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Veranstaltungsberichte

Bildungsfragen aktuell: Das Gymnasium der Zukunft

Vortrag und Gespräch

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Am 18. März 2015 veranstaltete das Politische Bildungsforum Thüringen mit Prof. Dr. Susanne Lin-Klitzing, Professorin für Schulpädagogik an der Phillips-Universität Marburg,

einen Vortrag mit anschließendem Gespräch zu dem Thema „Bildungsfragen aktuell- Das Gymnasium der Zukunft“. Nach einleitenden Begrüßungsworten durch MdL Stefan Gruhner, der die Moderation der Veranstaltung übernahm, begann die Referentin mit ihrem Vortrag.

Bereits zu Beginn der Veranstaltung konstatierte Lin-Klitzing, dass der Nimbus des Gym-nasiums weiterhin bei einer Mehrzahl von Eltern ungebrochen sei und dass das Gymnasium als Konstante im deutschen Bildungssystem verstanden werden könne. Allerdings gibt die Referentin zu bedenken, dass neben dem Gymnasium zunehmend andere Schularten und –formen ebenfalls zum Abitur führen. Das Gymnasium habe also seine bis dahin existierende Monopolstellung und Rolle als exklusiver Anbieter des Abiturs eingebüßt. Laut Lin-Klitzing werfe sich deshalb die Frage auf, ob und inwiefern sich das Gymnasium bzw. sein Anforderungsprofil ändern müsse, um sich weiterhin in der pluralistischen „Schullandschaft“ etablieren zu können. Ferner sei damit unweigerlich die Frage betreffend der Aufgaben und Funktionen, die heute dem Abitur beigemessen werden, verknüpft. Daneben müsse auch die Rolle und Funktion, die die Schulart Gymnasium (in Zukunft) einnehmen soll, beleuchtet werden. Um diese Frage zu beantworten, verweist die Referentin darauf, dass zunächst eine Beschreibung und Bewertung der bisherigen Bestrebungen hin zu einem zentraleren Abitur in den einzelnen Bundesländern vorgenommen werden müssen. Erst danach könnten allgemeine sowie konkrete Vorschläge über den zukünftigen Umgang mit der Schulart Gymnasium und dem Bildungsgrad Abitur erfolgen und diskutiert werden.

Trotz der Tatsache, dass so viele Bundesländer wie nie zuvor über ein landeszentrales Abitur verfügen (15 von 16 Bundesländern) bestehe weiterhin der Wunsch nach einem Abitur, welches bundeszentral durchgeführt wird. Diesen Wunsch begründet Lin-Klitzing damit, dass ein bundeszentrales Abitur immer wieder stark verzerrt diskutiert werde. Demnach würden im Bestreben nach einem bundesweiten Zentralabitur seit Jahren falsche Signale gesendet. Denn die immer wieder postulierte stärkere Vergleichbarkeit der Schülerleistungen aus den verschiedenen Bundesländern, die man durch ein Bundeszentralabitur erreichen könne, sei falsch. Auch sei die Annahme, dass so die durch das Landeszentralabitur angeblich hervorgerufene Noteninflation bekämpft werden könne, nicht korrekt. Diese Annahmen würden dadurch verursacht werden, dass mit dem Begriff Zentralabitur zum einen eine deutlich höhere Zentralität, zum anderen eine bessere Vergleichbarkeit assoziiert werde, als es jedoch unter den derzeitigen bundesweiten Bedingungen geben kann. Denn das Abitur setze sich in allen Bundesländern, so Lin-Klitzing, aus 900 Punkten zusammen. 600 dieser Punkte würden in der gesamten Oberstufe erworben und lediglich 300 Punkte den Anteil des Prüfungsblockes im Abitur ausmachen. Die Referentin betont, dass aus diesem Drittelanteil der Abiturprüfungen nur die schriftlichen Prüfungen in den Bundesländern landeszentral gestellt würden. Mündliche Prüfungen nicht. Folglich könne auch ein bundesweites Abitur keine bessere Vergleichbarkeit der Schülerleistungen der einzelnen Länder hervorbringen, da 2/3 der Punkte, die für den Bildungsabschluss Abitur benötigt werden, dezentral erworben werden. Auch wenn sich die Frage der Vergleichbarkeit der Abiturnote im Hinblick auf Gerechtigkeit immer wieder stelle.

Bundesweit gültige Bildungsstandards seien unter Vergleichsgesichtspunkten stattdessen die realisierbare Antwort auf den Wunsch nach einem bundzentralen Abitur, so Lin-Klitzing. Nicht ein bundesweit zentrales Abitur. Dies sei allein schon aufgrund der in Deutschland bestehenden föderalen Strukturen nicht zu realisieren. Daher sei es bspw. unmöglich einen gemeinsamen bundesweiten Prüfungstermin zu finden, was u.a. durch unterschiedliche Ferienzeiten der Bundesländer bedingt, aber auch wirtschafts- und verkehrspolitischen Aspekten geschuldet sei.

Im Folgenden beleuchtete Lin-Klitzing die jeweiligen Ländertraditionen hinsichtlich des Zentralabiturs und spricht positive, aber auch negative Aspekte, die mit einer stärkeren Zentralisierung einhergehen, an. Positiv sei demnach, dass es durch das Zentralabitur in vielen Bundesländern zu einer merklichen Entlastung der Lehrerinnen und Lehrer gekommen sei, da diese nun nicht mehr selbst die Prüfungsaufgaben stellen. Ein weiterer positiver Aspekt, der durch das Zentralabitur zu verzeichnen gewesen sei, so die Referentin, ist dass dieses zu vermehrter Sicherheit, Planbarkeit, aber auch Eigenverantwortlichkeit der Schüler geführt habe. Dies begründet Lin-Klitzing damit, dass nicht der Lehrer oder die Lehrerin für eine schlechte Note verantwortlich gemacht werden könne, sondern dass sie dieses selbst zu verantworten haben. Diese deutlich stärkere Eigenverantwortung sei damit zu erklären, dass Abitur durch die Zentralität weitestgehend unabhängig von den Lehrern sei und die Schüler quasi gezwungen seien sich mit entsprechenden Materialien vorzubereiten. Das Zentralabitur stelle laut Lin-Klitzing ein innovatives Instrumentarium dar. Zugleich bemängelt die Referentin jedoch am Landeszentralabitur vieler Bundesländer, dass die Aufgabendirektion dazu führe dazu, dass andere Dinge, die nicht im Lehrplan vorgesehen sind, stark vernachlässigt werden. Auch stelle das Zentralabitur einerseits eine Entlastung für die Lehrer dar, andererseits gebe es kaum Mitgestaltungsmöglichkeiten für diese.

Am Ende des Vortrages verwies Lin-Klitzing noch einmal darauf, dass das Abitur heute als ein vielfältiges Zugangszertifikat für Ausbildung oder Studium betrachtet werde. Sich diese Erwartungen auch in den durch Pluralismus gekennzeichneten Angeboten, die zum Abitur führen, widerspiegeln. Diese Pluralität stelle das Gymnasium vor Herausforderungen, jedoch auch vor Chancen, die es für die Schärfung des eigenen Anforderungsprofils nutzen solle. Demnach solle die Schulform Gymnasium vor allem Akzente hinsichtlich einer vertieften Allgemeinbildung, Wissenschaftspropädeutik und allgemeinen Studierfähigkeit im Vergleich zu anderen Anbietern des Abiturs setzen. Das Gymnasium sollte seine originären Aufgaben wieder wahrnehmen und „Mut haben sich gymnasial zu gestalten“.

Im Anschluss an den Vortrag erfolgte gemeinsam mit dem Thüringer Landtagsabgeordneten Stefan Gruhner eine angeregte Diskussion, in welcher die Problematiken des Lehrerberufs, die der Schärfung des Anforderungsprofil des Gymnasiums negativ entgegen stehen, thematisiert wurden. Auch wurden der Aspekt des demografischen Wandels und seine Auswirkungen auf die Schullandschaft angesprochen. Dieser stellt demnach nicht nur eine Herausforderung für das Gymnasium dar, sondern für alle Schulformen, denn eine Profilierung könne nur erfolgen, wenn auch ausreichend Schüler vorhanden seien.

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