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Veranstaltungsberichte

Realitätsverweigerung? Der Islam als Herausforderung für Staat und Gesellschaft

von Maja Eib
Ettersburger Diskurs. Zur gesellschaftlichen Situation der Zeit.

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Am 15.11.2016 fand der „Ettersburger Diskurs - Zur gesellschaftlichen Situation der Zeit“ mit dem Thema „Realitätsverweigerung? Der Islam als Herausforderung für Staat und Gesellschaft“ statt. Das politische Bildungsforum Thüringen der Konrad- Adenauer- Stiftung e.V lud in Kooperation mit der Stiftung Schloss Ettersburg unter der Schirmherrschaft von Mike Mohring (MdL) Dr. Necla Kelec, Soziologin und Vorstandsmitglied von Terre des Femmes als Referentin und Gesprächspartnerin ein. Die Moderation des Gesprächs übernahm Dr. Peter Krause, Direktor von Schloss Ettersburg. Nach einem einleitenden Grußwort seitens Maja Eib, Leiterin des Politischen Bildungsforums Thüringen der Konrad- Adenauer-Stiftung, begann die Veranstaltung mit einem Vortrag von Dr. Kelec.

Familie als Mikrokosmos und Fundament im Islam

Innerhalb ihres Vortrags beschrieb Dr. Kelec ihre eigenen Erfahrungen aus der Kindheit in der Türkei und den dort erlebten Alltag. Das Tragen eines Kopftuchs gehörte in den 60ger Jahren eher zur Ausnahme, man lebte seine Religiosität nicht in der Öffentlichkeit aus. Der Staat habe die Religion viel mehr „in seine Schranken verwiesen“, als es heute der Fall sei. Es sei wichtig zu verstehen, so Kelec, dass die Familie als Mikrokosmos das Fundament in einer muslimischen Gesellschaft gelte – eine Art Staat im Staat mit einer eigenen Hierarchie und zugeordneten Rollen, geregelt im Koran und der Scharia. Weder Sunniten noch Schiiten seien demnach säkular ausgerichtet. Ein wichtiger Aspekt sei, dass die Imame in den Moscheen vor Ort volle Handhabung über die Ausübung und Interpretation des Familienrechts hätten. Die Herausforderung läge darin, Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit zu bieten einen eigenen Willen zu entwickeln. Es müsse sich eine Toleranz innerhalb der muslimischen Gemeinschaft etablieren, die Gesinnungsfreiheit des Einzelnen auch anzuerkennen. Gerade Mädchen und Frauen werde die Mündigkeit im Islam abgesprochen, daher müsse man sie auf ihrem Weg begleiten und bestärken.

„Ich darf denken, Ich darf glauben“

In der sich anschließenden Podiumsdiskussion machte Dr. Kelec deutlich, dass Integration Freiheit bedeute und die Politik teilweise die Ziele verfehle, indem sie mit konservativen Islamverbänden zusammenarbeite welche zum einen nur einen Bruchteil der hier lebenden Muslime vertrete und zum anderen einer Integration in die westliche Kultur eher ablehnend gegenüber stünden. Mike Mohring nannte in diesem Zusammenhang die gesamte Debatte und den Umgang mit dem Thema Islam als „verkrampft“ und nicht rational. Gerade die Erwartungshaltung der Deutschen gegenüber Muslimen erschwere einen sachlichen Dialog. Die Illusion eines angepassten, europäischen Islams lasse sich nicht einfach so realisieren. Im Umgang mit Migranten und Flüchtlingen müsse man darauf achten, sie sich nicht selbst zu überlassen in ihrer Religiosität. Es dürfe nach Mohring auch keinen sogenannten „kulturellen Rabatt“ hinsichtlich kontroverser Themen wie Vielehe oder Kinderehen geben- klare gesetzliche Linien müssten ein Miteinander definieren.

„Falsche Toleranz“

Angesprochen auf eine Toleranzgrenze in Bezug auf die Frauenrechte im Islam machte Dr. Kelec deutlich, dass gerade europäische Gesellschaften sich selbst hart kritisierten und den Umgang mit Minderheiten in ihrem Land, sich aber schwer tun würden auch die Fehler bei kontroversen Lebensweisen aufzuzeigen. Gerade die Rechte der Frauen und die Kinderehe im Islam seien Punkte, bei denen eine Toleranzgrenze in westlichen Gesellschaften überschritten werde. Viel zu oft werde aber weggesehen und damit eine „falsche Toleranz“ gelebt. Gerade westliche Gesellschaften stünden an dem Punkt der kulturellen Selbstaufgabe, so Kelec. Ein weiterer Punkt sei, laut Mohring, dass man verlernt habe Debatten zu führen und seine Standpunkte klar zu vertreten- viel zu schnell würden Kompromisse gemacht werden. Im Hinblick auf die Flüchtlingskrise und die Migrationswelle im Herbst 2015 verdeutlichte Mohring, dass die Menschen von der Politik eine Herstellung der Ordnung erwarteten.

Im weiteren Verlauf der Veranstaltung wurde das Gespräch für Fragen aus dem Publikum geöffnet, Anmerkungen zur Kinderehe und dem scheinbar fehlenden gesetzlichen Rahmen hierzu wurden geäußert, sowie Fragen gestellt über den Koran und der Einfluss von Moscheen auf Gläubige in Deutschland. Kelec mahnte hierzu an, dass Deutschland diesen Einfluss viel zu sehr unterschätze. Ideologien und Sichtweisen würden innerhalb von Moscheen leicht und schnell verbreitet werden. Auch wurde die Frage gestellt, ob es überhaupt möglich sei einen säkularen Islam zu etablieren. Dr. Kelec nannte diesbezüglich mögliche Vorgehensweisen, so könne der Staat durchaus die Religion in den privaten Raum „verbannen“, es müssten ebenfalls innerhalb des Islams Reformen realisiert werden. Allerdings stellte Kelec klar, dass ihrer Meinung nach der Islam zusammenbreche, sobald die individuelle Freiheit den Individuen in der muslimischen Welt zugesprochen werde.

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