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Veranstaltungsberichte

Die Schillergruft

Ein politischer Häftling in der DDR-Psychiatrie

„Mühlhäuser Gespräch“ mit Jürgen K. Hultenreich (Berlin) und Thomas Kretzschmer MdL (07. März 2007)

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In der Stadtbibliothek Mühlhausen stellte der in Berlin lebende Schriftsteller Jürgen K. Hultenreich bei einer Veranstaltung des Bildungswerks Erfurt der Konrad-Adenauer-Stiftung sein Buch „Die Schillergruft“ vor. Als Gesprächspartner wirkte der Landtagsabgeordnete Thomas Kretschmer an der Diskussion mit.

Hultenreichs Roman spielt in den 1960er Jahren in Thüringen: Hauptfigur Georg Hull unternimmt als junger Mann einen Fluchtversuch in die Bundesrepublik, wird aber an der Grenze zur Tschechoslowakei aufgegriffen und in Erfurt vor Gericht gestellt. Bei der Verhandlung gibt er an, nicht die „Klassiker“ des Marxismus-Leninismus oder sozialistische Romane zu lesen, sondern ausschließlich die Werke Friedrich Schillers. Es erfolgt eine Zwangseinweisung in die nahe Mühlhausen gelegene psychiatrische KLinik Pfafferode, wo der überwiegende Teil des Romans spielt.

In der Klinik begegnet Hull zahlreichen Insassen, die ebenfalls aus politischen Gründen zur Begutachtung oder „Therapie“ eingewiesen worden waren. Darunter befand sich ein Ausreisewilliger, der bei einem weiteren Fluchtversuch in die Bundesrepublik später erschossen wird. Ebenso trifft Hull einen früheren Wehrmachtsangehörigen, der schon seit dem Zweiten Weltkrieg in der Klinik sitzt. Ferner erlebt Hull Annäherungsversuche durch die Staatssicherheit und wird zum Opfer umstrittener Behandlungspraktiken wie Elektroschocks oder dem Einsatz gefährlicher Medikamente.

Hultenreichs Buch trägt autobiographische Züge, denn der Autor wurde selbst nach einem gescheiterten Fluchtversuch in die Psychiatrie eingewiesen. Freilich handelt es sich bei dem Buch nicht um eine Dokumentation, sondern um einen Roman, so dass die authentische Handlung mit künstlerischen Mitteln ergänzt oder verkürzt worden ist.

In der Diskussion stand die Frage im Mittelpunkt, ob es in der DDR – und ganz konkret in den drei Thüringer Bezirken – einen politischen Missbrauch der Psychiatrie gab. Während ehemalige Ärzte jener Klinik Pfafferode dies verneinten und zum Teil auf eine Enquete-Kommission des Landtages verwiesen, die freilich ein ganz anderes Thema untersuchte, meldeten sich einige Zeitzeugen, die ähnlich wie Hultenreich aus politischen Gründen zu Opfern der DDR-Psychiatrie wurden. Dennoch gibt es noch großen Forschungs- und Diskussionsbedarf zu diesem Thema.

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