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Der Mindestlohn: Zwischen Teufelszeug und Heilsbringer

Dornburger Gespräch "Was die Gesellschaft zusammenhält"

Vortrag und Gespräch

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Das kontroverse Thema Mindestlohn wurde beim Dornburger Gespräch „Was unsere Gesellschaft zusammenhält“ Teil 7: diskutiert. Eva Rindfleisch, Koordinatorin für Arbeitsmarkts- und Sozialpolitik, bei der Hauptabteilung Politik und Beratung der KAS in Berlin, stellte ihre Publikationen zum Mindestlohn vor. Eva Rindfleisch stellte ihren Ausführungen voran, dass weder die großen Hoffnungen wie Beseitigung des Niedriglohnsektors noch die großen Bedenken hinsichtlich massiver Arbeitsplatzverluste, die im Zusammenhang mit der Einführung eines Mindestlohns geäußert werden, sich erfüllen würden. Der Diskussion sei voranzustellen, dass die Lohnfindung durch die Tarifpartner immer als präferiertes Modell anzusehen ist.

Bei der Ausgestaltung des Mindestlohns ist zur Vermeidung von Arbeitsplatzverlusten die Orientierung am sogenannten Gleichgewichtslohn. Nach der ökonomischen Theorie sind idealtypisch Gleichgewichtslohn und Tariflohn identisch, da der Wettbewerb automatisch den Gleichgewichts-Lohn hervorbrächte. Wäre er zu hoch, würde das Produkt unrentabel und das Unternehmen ginge insolvent, wäre er zu niedrig, würde die Arbeitnehmer nicht bereit sein, ihre

Arbeitskraft anzubieten und würden das Unternehmen wechseln. Dem steht jedoch entgegen, dass Lohnverhandlungen nicht immer Verhandlungen auf Augenhöhe sind, da weiche Standortfaktoren wie Heimatverbundenheit, besondere inhaltlich Befriedigung einer Arbeitstätigkeit in einem bestimmten Unternehmen Arbeitnehmer von einem Arbeitsplatzwechsel Abstand nehmen lassen bzw. regional/lokal hohe Arbeitslosenquoten kaum Alternativen zum bestehenden Arbeitsplatz anbieten, was die Position der Arbeitnehmer schwächt.

Die Bedeutung der gewerkschaftlichen Organisation der Arbeitnehmer ist in dieser Hinsicht ein weiterer Faktor, der auf die Verhandlungspositionen der Tarifpartner Einfluss hat. Spielräume für die Festsetzung einer Lohnuntergrenze sind in den Fällen gegeben, wenn der reale Arbeitslohn deutlich unter dem Gleichgewichtslohn. Eine Erhöhung des Lohnniveaus unterhalb des Gleichgewichtslohns wäre möglich, ohne zwangsläufig Arbeitsplätze zu gefährden. Hier wird jedoch auch die Grenze eines Mindestlohns deutlich, denn die Erreichung von sozialpolitischen Zielen ist bei Beachtung des Gleichgewichtslohns nur bedingt möglich.

An diesem Punkt kam Eva Rindfleisch auf die mögliche Höhe eines Mindestlohnes zu sprechen.

Seine Höhe muss sich dann an beschäftigungspolitischen Zielen orientieren und dürfe den Gleichgewichts-Lohn nicht übersteigen (als den Lohn, der bei Verhandlungen entstanden wäre)

Die von Gewerkschaften und verschiedenen Parteien eingebrachten Vorschläge von 7,50€, 8,33€ oder gar 8,50€ betrachtete Eva Rindfleisch als wenig zielführend, da die Politik keine allumfassende Expertise für Branchen und Regionen zur Verfügung steht. Als Grundsatz sieht Eva Rindfleisch, dass das System der Tarifautonomie nicht untergraben werden darf, so dass ein möglicher Mindestlohn sich am niedrigsten Tariflohn orientieren sollte. Dazu sei noch zu entscheiden, ob ein allgemeingültiger Mindestlohn branchenübergreifend gelten solle oder eine Ausdifferenzierung nach Region, Branche und Qualifikation in Betracht gezogen wird. Letzteres Modell hätte den Vorteil teilweise höhere Mindestlöhne ohne negative Beschäftigungseffekte einzuführen, jedoch wäre dieser sehr bürokratisch und intransparent und dadurch schwieriger durchzusetzen. Handlungsmaxime nach Eva Rindfleisch sollte sein, dass er richtet sich an die schwächsten Arbeitnehmern, der schwächsten Region, der schwächsten Branche richtet. Er soll nicht möglichst Viele treffen, sondern der Lohnfindung durch die Tarifpartner einen Rahmen „nach unten“ hin geben

Die Setzungsgewalt für einen Mindestlohn sollten insbesondere Tarifpartner besitzen, jedoch sind mittelbar Betroffene einzubeziehen, welche unter falschen Setzungen leiden müssten. So ist auch der Bund, die Bundesagentur für Arbeit, die Jobcenter, die Kommunen, die Arbeitslosen, Arbeitnehmer gefährdeter Arbeitsplätze, kleinere/neue Unternehmen sowie die „Betroffenen“ sollten in der Kommission auch vertreten sein.

In der anschließenden Diskussion vertrat der Geschäftsführer der vor Ort ansässigen Dr. Alders Tiernahrung GmbH die Auffassung, dass Mindestlöhne grundsätzlich Arbeitsplätze gefährden, auch wenn ihm bewusst ist, dass viele Löhne sehr niedrig seien und er auch in seinem Unternehmen gerne höhere Löhne zahlen würde, jedoch sich nicht von Produktivitätsbedingungen abkoppeln könnte. Viel eher sei eine Reform des Steuer- und Sozialversicherungssystems zu bevorzugen, welches vor allem niedrige Löhne entlasten könnte.

Moderator Dr. Mario Voigt MdL verwies in diesem Zusammenhang noch einmal darauf, dass das solidarische Bürgergeld ein sinnvolles Konzept zur Reform sein könnte. Viele Zuhörer begrüßten grundsätzlich höhere Löhne für ArbeitnehmerInnen, hatten jedoch grundsätzliche Zweifel an der Umsetzbarkeit und forderten von der Politik mehr Mut für Reformen.

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