geprägten Solidarismus. Darüber hinaus äußert sie sich in den lehramtllichen Veröffentlichungen, den päpstlichen Sozialenzykliken. Der Neoliberalismus im Kontext der Tagung ist zu verstehen als der deutsche Versuch eines erneuerten Liberalismus. Er hat seine Wurzeln in den interventionskritischen Schriften Walter Euckens und Alexander Rüstows aus dem Jahre 1932. In den Zentren Freiburg (Walter Eucken, Franz Böhm) und Istanbul (Alexander Rüstow und Wilhelm Röpke) entwickelt sich in der Zeit des Totalitarismus die Theorie einer liberalen Ordnung. Die Beziehung beider Richtungen zueinander ist vielschichtig. Auf beiden Seiten gibt es Anhänger und Skeptiker einer Kooperation. Auf politischer Ebene stoßen Neoliberalismus und Soziallehre bei der Rentenreform 1957 aufeinander. Die Konflikte sind auch noch heute spürbar. Das zeigen die Veröffentlichungen des Franz-Böhm-Schüler Kurt Biedenkopf und des Nell-Breuning Anhängers Norbert Blüm.

Elmar Nass: Grenzen der Kooperation zwischen liberaler Ökonomik und katholischer Sozialtheorie

Die katholische Sozialtheorie hat ein theonomes Menschenbild. Der Mensch ist zwar durch die Sünde verdorben, aber dennoch in der Lage zur Erkenntnis des göttlichen Gesetzes. Daraus leiten sich die Prinzipien der Personalität, der Subsidiarität und der Solidarität ab. Demgegenüber steht die liberale autonome Anthropologie gegenüber. Mit ihrem normativen und methodologischen Individualismus sieht sie die Gemeinschaft lediglich als Vertragsge-meinschaft auf freiwilliger Basis an. Dennoch kann sich die katholische Soziallehre mit der Sozialen Marktwirtschaft vereinbaren.

Joachim Starbatty: Katholische Sozialtheorie und liberale Ökonomik – Ist eine Synthese möglich?

Wie ein Brief Röpkes an Nell-Breuning zeigt, sind die Beziehungen zwischen Neoliberalismus und Katholischer Sozialtheorie nicht unproblematisch. Auch eine Rede von Bischof Reinhard Marx deutet das an. Marx kritisiert den Manchester-Kapitalismus. Er übersieht da-bei aber die Verdienste der Liberalen bei Abschaffung der Kornzölle. Dadurch wurden Arbei-ter entlastet und der allgemeine Wohlstand gegen die Interessen der landlords gehoben. Weiterhin ist Marxens Einordnung der Marktwirtschaft als Instrument problematisch. Dieses führt dazu, dass Marx nicht marktkonforme Eingriffe als ein Charakteristika der Marktwirtschaft ansieht. Die Marktwirtschaft ist vielmehr eine Ordnung als ein Instrument. Problematisch ist auch der Rückgriff der Soziallehre auf die aristotelische Philosophie. Dennoch ist eine Verständigung auf der Basis ähnlicher Grundprinzipien möglich.

Nils Goldschmidt: Die Wirtschaftsethik der päpstlichen Sozialenzykliken

Die päpstlichen Sozialenzykliken unterliegen einer Wandlung. Die zum 100jährigen Jubiläum der ersten Enzyklika „rerum novarum“ erschiene Enzyklika „Centesimus annus“ im Jahre 1991 im verdeutlicht dieses. In ihr spiegeln sich die antilkommunistische Haltung Johannes Pauls II. und der Fall des Eisernen Vorhanges wider. Centesimus annus formuliert eine posi-tive Einstellung zur sozialen Marktwirtschaft. Wirtschaftsethisch ist sie Ausdruck einer Ord-nungsethik und zeugt daher von einer Bewegung der Katholischen Soziallehre in Richtung Ordoliberalismus.

Gerhard Steger: Das Subsidiaritätsprinzip in Neoliberalismus und Katholischer Soziallehre

Die Enzyklika „Quadragesimo anno“ aus dem Jahre 1931 fordert auf Grundlage des Subsidiaritätsprinzips eine berufständische Ordnung. Der Eucken-Schüler Karl Paul Hensel unter-sucht auf Basis der ordoliberalen Ordnungsökonomik, ob beide Prinzipien miteinander vereinbar sind und ermittelt einen Widerspruch. Die Berufständische Ordnung evoziere die In-tervention und sei daher nicht mit dem Subsidiaritätsprinzip vereinbar. Ihm stehen mit Franz Böhm, Walter Eucken und Wilhelm Röpke weitere prominente Ordoliberale bei. Auf Widerspruch stößt Hensel bei Oswald von Nell-Breuning. Dieser sieht die berufständische Ordnung als Mittel von Entmachtung und Entmarktung. Ihm stehen Anton Rauscher und in gemäßigterer Form Gustav Gundlach bei. Da die berufständische Ordnung in den Hintergrund getreten ist, wirkt die Diskussion aus heutiger überholt. Man redete aneinander vorbei. Allerdings zeigen sich in der Diskussion auch die unterschiedlichen anthropologischen Ansätze.

Jörg Althammer: Der Schreiber-Plan: Konzeption, Umsetzung, Einwände

Der BKU-Geschäftsführer spätere Kölner Professor für Sozialpolitik Wilfried Schreiber erarbeitet in den fünfziger Jahren ein Konzept für die Reform der Rentenversicherung. Es basiert auf den Annahmen der Umschichtung von Kapital- und Arbeitseinkommen und stabiler Demographie. Mit der Rentenreform 1957 wird das Umlageverfahren eingeführt. Allerdings wird Schreibers Vorschlag nur sehr halbherzig umgesetzt. Es fehlt das Förderelement für die dritte Generation. Auch andere Vorschläge wie der Wegfall des Arbeitgeberanteils und des Staatszuschusses bleiben unberücksichtigt. Eine komplette Verwirklichung der Vorschläge Schreibers hätte ein Kapitaldeckung in Form von Humankapital bedeutet. Schreiber ist wegen der Vorschläge bedingt als Neoliberaler zu sehen.

Gerhard Wegner: Globaler Wettbewerb oder globale Wettbewerbsordnung?

Die Frage nach offenen oder geschlossenen Wirtschaftsgrenzen ist schon lange in der Diskussion. Plädierten die englische Klassik oder auch Humboldt für offene Märkte und staatliche Zurückhaltung, so entwarf Fichte mit seinem „geschlossenen Handelsstaat“ ein Gegenmodell. Die Wirtschaftsgeschichte zeigt, dass erstere Gruppe im recht war. Mit der Globalisierung stellt sich allerdings die Frage nach der Notwendigkeit einer globalen Wirtschaftsor-dung. So scheint eine Weltwettbewerbsschutz und eine Weltkartellkontrolle von Nöten. Das bedeutet jedoch nicht, dass der Globalisierungskritik recht gegeben werden soll. Kapitallismus und Globalisierung sind erst in der Lage das von den Globalisierungsgegnern geforderte Wohlfahrtsniveau zu schaffen.

Martin Lampert/Michael Hartlieb: Gibt es eine globale Gerechtigkeit?

Das vom Erfurter Lehrstuhl für Christliche Sozialwissenschaften mitgetragene DFG-Projekt „Absolute Armut und globale Gerechtigkeit“ hat sich die Bekämpfung der weltweiten Armut zum Ziel gesetzt. Als arm werden dabei diejenigen Menschen definiert, die ein Einkommen von weniger als 1 USD/Tag haben. Dieses sind 1,1 Mrd Menschen. Bedingt ist diese auch durch schlechte exogene negative Faktoren. Hierzu zählen die schlechten Handelsbedin-gungen. Hiergegen hat die Soziallehre anzukämpfen. Dieses leitet sich theologisch aus dem Begriff der Option für die Armen ab, der ursprünglich aus der Befreiungstheologie stammt. Diese Forderung ist im Sinne einer globalen Gerechtigkeit. Als globale Gerechtigkeit definiert man, daß kein Mensch unter dem Existenzminimum leben soll.

Gerhard Kruip: Das Unternehmerbild in kirchlicher Sozialverkündigung und sozialer Marktwirtschaft

Die Katholische Soziallehre ist eine dynamische Angelegenheit, wie sich auch an der derzeitigen Tendenz zur Pluralisierung zeigt. Auch beim Unternehmerbild wird das deutlich. Rerum novarum und quadragesimo anno zeichnen ein sehr negatives Bild vom Unternehmer und vom Kapitalismus. Das setzt sich bis zu Johannes Paul II. und der Enzyklika „laborem exercens“ fort. Mit rei solicitudo socialis ist ein Wandel erkennbar. Centesimus annus erkennt das unternehmerische Gewinnstreben als legitim an. In einer Marktwirtschaft korrelieren langfristig Moral und Gewinnstreben. Dennoch muß sich der Unternehmer der moralischen Pflichten bewußt sein. Diese bestehen darin, sich an die Spielregeln zu halten. Sind diese unzureichend, so hat der Unternehmer die moralische Pflicht, sie zu ändern. Das gilt insbesondere für christliche Unternehmer.

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