Erfurter Europagespräch - Politisches Bildungsforum Thüringen
Veranstaltungsberichte
Prof. Dr. Joachim Ragnitz (stv. Direktor ifo-Institut Dresden) rekapitulierte pointiert die wirtschaftliche Transformation Ostdeutschlands
mit ihren neuralgischen Punkten (hoher Wechselkurs, schnelle Privatisierung, schnelle Einführung von Transferleistungen).
In Teilen wirkte das Vorhandensein des westdeutschen Partners, der viele in Westdeutschland erprobte Lösungen bereit hatte, lähmend auf das
kreative Potential in Ostdeutschland. Zugleich wäre in Teilen eine Anpassung der sozialen Marktwirtschaft an die Bedingungen in Ostdeutschlands wünschenswert gewesen, wenn es auch politisch schwer durchsetzbar gewesen wäre.
Der hohe Zufluss an D-Mark bewirkte die „holländische Krankheit“ in den Fünf neuen Bundesländern. Schnelle Lohnsteigerungen bewirkten zudem auch ein schnelles Ansteigen der Arbeitslosigkeit.
Dr. Tomasz Kalinowski (ehemaliger Diplomat und Dozent für Wirtschaftswissenschaften in Gdańsk, Sopot und Gdynia) verwies auf den Erfolg der so genannten „Schocktherapie“.
Die Transformation setzte Kräfte frei, die sich nun entfalten konnten, auch und gerade weil der Sprung in ganz kaltes Wasser erfolgte.
Geschichtlich ist die Erwartungshaltung gegenüber dem Staat in Polen nicht ausgeprägt, daher bestand eine viel stärkere Gründerstimmung
als in Ostdeutschland.
Die Transformation war in Polen auch von einer Suche nach institutionellen Lösungen geprägt, die neben westdeutschen Modellen auch Beispiele
wie Japan, Skandinavien oder USA und Kanada mit ins Kalkül zog.
Zugleich war Polen nicht Mitglied der EWG, die letzten sowjetischen Soldaten verließen Polen erst 1993.
Demgegenüber wurde der Plan für Wirtschaftsreformen, vielfach Balcerowicz-Plan oder Schock-Therapie genannt bereits Anfang 1990 verabschiedet und umgehend realisiert. Finanzielle Hilfen hat Polen dabei weniger benötigt: Sozialleistungen mit eingerechnet, hat Polen in den Jahren der
Transformation pro Kopf 43 Mal weniger Fördermittel erhalten, ohne die Sozialleistungen etwa 4 Mal weniger.
Kurzfristig wurde Polen von einer galoppierenden Inflation heimgesucht, die Arbeitslosigkeit wuchs schlagartig an. Heute ist die
Arbeitslosenquote in Polen wieder gesunken, wobei es regional starke Unterschiede gibt: In den großen Städten ist die Arbeitslosenquote
gering, auf dem Lande dagegen höher.
Einer der Erfolgsfaktoren der polnischen Wirtschaft ist die gut ausgebildete polnische Bevölkerung, die Polen für ausländische Investoren
attraktiv gemacht hat.
Zu den erfolgreichen Wirtschaftszweigen in Polen gehören Elektrotechnik, Autoindustrie, aber auch polnische Informatikdienstleistungen erfreuen sich auf dem Weltmarkt einer besonderen Wertschätzung.