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Veranstaltungsberichte

Europäische Freundschaft in Zeiten der Krise. Die Deutsch-Italienischen Beziehungen

Adenauer-Gespräch im Lindenhof in Gotha

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Beim traditionellen Adenauer-Gespräch im Lindenhof unter Schirmherrschaft des Thüringer Ministers für Landwirtschaft, Forsten, Umwelt und Naturschutz Jürgen Reinholz MdL waren die Deutsch-Italienischen Beziehungen Gegenstand des Abends. Botschaftsrat Enrico Valvo von der italienischen Botschaft Berlin und die Büroleiterin der Konrad-Adenauer-Stiftung in Rom Katja Christina Plate sprachen zum Thema und erörterten auch die Beziehungen zwischen Deutschen und Italienern abseits der politisch-öffentlichen Ebene und wie sich diese seit Beginn der europäischen Staatsschuldenkrise entwickelt haben.

Enrico Valvo erläuterte in seinem Vortrag die wirtschaftlichen Metadaten Italiens, welche als drittgrößte Volkswirtschaft der EU und einen mit Deutschland vergleichbaren Industriealisierungsgrad mit überaus erfolgreichen Unternehmen einen wichtigen Beitrag für das Gesamt-BIP der EU leistet. Darüber hinaus ist Deutschland wichtigster Handelspartner für Italien, dessen Volumen keine zu großen Ungleichgewichte in der Handelsbilanz aufweist. Dabei ist Italien nicht nur ein Produzent in vermeintlich klassischen Bereichen wie Lebensmittel und Mode, sondern auch wichtiger Zulieferer für die deutsche Autoindustrie. Dies geht einher mit vielen Arbeitsplätzen, die wechselseitig in beiden Ländern dadurch bestehen.

Außerdem sprach Enrico Valvo gleichfalls zu den Reformprojekten der italienischen Regierung, welche mit der Rentenreform, Schuldenbremse und intensiver Sterhinterziehungsbekämpfung über das IT-Projekt Serpico Italien auf den Konsolidierungspfad geführt haben. Auch die Reform des Justizwesens und die Beschleunigung von Zivilprozessen sei eine Aufgabe, die intensiv angegangen wird. Gleichzeitig fügte er hinzu, dass Wachtumsinstrumente immer Teil der Politik sein müssen.

Als aktuell größtes Problem beschrieb er den schwierigen Zugang italienischer Unternehmen zu Krediten und teilweise hohe Staatsfinanzierungskosten. Dennoch unterstrich Enrico Valvo, dass Italien weder Geld aus den europäischen Rettungsfonds erhalte und im Gegenteil drittgrößter Beitragszahler dafür sei. In dieser Hinsicht gibt es Irritationen über Darstellungen und Meinungen in Deutschland.

Katja Christina Plate schilderte das Deutsch-Italienische Verhältnis aus der Perspektive einer Deutschen in Italien und zitierte dazu auch aus einer Umfrage zum Verhältnis beider Völker der Deutschen Botschaft in Italien. Diese gab einerseits in vielfältiger Hinsicht ein Bild großer gegenseitiger Sympathie, andererseits auch Wiederholung nationaler Stereotype. So wurde neben der positiven gegenseitigen Attribuierung auch Eigenschaften der Mafiagesellschaft der Unorganisiertheit und Unzuverlässigkeit den Italienern zugeschrieben, während Italiener Deutsche kalt bis hart, überheblich und nach der europäischen Hegemonie strebend betrachten. Gleichwohl sind ihr auf persönlicher Ebene keine Ressentiments begegnet. Viel mehr ergebe sich eine Diskrepanz aus Medienberichterstattung und Denken der Bürger. In dieser Hinsicht ist ein typischer Reflex, den Vorwurf der Unzuverlässigkeit mit Zuschreibungen aus dem Nazi-Vokabular zu beantworten. Problematisch ist anzusehen, dass die für die Italiener schmerzhaften Reformen in den Wahlkämpfen mit antideutschen Vorwürfen verquickt wurden. Gleichzeitig ergab die Umfrage aber auch eine Sehnsucht der Italiener nach der angenommenen Effizienz der deutschen Politik und Verwaltung.

Im anschließenden Gespräch wurde auch die umstrittene Person Silvio Berlusconis und sein Einfluss auf die italienische Politik diskutiert. Katja Christina Plate führte dazu aus, dass Italiens politisches System sehr polarisiert ist, bei der lagerübergreifende Wahlentscheidungen sehr selten seien, wodurch Mitte-Rechts-Wähler neben Berlusconi kaum eine politische Alternative hätten, wenn keine linkes Votum abgegeben werden soll. Dabei fügte sie hinzu, dass Berlusconis Partei durchaus auch andere Politikerpersönlichkeiten hat, was in Deutschland nur unzureichend wahrgenommen wird. Kritik wir die von Peer Steinbrück geäußerte an Berlusconi und Verunglimpfungen würden so auch als Beleidigung der italienischen Wähler aufgenommen, was dem deutsch-italienischem Verhältnis abträglich ist. Enrico Valvo ergänzte hinsichtlich der Wahrnehmung Italiens über deutsche Mentalität und Politik, dass man häufig den Eindruck habe, dass Regeln über allen Dingen auch den Menschen stehen würden, während Italiener die Möglichkeit der Ausnahme von der Regel bei aus ihrer Sicht nachvollziehbaren Gründen nutzen würden. Dies gelte auch für die Flüchtlingspolitik, die abschließend Thema war. Selbstverständlich würde illegale Einwanderung und Schwarzmarkt verfolgt, jedoch ist die Inhaftierung und andere Zwangsmaßnahmen nicht immer zielführend. Italiens Küstenwache würde die 3.000 km Küste Italiens sehr gut überwachen, jedoch ist der Migrationsdruck nicht zu beherrschen und Hilfe der europäischen Partner notwendig, um einerseits Italien zu unterstützen und andererseits Konzepte zur Verbesserung der Lebensbedingungen in den Herkunftsländern zu entwickeln. Der Tod vieler Flüchtlinge vor Lampedusa sei leider kein Einzelereignis, sondern gerade für die knapp 600 Bewohner Lampedusas fast Alltag.

Am Ende der Diskussion regte Katja Christina Plate an, gegenseitigen Spracherwerb als auch verstärkten Jugendaustausch wie zwischen Deutschland und Frankreich zu fördern, denn gegenseitiges Kennenlernen in jungen Jahren sei das beste Mittel, um Vorurteile abzubauen, was auch Enrico Valvo zustimmend unterstrich.

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florenz daniel braun

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