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Veranstaltungsberichte

"Erschossen in Moskau..." Die deutschen Opfer des Stalinismus auf dem Moskauer Friedhof Donskoje 1950-1953

von Maja Eib
Ausstellungseröffnung

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Am 18. November 2013 wurde die Ausstellung des Historischen Instituts Facts and Files „Erschossen in Moskau…“ Die deutschen Opfer des Stalinismus auf dem Moskauer Friedhof Donstkoje 1950-1953 im Erfurter Rathaus eröffnet.

Die Ausstellung, die seit 2005 als Wanderausstellung unterwegs ist, präsentiert das Schicksal von 927 Deutschen, die zwischen 1950 und 1953 zu Unrecht von sowjetischen Militärgerichten zum Tode verurteilt und in Moskau hingerichtet wurden. Zum Tode verurteilt wurden politische Aktivisten ebenso wie unpolitische Menschen, Arbeiter, Pfarrer, Selbstständige, Landwirte, Bergleute, Polizisten, Schüler, Studenten, Rentner, Mitglieder aller Parteien, Vertriebene, Ost- und Westdeutsche, echte und vermeintliche Spione und sogar im Nationalsozialismus Verfolgte. Viele der Opfer waren Jugendliche, wie die drei Erfurter Annemarie Becker, Manfred Hochhaus und Hermann Johannes Blochmann, die im Rahmen der Ausstellungseröffnung näher vorgestellt wurden.

Seit 2004 erforschten Historiker von der russischen Menschenrechtsorganisation Memorial und dem Historischen Forschungsinstitut Berlin Facts and Files diese Verbrechen.

Die Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur hat das internationale Forschungsprojekt initiiert und gefördert. Die Ergebnisse dieser Forschung sind in dem 2005 erschienenen Buch „Erschossen in Moskau…“ und dieser Ausstellung präsentiert.

Nach den eröffnenden Worten der Leiterin des Politischen Bildungsforums Thüringen und Landesbeauftragten des KAS für Thüringen Maja Eib, die die Bedeutung der Auseinandersetzungen mit den Verbrechen und Folgen von Diktaturen für die Demokratie hervorhoben, führte die Staatssekretärin und langjährige Landesbeauftragte zur Aufarbeitung des SED-Diktatur Hildigund Neubert in die Ausstellung unter besonderer Berücksichtigung der drei Erfurter Opfern Annemarie Becker, Manfred Hochhaus und Hermann Johannes Blochmann in die Ausstellung ein. Sie schilderte wie nach dem Kriegsende die sowjetische Militäradministration die Verwaltung und die Gestaltung des politischen Systems in der sowjetischen Besatzungszone übernahm.

Erneut erlebten die Menschen Willkür und politischen Terror, die sie in Angst und Schrecken versetzten. „Viele flohen in den Westen, vor allem viele Ost-Flüchtlinge zogen weiter. Aber auch Menschen, die in Thüringen verwurzelt waren, verließen Haus und Hof, Beruf und Familie, um Freiheit und Chancen zu erlangen oder der drohenden Verhaftung zu entgehen. Kontrolle und Denunziation blühten wieder, Menschen verschwanden ohne Nachricht und ohne erkennbaren Grund. Auch die drei jungen Menschen, nach denen voraussichtlich in Erfurt Straßen benannt werden könnten, gehörten zu dieser Generation der Nachkriegs-Jugendlichen. Drei junge Menschen wurden aus dem Leben gerissen, kaum dass sie einen beruflichen Anfang gefunden hatten. „Abgeholt“ nannte man das damals. Menschen wurden verhaftet, ohne Angabe von Gründen, keine Nachrichten für die Angehörigen.“, so Neubert.

Neubert erläuterte, dass „obwohl die Verfassung der DDR die Auslieferung von Staatsbürgern an fremde Mächte verbot, die Sowjets sich als Besatzungsmacht direkte Durchgriffsrechte noch bis weit in die 1950er Jahre vorbehalten hatten. Nachweislich wurden immer wieder von deutschen Polizisten oder MfS-Angehörigen Verhaftete an sowjetische Stellen, den MGB übergeben. Der MGB, der sowjetische Staatssicherheitsdienst, bereitete die Verfahren der Sowjetischen Militärtribunale vor.

Die Zeitzeugen-Berichte über die so genannten Ermittlungsverfahren des MGB, so Neubert, „sprechen durchgehend von Folter: Nächtelange Verhöre, Schlafentzug, Schläge, Drohungen, auch die Angehörigen zu verhaften, Scheinhinrichtungen brachten fast alle und gerade auch junge Menschen dazu, am Ende Protokolle ausschließlich in russischer Sprache mit absurden Geständnissen zu unterschreiben. Die Tribunale, wegen ihrer großen Zahl einfach mit Nummern benannt, verurteilten aufgrund dieser „Geständnisse“ serienmäßig zu Maximalstrafen: 10 Jahre, 25 Jahre Arbeitslager, Todesstrafen. Die Willkür dieser Verfahren hatte System: das nicht vom Volk legitimierte System des Sozialismus konnte seine Stabilität nur durch die Atomisierung der Gesellschaft garantieren. Jedes selbständige gemeinsame Handeln war dem System gefährlich, stellte den totalen Machtanspruch, die führende Rolle der Partei in Frage. Jeder sollte vor jedem Angst haben, auch die Parteimitglieder und eifrigen FDJler konnten sich ihres Lebens nicht sicher sein. Diese Phase des Terrors ist in vielen Diktaturen des 20. Jahrhunderts zu beobachten. War die Grundlage der Angst einmal gelegt, dann ließ der offene Terror nach. Aber mit willkürlichen Übergriffen, Bestrafung von Eigenmächtigkeiten oder ideologischer Abweichung und einer konsequenten Kaderpolitik wurde die Erinnerung an die Allmacht des Staats über den Einzelnen gezielt wach gehalten.“

„An den wenigen biografischen Fakten, so Neubert, die über Annemarie Becker, Manfred Hochhaus und Hermann Johannes Blochmann bekannt sind, kann man vieles davon wieder erkennen. Von Annemarie Becker ist gar kein öffentlicher politischer Widerspruch überliefert. Vielmehr war sie schon Mitglied der FDJ, was damals noch einer bewussten Entscheidung bedurfte. Das SMT-Verfahren war auch nicht auf die Erhebung von Tatsachen, sondern allein auf die Produktion von Geständnissen ausgerichtet. Manfred Hochhaus beschädigte ein Stalinbild am Karl-Marx-Platz. Man kann sich vorstellen, dass er im Übermut nach einer Feier seinem Unmut einfach mal Luft machen musste. Auch hier keine Berichte von organisiertem Widerstand, wie er im Urteil behauptet wird.

Die Ungewissheit über die Verhaftungsgründe wirkte auch auf die Zurückbleibenden. Sie verstärkte das Gefühl des Ausgeliefertseins und der Ohnmacht. Für die Angehörigen war die Unerklärlichkeit der Ereignisse eine besondere psychische Last. Von Manfred Hochhaus sind Nachrichten zum Untersuchungsausschuss Freiheitlicher Juristen nach Westberlin gelangt. Im Volksbildungsministerium Thüringen war er aufgefallen mit kritischen Äußerungen über die DDR-Regierung. Im Dunkeln bleibt, wieso er an den MGB übergeben wurde.“

„Manche der Fragen nach dem Hintergrund der Verhaftungen, nach Widerspruch und Widerstand der Verurteilten könnten vielleicht beantwortet werden, wenn die russischen Stellen, die heute die Akten verwalten, auskunftsbereit wären. Aber seit dem Jahr 2000 ist der Zugang zu den Akten wieder schwieriger geworden. Seit Stalin im neuen Moskauer Museum über den großen Vaterländischen Krieg wieder als großer Feldherr geehrt wird, stört die Geschichte seiner Opfer. So wissen wir nur, so Neubert, was die Rehabilitierungsbescheide der russischen Militärstaatsanwaltschaft hergeben: über Annemarie Becker, Manfred Hochhaus und Hermann J. Blochmann wurden mit nahezu identischer Begründung alle drei an einem Tage, dem 13.9.1951, vom SMT 48240 das Todesurteil verhängt. Annemarie Becker und Manfred Hochhaus waren 19 Jahre, Hermann J. Blochmann 22 Jahre alt.“ Am 22. Dezember wurden die Gnadengesuche abgelehnt. Am deutschen Weihnachtstag, dem 24.12. 1951 wurden Annemarie Becker, Manfred Hochhaus und Hermann J. Blochmann erschossen. Ihre Leichen wurden verbrannt und die Asche auf dem Donskoje Friedhof in Moskau verscharrt. Erst acht Jahre nach ihrer Ermordung stellte das Standesamt Erfurt Sterbebescheinigungen aus, mit einem Datum genau zwei Jahre nach dem Ereignis, ohne Benennung der Todesursache. Den Familien wurde auch noch diese Lüge zugemutet, so Neubert abschließend.

In seinem Schlusswort machte der Vorsitzende der CDU-Stadtratsfraktion Michael Panse noch einmal deutlich, wie wichtig die Auseinandersetzung mit den Verbrechen der beiden ehemaligen deutschen Diktaturen im 20. Jahrhundert ist. Ziel sei es „das Unrecht zu benennen, die Erinnerungen wach halten, der Opfer zu gedenken, Biografien aufzuarbeiten und die junge Generationen an Zeitzeugen heranführen.“ „Es liegt uns zudem am Herzen, dass die Orte der Unrechtstaten markiert werden.“, so Panse, der auf die wichtige Arbeit der Gedenkstätte ‚Topf und Söhne’ und die ehemalige Stasi –Zentrale in der Andreasstraße gleichfalls hinwies und als „Orte des Gedenkens“ markierte.

Um insbesondere an die Opfer des Stalinismus und der kommunistischen Gewalt zu erinnern habe die CDU-Stadtratsfraktion zum 60. Todestag im Jahr 2011 den Vorschlag unterbreitet, Straßen in Erfurt nach den drei Erfurtern Annemarie Becker, Hermann Johannes Blochmann und Manfred Hochhaus zu benennen. Im November 2012 befürwortete schließlich die Straßennamenkommission diesen Vorschlag. Die CDU-Fraktion hofft nun auf ein positives Votum des Kulturausschusses hinsichtlich der Straßennamenbenennung im Zusammenhang mit dem Bebauungsplan für das Wohngebiet „Am Bunten Mantel, so Panse.

In vielen persönlichen Gesprächen endete die Ausstellungseröffnung, bei der zahlreiche Verwandte und Schulkameraden ihre eigenen Angehörigen und Freuden auf den Listen und Bildern in der Ausstellung suchten.

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