Asset-Herausgeber

Veranstaltungsberichte

„Heimat bilden in Thüringen“: Eine epochale Herausforderung meistern

von Sina Meißgeier, Daniel Braun

Fachtagung im Thüringer Landtag bildet Auftakt zu neuer Themenreihe über Migration und Integration

1. Fachtagung zur Veranstaltungsreihe "Heimat bilden in Thüringen"

Asset-Herausgeber

Gemeinsam mit der CDU-Fraktion im Landtag lud das Thüringer Bildungsforum der Konrad-Adenauer-Stiftung am 28. September 2015 ein zur Diskussion über Willkommenskultur, Flüchtlingsaufnahme und der Frage, wie erfolgreiche Zuwanderung in Gesellschaft und Arbeitsmarkt möglich ist. Etwa 120 Gäste aus Thüringer Kommunen und Verbänden, aus Wirtschaft und Politik, aber auch Bürgerinnen und Bürger folgten der Einladung.

Erfolgreiche Integration ist Bereicherung, aber auch Herausforderung

Als gemeinsame Veranstalter eröffneten Maja Eib, Landesbeauftragte für Thüringen der Konrad-Adenauer-Stiftung, sowie Mike Mohring, Vorsitzender der Thüringer CDU-Fraktion, die Veranstaltung. Dabei machten sie auf die historische und die aktuell politische Bedeutung von Integration aufmerksam. Den gedanklichen Hintergrund bildeten die vielen Flüchtlinge, die in den vergangenen Monaten Deutschland erreicht hatten und nun hier einen Platz finden müssen. Maja Eib ging auf Ressentiments ein, die dazu in der Bevölkerung existieren, betonte aber, dass Zuwanderung eine ideelle, kulturelle und wirtschaftliche Bereicherung sei, wenn Integration gelungen ist. Gleichwohl seien erste Erschöpfungen und Überlastungen bei den Bürgern und Staat bei der Aufnahme von Flüchtlingen erkennbar. Darüber hinaus plädierte sie für die rechtlich gebotene Trennschärfe zwischen Arbeitsmigration, Flüchtlingen und Asylbewerbern, die in den Debatten zunehmend verloren geht. Mike Mohring, der sich mehr Einsatz vonseiten der Europäischen Union wünscht, ist sich jedoch auch sicher: „Eine Bleibeperspektive für alle überfordert uns“.

Vor der Diskussion stehen Informationen

Um eine wissenschaftliche Verortung der zu besprechenden Themen vorzunehmen, sprach Katharina Senge, Koordinatorin für Zuwanderung Integration bei der Konrad-Adenauer-Stiftung. Sie machte deutlich, dass Asylsysteme anderer Länder, beispielsweise der Schweiz oder Kanadas, nicht einfach auf Deutschland übertragbar seien und dass Asyl- von Einwanderungspolitik getrennt behandelt werden müsse. Weitere wichtige Wissensgrundlagen lieferte Marcus Engler, Mitarbeiter im Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration. Er gab einen globalen Überblick und betonte, dass Migrationsbewegungen nicht vorhersehbar seien. Ihn und seine Kolleginnen und Kollegen erreichten oft entsprechende Nachfragen zur Vorhersage: „Wir wissen lediglich, dass für das kommende Jahr mit etwa 200 000 weiteren Flüchtlingen aufgrund von Familiennachzügen gerechnet werden kann“, so Engler. Zu den Aufgaben des Sachverständigenrates und den Motiven von Flucht nach Deutschland hören Sie das Statement in der Seitenspalte von Herrn Engler.

Streitbare Aussagen und die deutschen Bürger besser informieren und einbinden

Im Publikum zeigte sich ein gemischtes Stimmungsbild zum Tagungsthema. Es gab Wortmeldungen, welche Unverständnis darüber zum Ausdruck brachten, dass es Besserstellungen und Sonderbehandlungen von Flüchtlingen gegenüber der deutschen Bevölkerung gibt, welche auch Gerüchte wiedergaben, dass nicht immer Strafverfolgung bei Delikten wie Diebstahl oder Schwarz fahren angestrengt würde und die Medien jegliche Kritik ausblendeten oder gar als rechtsextrem diffamierten. Diese Ängste gilt es wahrzunehmen und das Handeln von Behörden transparenter darzustellen, damit sich nicht Eindrücke verfestigen, dass Flüchtlinge bessere staatliche Leistungen erhalten oder Rabatt auf Recht und Gesetz gewährt würde. Eine junge Frau kommentierte dagegen aus Sicht der Freiwilligenarbeit, dass man sich auch mit Bürgerinnen und Bürgern in Abwehrhaltung auseinandersetzen müsse, an sie Erwartungen stellen und sie mit interkulturellem Austausch in Berührung bringen. Ein interessiertes Ehepaar aus Erfurt wünschte sich mehr Veranstaltungen solcher Art und eine klare Position der Politik für Zuwanderung. „Wir wollen uns gegen die vielen Vorurteile gegenüber Flüchtlingen in Nachbarschaft und Bekanntenkreis einsetzen. Dazu braucht man Argumente und Zivilcourage“, so die beiden Ruheständler.

Drei große Herausforderungen: Willkommenskultur, Zuwanderung in den Arbeitsmarkt und Flüchtlingsaufnahme vor Ort

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer gingen mit vielen Fragen in die drei Diskussionsforen, die zeitgleich und mit Expertinnen und Experten sowie mit Entscheidungsträgern besetzt, angeboten wurden. Besonders gut besucht war das Forum über Flüchtlingsaufnahme. Dort berichteten Berthold Steffen, Bürgermeister von Triptis, und Peter Schreiber vom DRK-Kreisverband Jena-Eisenberg-Stadtroda vom Alltag in einem Erstaufnahmelager und wie mithilfe eines Schichtbetriebes der Arbeits- und Aufnahmeablauf aufrechterhalten wird. Thomas Fügmann, Landrat im Saale-Orla-Kreis, betonte, dass Sozialarbeit gestärkt werden müsse. Derzeit liege die Betreuungsquote bei 1:150 Flüchtlingen.

In einem anderen Forum sagte Olga Vitzthum, die Leiterin der Kreisvolkshochschule Weimarer Land: „Die Sprache ist der Schlüssel für ein gutes Leben in einem fremden Land“. Deutschkurse für Asylbewerber mit Duldungsstatus müssten der Politik ein großes Anliegen sein. Doch es brauche nicht nur den Schlüssel ‚Sprache‘, sondern ein ganzes „Schlüsselbund für Integration“, so Vitzthum, „Kontakte mit Deutschen in Freizeit und später auch in der Arbeitswelt sind ganz wichtig“.

Johannes Christian Koecke, Referent des Politischen Bildungsforums der KAS in Bonn, betrachtete die Frage nach Willkommenskultur aus einer gewissen Distanz und betonte, es brauche keine „naive Willkommenskultur“, wie in Frankfurt oder München die mediale Wirkung für ihn war, sondern „ein organisiertes und administratives Willkommen, eine Willkommensstruktur“, konstatierte Koecke.

Hinsichtlich der Integration in den Arbeitsmarkt gibt es einerseits gute Voraussetzungen, da in vielen Branchen und Regionen Thüringens dringend Arbeitskräfte gebraucht werden. Andererseits ist das Qualifikationsniveau der ankommenden Menschen häufig nicht ausreichend, so dass Deutschkurse, Qualifizierung aber auch Erfassung der Kenntnisse der neu ankommenden Personen erfasst werden müssen, wie im Forum mit Beate Meißner MdL vielschichtig diskutiert wurde.

Epochales Ereignis – Nachhall der Worte des Bundespräsidenten

In der Abschlussrunde klangen einige Male die Worte von Bundespräsident Joachim Gauck an. Er sprach in seiner Rede zur Eröffnung der 40. Interkulturellen Woche in Mainz am vergangenen Sonntag von der Flüchtlingskrise als einem „epochalen Ereignis“. Mike Mohring nahm dies auf und bezeichnete die anstehenden Aufgaben – nicht nur für Thüringen – als eine „epochale Herausforderung“.

Im Schlusswort des Wiss. Mitarbeiters Daniel Braun des PBF Thüringen der KAS wurde darauf hingewiesen, dass die vielen Facetten und schwierigen Themenfelder in der Veranstaltungsreihe "Heimat bilden in Thüringen" weiter diskutiert werden, wobei ohne Aussparung von vorhandenen Problemen und Negativeffekten das Gespräch mit den Bürgern und Verantwortungsträgern zur Bewältigung der Aufgabe gesucht werden wird.

Asset-Herausgeber

Kontakt

Maja Eib

Maja Eib bild

Landesbeauftragte und Leiterin Politisches Bildungsforum Thüringen

maja.eib@kas.de +49 (0) 361 65491-0 +49 (0) 361 65491-11

comment-portlet

Asset-Herausgeber