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Veranstaltungsberichte

Herbstlese mit Kurt Biedenkopf - „Tagebücher 1989-1994“

Vortrag und Gespräch

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Am 25.11.2015 veranstaltete das Politische Bildungsforum Thüringen der Konrad-Adenauer-Stiftung in Kooperation mit der Erfurter Herbstlese einen Vortrag und Gesprächsabend mit Ministerpräsident a.D. Prof. Dr. Kurt Biedenkopfs zu seinen ‘Tagebüchern 1989-1994’ mit anschließendem Gespräch.

Hildigund Neubert, stellv. Vorsitzende der Konrad-Adenauer-Stiftung, eröffnete die Veranstaltung im Collegium Maius mit einer kurzen Begrüßung aller Gäste. Sie betonte hierbei die Besonderheit des Tagebuchs in der Literatur, da es immer einen persönlichen Einblick gibt und man häufig Kritik und Meinung anderer zu den teils privaten Einblicken akzeptieren muss.

Prof. Biedenkopf stellte bereits zu Beginn im Gespräch mit Henry Bernard, Landeskorrespondent Thüringen Deutschlandfunk, fest, dass dieses Tagebuch tatsächlich das Buch seiner Frau ist, denn es ist aus der Briefkorrespondenz zwischen den beiden entstanden. Besonderen Wert legte Biedenkopf auf Ehrlichkeit und veranlasste so, dass jegliche Kopien schreibgeschützt sind, um zu verhindern, dass man im Nachhinein Worte oder Gedanken verändern könnte.

Reinhard Friedrich, Erfurter Schauspieler, las zunächst einen kurzen Abschnitt aus dem Tagebuch vor und bot somit die Grundlage für das folgende Gespräch zwischen Prof. Biedenkopf und Henry Bernard. Die Idee in den Osten zu gehen Ende der Achtziger Jahre, beschäftige Prof. Biedenkopf lange und er erklärte den Zuschauern, dass “nur wenn es einem gut geht, kann man solche Gedanken fassen”. Die Menschen im Osten hatten jedoch zu dieser Zeit weitaus andere Sorgen, weshalb er es als Luxus betrachtet, solche Gedanken haben zu dürfen. Die Antwort damals und auch heute auf diese Frage war “es schien richtig zu sein”, so Prof. Biedenkopf. Zunächst galt aber keiner seiner Gedanken dem zukünftigen politischen Amt, sondern vielmehr der Aufgabe als Universitätsdozent.

Auf die Frage hin wie man die damalige DDR in die Wirtschaft einbinden könnte, antwortete Prof. Biedenkopf, dass er immer wieder feststellte, dass es in der BRD an tatsächlichem Wissen über die DDR stark mangelte. Der Wiederaufbau brauchte viele Personen und realistische Ziele und Umsetzungen. So war es von enormer Wichtigkeit, dass man die Umstellung des Privatvermögens auf die Deutsche Mark gezielt durchdachte und 1:1 umsetzte. Die BRD war bereits auf die eigene Lebenspraxis eingestellt, weshalb es schwierig war für die Bürger der BRD als auch für deren Politiker, die richtigen Fragen zu stellen.

Die erste Wahl in Sachsen 1990/91 machte Kurt Biedenkopf zum ersten frei gewählten Ministerpräsidenten des Freistaats Sachsen. Die CDU gewann mit einer klaren Mehrheit und es galt nun zu klären, wie man mit der Wiedervereinigung der beiden Teile Deutschlands fortfahren würde. Prof. Biedenkopf betonte im Gespräch, dass der Osten erst laufen lernen musste. Die freiheitliche Ordnung war für die Bürger des Ostens zunächst ein “Buch mit sieben Siegeln”, welches es ihnen zu erklären galt. Die BRD ist mit diesen Konzepten aufgewachsen, doch die Menschen der ehemaligen DDR wurden erst als Erwachsene damit konfrontiert. Prof. Biedenkopf betonte, dass er vermeiden wollte, dass eine neue Vormundschaft für sie als Orientierung galt und hoffte, die Bürger dabei unterstützen zu können sich zu befreien. Auch wirtschaftlich gab es viel zu tun, betonte Prof. Biedenkopf. Die DDR war wirtschaftlich nach Osten gerichtet und damit auch erfolgreich, jedoch nicht für offene Märkte gerüstet.

Im Gespräch mit Henry Bernard wurde ebenfalls auf den aktuellen Thüringen Monitor hingewiesen, welcher darlegt, dass 42% der Thüringer einen starken Staat wünschen und 68% die starke Hand. Prof. Biedenkopf antwortete hierauf zunächst, dass “Vater Staat” Freiheiten sichert und zuspricht, dies jedoch mit sich bringt, dass die ‘Kinder’ diese auch annehmen, so Prof. Biedenkopf.

Prof. Biedenkopf erläuterte weiterhin, dass er es sich gemeinsam mit seinen Wegbegleitern zur Aufgabe machte, eine neue Regierung hervorzubringen in einer Region, in welcher es zuvor keinen Staat in diesem Sinne gab. Es gab zwar die drei Bezirke Dresden, Chemnitz und Leipzig, jedoch fehlten jegliche Komponenten, welche einen Staat ausmachen. Seine Prognose, dass es eine Generation und demzufolge 30 Jahre, dauern wird, bis sich beide Länder vollständig vereint haben, vertritt er auch heute noch.

Im nächsten Auszug aus seinem Buch ging er ebenfalls auf die Unterschiede zwischen ihm und dem damaligen Bundeskanzler Helmut Kohl ein. Ehrlich beschrieb er, dass es manchmal zwar an Respekt mangelte, jedoch nie an der Akzeptanz seiner bislang erreichten Taten. Dies, so Prof. Biedenkopf, sei seiner Sorge geschuldet, dass das Potential der Wiedervereinigung nicht vollständig genutzt wurde. Man hätte die bestehenden Verhältnisse intensiver verändern müssen, argumentierte Prof. Biedenkopf und ging hierbei vor allem auf die Angleichung des Rentensystems ein. Prof. Biedenkopf erläuterte, dass er nach seiner ersten Amtszeit spürte, dass seine Aufgabe noch nicht vollendet war, weshalb er noch einmal kandidierte, um auch seine Partei bei dieser schwierigen Aufgabe nicht im Stich zu lassen.

Im Abschlussgespräch nahm Prof. Biedenkopf ebenfalls Bezug auf die aktuelle Flüchtlingskrise in Deutschland und mahnte, dass man sich an die Vergangenheit erinnern muss. Die europäischen Länder müssen realisieren, was sie den Ländern des Nahen Osten und Afrikas angetan haben und dass man die heutige Lage als Konsequenz dessen sehen muss, was vor 100 Jahren passierte. Die Kolonialmächte zeichneten quasi die Karte Afrikas. Prof. Biedenkopf wies hierbei vor allem auf Mali, ein Land, welches nur gerade Linien als Grenzen kennt. Auch Jordanien ist, laut Prof. Biedenkopf, ein reines Kunstprojekt. Man hätte die nordafrikanische Küste wirtschaftlich aufbauen müssen, sagte Prof. Biedenkopf. Heutzutage ist es von besonders großer Bedeutung, dass die Europäische Union sich an die Ursachen erinnert, reflektiert und agiert.

Die circa 200 Teilnehmer klatschten Beifall und unterstützten Prof. Biedenkopfs Worte und Gedanken. Der Abend endete mit vielen persönlichen Gesprächen und der Gelegenheit auch das Buch signieren zu lassen.

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