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PBF Thüringen KAS

Veranstaltungsberichte

Polen nach der Parlamentswahl

Veranstaltungsbericht des Europa-Gesprächs

Polen hat am 13. Oktober 2019 gewählt und damit über die Zusammensetzung des polnischen Parlaments, bestehend aus dem Sejm und dem Senat, abgestimmt. Die Wahlen in Polen sind nicht nur für Deutschland als Polens Nachbarland, sondern für ganz Europa von großer Bedeutung – vor allem seit der umstrittenen Justizreform unter der wiedergewählten Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS). Diese steht unter Verdacht den europäischen Grundwert der Rechtsstaatlichkeit zu verletzen, weswegen Ende 2017 ein Rechtsstaatsverfahren von der EU gegen Polen eingeleitet wurde.

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Polen hat am 13. Oktober 2019 gewählt und damit über die Zusammensetzung des polnischen Parlaments, bestehend aus dem Sejm und dem Senat, abgestimmt. Die Wahlen in Polen sind nicht nur für Deutschland als Polens Nachbarland, sondern für ganz Europa von großer Bedeutung – vor allem seit der umstrittenen Justizreform unter der Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS). Diese steht unter Verdacht den europäischen Grundwert der Rechtsstaatlichkeit zu verletzen, weswegen Ende 2017 ein Rechtsstaatsverfahren von der EU gegen Polen eingeleitet wurde.

 

Aufgrund der großen Bedeutung dieses Wahlereignisses in Polen, lud das Politische Bildungsforum (PBF) Thüringen der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) zusammen mit dem Verein Weimarer Dreieck und dem Polnischen Institut Berlin am 4. November 2019 im Grand Hotel Russischer Hof in Weimar zu einem Expertengespräch zu dem Ausgang der Wahl in Polen ein. Die Eröffnung der Veranstaltung übernahmen der wissenschaftliche Mitarbeiter des PBF Thüringens der KAS, Steven Bickel, und Bernd Karwen, der als Referent für Literatur, Politik und Geschichte in der Filiale Leipzig des Polnischen Instituts tätig ist. Anschließend führte die polnische Politologin Dr. Agnieszka Łada, die auch jährlich das Deutsch-Polnische Barometer in Zusammenarbeit mit der KAS verfasst, das Publikum in die Ergebnisse der Wahlen ein und erklärte die Hintergründe und Tragweite dieser Ergebnisse.

 

In ihrem Überblick der zur Wahl angetretenen Parteien und deren Zielsetzungen vor der Wahl, stellte Dr. Łada fest, dass alle Parteien außer der Bürgerkoalition (KO) diese Zielsetzungen erreicht hätten. Die PiS hat es geschafft an der Macht zu bleiben, die Bauernpartei und die Linke Allianz (SLD) haben den Einzug in das Parlament geschafft ebenso wie die ultra-rechte Partei Konfederacja, die sich durch den Einzug in den Sejm als Partei etablieren konnte. Dr. Łada erläuterte auch, dass nur fünf Sitze der PiS im Sejm, der ersten Kammer des polnischen Parlaments, die Mehrheit sichern und sich die Partei damit im Vergleich zur vorherigen Legislaturperiode nicht verbessert hat und darüber hinaus ihre Mehrheit im Senat, der zweiten Kammer, verloren hat. Laut Dr. Łada ist es der PiS dadurch nicht mehr möglich Gesetzesänderungen im Schnelldurchlauf durch das Parlament zu bringen, da die Opposition nun mehr Möglichkeiten hat neue Gesetzesvorschläge zu blockieren. Nach Dr. Ładas Vortrag zu der Situation in Polen, setzte der Referent für Ostmitteleuropa der europäischen und internationalen Zusammenarbeit in der KAS, Philipp Huchel, die Wahlen in Polen in einen europäischen Kontext. In Bezug auf Polens Beziehung mit der EU, hält er zwei Strategien der PiS für möglich. Entweder schlägt die polnische Regierungspartei einen konzilianteren, zurückhaltenden Kurs vis-à-vis der EU ein, der sich auf pragmatische Zusammenarbeit in Bereichen der gegenseitigen Übereinstimmung konzentriert. Das würde die größtenteils pro-europäisch eingestellte polnische Bevölkerung zufriedenstellen und könnte unter der neuen Kommissionspräsidentin, Ursula von der Leyen, die Polen gegenüber sehr pragmatisch eingestellt ist, auch möglich sein. Die andere Möglichkeit ist ein konfrontativer Kurs Polens gegenüber der EU, der durch die Ankündigung der PiS die umstrittene Justizreform zu „vollenden“ immer wahrscheinlicher wird.

Nach den Vorträgen der Experten, moderierte der Vorstandsvorsitzende des Vereins Weimarer Dreieck, Dieter Hackmann, ein Gespräch zwischen den beiden. Dabei sprach er sie auf die, von der Opposition als Wahlgeschenke kritisierten, umfangreichen Sozialleistungen unter der PiS Regierung an. Laut Dr. Łada war die Finanzierbarkeit dieser Maßnahmen nur auf die bisherig gute aber mittlerweile geschwächte wirtschaftliche Konjunktur, die Anti-Steuerbetrug Maßnahmen der vorherigen KO Regierung, die erst in der PiS Regierung ihre Früchte in Form von höheren Steuereinnahmen trugen, und auf die starke Abwanderungsrate der Bevölkerung in andere EU-Länder zurückzuführen. Sie hielt fest, dass diese Gründe in der kommenden Legislaturperiode nicht mehr ausreichen werden um die umfangreichen Wahlversprechen der PiS zu finanzieren. Auffallend sei auch, dass die PiS neue und hohe Sozialleistungen oft direkt vor Wahlen ausgibt, beispielsweise eine Einmalzahlung an Polens Rentner im Mai direkt vor den Europawahlen, was als ein Versuch sich Wähler durch Wahlgeschenke zu ‚kaufen‘ gewertet werden könne. Im Verlauf des Expertengesprächs erläuterten die Referenten auch wie die PiS den Konflikt zwischen den ihnen vorgeworfenen Verletzungen europäischer Grundwerte, wie der Rechtstaatlichkeit und Minderheitenrechte, und der größtenteils pro-europäischen Bevölkerung ihres Landes rechtfertigen (mehr dazu in Dr. Ładas KAS-Publikation). Laut den Experten rechtfertigt die PiS solche Konflikte rhetorisch dadurch, dass die Regierungen Polens die wahren (christlichen) europäischen Werte vertritt und verteidigt und somit die im Artikel 2 des EU-Vertrags festgelegten europäischen Grundwerte auf ihre Weise vertreten – auch wenn andere EU Staaten ihnen vorwerfen diese zu missachten.

 

Abschließend beantworteten Dr. Łada und Herr Huchel noch einige Publikumsfragen, z.B. bezüglich der von Polen geforderten Reparationszahlungen von Deutschland, die Dr. Łada als Strategie der Ablenkung von anderen Themen, die die PiS aus der öffentlichen Debatte verdrängen möchte, interpretiert. Auch die politische Rolle der katholischen Kirche war Fokus einer Frage aus dem Publikum. Dr. Łada spricht in dem Zusammenhang von einer zunehmenden Politisierung der Kirche in Polen, oftmals in Form von PiS-nahen Kirchen aber auch in Form von oppositionell und progressiv eingestellten Kirchen.

 

Alles in allem, gewährte die Veranstaltung den Gästen einen fundierten Einblick sowohl in die politische und gesellschaftliche Situation in Polen als auch in die Beziehung Polens zu Deutschland und der EU. Das PBF Thüringen der KAS beschäftigt sich auch weiterhin mit Deutschlands Beziehung zu seinen Nachbarländern und lädt alle Interessierten zu dem Europagespräch „Deutschland und seine Nachbarn – beidseitige Wahrnehmung und Perspektiven. Heute im Fokus: Österreich“ am 18. November 2019 in Erfurt ein. Bei dieser Veranstaltung wird unter anderem der österreichische Botschafter in Deutschland, S. E. Dr. Peter Huber, über die nachbarschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland und Österreich sprechen.

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