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Veranstaltungsberichte

"Wir letzten Kinder Ostpreußens - Zeugen einer vergessenen Generation"

von Maja Eib, Katharina Wall
Lesung und Gespräch

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Am 29.03. lud das Politische Bildungsforum Thüringen interessierte Bürgerinnen und Bürger zu einer Lesung mit Freya Klier aus ihrem Buch „Wir letzten Kinder Ostpreussens – Zeugen einer vergessenen Generation“ ein . Rund 150 Personen nahmen diese Einladung gerne wahr und fanden Platz in der Stadt- und Kreisbibliothek Saalfeld.

In Ihrer Begrüßung stellte Maja Eib, Leiterin des Politischen Bildungsforums Thüringen, Freya Klier als „Botschafterin für Demokratie und Toleranz“ vor und wünschte den Gästen bereichernde und bewegende Momente.

Vor der Lesung hielt außerdem der Bürgermeister der Stadt Saalfeld, Matthias Graul, ein Grußwort, mit dem er Klier herzlich in Saalfeld begrüßte und sein großes Interesse für das Buch bekundete. Außerdem lud er Klier ein, sich in das Goldene Buch der Stadt einzutragen. Der Stadtrat hätte einstimmig beschlossen, dass dies eine große Ehre darstellen würde.

„Wir letzten Kinder Ostpreussens“

Im Anschluss daran begann Klier die Lesung. In dem Buch „Wir letzten Kinder Ostpreussens“ beschreibt sie sieben Biografien von Personen, die als Kinder die Vertreibung aus ihrer Heimat erlebten. Zu Beginn las Klier einige Passagen aus dem Vorwort, um den Gästen den historischen Kontext sowie die Atmosphäre der damaligen Zeit näherzubringen. Es war der Sommer im Jahr 1944, die vorangehenden Massaker hatten bereits viele Menschen das Leben gekostet. Das bevorstehende Aushungern der osteuropäischen Bevölkerung durch die Sowjets stand unmittelbar bevor.

Vertreibung aus Königsberg

Für den Abend wählte Klier einige Ausschnitte aus dem Buch, die das Schicksal von Doris Meyer näher beleuchteten. Eindrücklich beschreibt sie, wie das kleine Mädchen gemeinsam mit ihrer Mutter und ihrer Großmutter am 9. April 1945 in einem Keller ausharrt, der als Bunker herhalten muss. Nach dem Angriff entschließt sich der Königsberger Festungskommandant zur Kapitulation und die Zivilisten werden aus ihren Kellern auf die Straßen gejagt, wo große Zerstörung und Chaos sie erwarten. Im weiteren Verlauf beschreibt Klier den mühseligen Weg, der sich aufgrund schrecklicher Bilder und grausamer Erlebnisse mit den russischen Soldaten in das Gedächtnis von Doris Meyer brannte. Aber auch in solch einer Situation scheint es Lichtblicke und Menschlichkeit doch noch zu geben: im Zuge einer Aufteilung der Frauen und Mädchen nach Alter gestattet es ein russischer Soldat, dass Doris und ihre Mutter die Oma bei sich behalten dürfen, obwohl eine Trennung vorgesehen war.

Eine Zukunft in Freiheit

Und auch später, als sich Doris und die Mutter nach dem Tod der Oma in einem kleinen Dorf aufhalten, können sie mit Hilfe eines russischen Koches überleben. Durch die Geschicktheit der Mutter an der Nähmaschine, die ihre Dienste den russischen Soldaten anbietet, können sie einige weitere Lebensmittel dazugewinnen. Abgesehen von diesen vereinzelten Aufmerksamkeiten ereignet sich jedoch auch für Doris, was viele Kinder in dieser Zeit trifft: ihre Mutter wird verschleppt und muss in einer Kolchose arbeiten. Erst nach einer langen Zeit kann sie fliehen und kommt nach einer weiteren Reise krank und dreckig mit ihrer Tochter in der Nähe von Meinigen in Thüringen an. In dieser Zeit der Quarantäne werden sie ausreichend versorgt und schauen vorsichtig optimistisch in die Zukunft. Wie auch die anderen Flüchtlinge werden sie auf die umliegenden Gebiete verteilt und kommen nach Arnstadt, wo sie zur Untermiete bei einer Schneiderin leben.

Ende der 1980er Jahre beginnt die DDR zu wanken, die Staaten des Warschauer Paktes befreien sich aus der sowjetischen Unterdrückung. 1991 dürfen die ersten deutschen Touristen einreisen und viele entschließen sich, die alte Heimat noch einmal zu besuchen, in der ersten Saison reisen 60.000 Betroffene in die Gegend. 1992 reist auch Doris Meyer nach Königsberg und die schlimmen Erinnerungen kehren zurück. Diese Reise nach Kaliningrad nach dem Krieg sollte die erste und letzte für sie sein.

Offenes Podium

Im Anschluss an die Lesung war Klier offen für Gespräche und Begegnungen mit den Gästen. Einige der Anwesenden berichteten von ihren persönlichen Schicksalen, wie sie als Kinder die Flucht damals erlebten und in der DDR nicht über ihr Schicksal sprechen durften. So wurde ein außerordentlicher Dank gegenüber Klier geäußert, dass sie sich so ausführlich und intensiv in die Geschichte eingearbeitet habe.

Zum Ende hin richtete auch der Thüringer Landtagsabgeordnete Maik Kowalleck einige Worte an die Anwesenden. Als Mitglied des Freundeskreises Königsberg und auch aufgrund der Kenntnis der Geschichte der eigenen Familie halte er es für besonders wichtig, die Geschichte nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Gerade mit Blick auf einen Krieg, der unfassbar viele Menschen das Leben und die Heimat gekostet hat, müsse man besonders heute für ein gemeinsames Europa einstehen um eine Wiederholung zu vermeiden. Mit einem herzlichen Dank an alle Beteiligten wurde der Abend beendet.

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