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Veranstaltungsberichte

Ist Europa eine Wertegemeinschaft?

Ettersburger Diskurs

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Zum traditionellen Ettersburger Diskurs fanden im nahezu restlos gefüllten Gewehrsaal 100 Gäste, um die spannende Debatte zum Thema „Ist Europa eine Wertegemeinschaft?“ zu verfolgen. In der vielfach von der Flüchtlingskrise beeinflussten Diskussion gab der Osteuropawissenschaftler Prof. Dr. Jörg Barberowski zu bedenken, dass die momentane Fokussierung auf die osteuropäischen Länder in ihrem vermeintlich unsolidarischen Verhalten in der Flüchtlingskrise sehr einseitig und ahistorische Kritik geübt wird. Dies habe weniger mit unterstellter „Unerfahrenheit“ in der europäischen Union zu tun, sondern sei viel mehr auch Ausdruck der historischen Erfahrung in Osteuropa erst seit Fall des Eisernen Vorhangs und Wiedererlangung politischer Souveränität von der Sowjetunion endlich selbstbestimmte nationale Politik gestalten zu können. Im Fall der Staaten Exyugoslawiens, der Baltischen Länder als auch der Slowakei kommt hinzu, dass diese erst seit zwei Jahrzehnten überhaupt unabhängig sind. Europa ist für viele dieser Gesellschaften Ausdruck nationaler Selbstbestimmung in Freiheit. Wenn nun durch die EU Vorgaben bis hin zum Druck, Flüchtlinge aufzunehmen gemacht werden, so würde dies auch in Analogie zu früherer Fremdbestimmung wahrgenommen werden, weshalb es die große Diskrepanz zur deutschen und westeuropäischen Haltung gäbe. Diese Erfahrung würde seiner Meinung nach auch Ost- und Westdeutsche unterscheiden, wo die Diktaturerfahrung in der DDR ebenfalls Widerstände hervorbringt. Dies heißt nicht, dass alle Wahrnehmungen und Auffassungen immer berechtigt sind, jedoch müsse man sie dennoch bei politischen Debatten berücksichtigen.

In der vom Direktor des Schlosses Ettersburg Dr. Peter Krause moderierten Runde sah auch der Thüringer CDU-Landes- und Fraktionsvorsitzende Mike Mohring viele Aspekte beim Umgang mit der Flüchtlingskrise sehr kritisch. So forderte er eine baldige Rückkehr zu rechtsstaatlichen Prinzipien bei Grenzübertritt und Registrierung von Flüchtlingen ein sowie die Anwendung der Abkommen auf EU-Ebene. Dies schließt natürlich die von Bundeskanzlerin Angela Merkel forcierte Sicherung der Außengrenzen und Bekämpfung der Fluchtursachen ein. Aber auch in diesem Zusammenhang sei ersichtlich, dass Probleme bei der europäischen Zusammenarbeit auch bei „Altmitgliedern“ der EU bestehen. Fakt sei jedoch, dass neben den praktischen Problemen vor Ort bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise auch die Skepsis der Bevölkerung steige, wenn scheinbar weniger wichtige Verwaltungsakte nach wie vor entsprechend den rechtsstaatlichen Regeln umgesetzt werden, jedoch die Sicherung der deutschen Grenzen und Einreisebestimmungen von Asyl- und Flüchtlingsrecht teilweise nicht mehr angewendet werden. Daraus könnten rechte Populisten ihre Propaganda speisen. Ähnlich populistisch ginge seiner Meinung nach auch die Landesregierung Thüringens vor, die die Aufblähung des Landesetats mit Flüchtlingskosten und vermeintlich ausbleibender Bundeshilfe begründet, obwohl bei Betrachtung des geplanten Landeshaushalts sehr deutlich werden, dass die Flüchtlingskosten keinesfalls Grund für die gestiegenen Ausgaben seien.

In der anschließenden Diskussion mit dem Publikum wurden viele Detailfragen gestellt, aber auch deutliche Skepsis an der aktuellen Flüchtlingspolitik geäußert.

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