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Veranstaltungsberichte

Thüringer Persönlichkeiten: Vordenker und Gestalter des modernen Bildungswesens

Das Seminar "Thüringer Persönlichkeiten: Vordenker und Gestalter des modernen Bildungswesens" bot sowohl für interessierte Bürgerinnen und Bürger, aber auch für aktive und ehemalige Pädagogen die Möglichkeit, sich differenziert und kritisch mit ausgewählten Vordenkern und Gestaltern (u.a. Friedrich Wilhelm August Fröbel und Johann Christoph Friedrich GutsMuth,Christian Gotthilf Salzmann,etc.)des modernen Bildungswesens auseinanderzusetzen.Hierzu richtete das PBF-Thüringen der KAS ein Seminar vom 24. April bis 26. April 2015 in Bad Liebenstein aus.

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Die Historie der Schulentwicklung und die Modernisierung des Bildungswesens

Den inhaltlichen Auftakt des Seminarwochenendes bereitete Prof. Dr. Jürgen Oelkers, emeritierter Professor für Allgemeine Pädagogik an der Universität Zürich, mit seinem Vortrag und Gespräch zum Thema: „Regionale Schulentwicklung und die Modernisierung des Bildungswesens“. Historisch gesehen habe die Reformation der Schulentwicklung einen Schub gegeben, da der Anspruch entstanden war, dass jeder Mensch die Bibel lesen können solle. Dieser Prozess war jedoch sehr langwierig und verselbstständigte sich von der Reformation. Elementare Bildung war lange eine Sache der Kirche, jedoch war das System der Elementarschulen „arm, borniert und weitgehend lernunfähig.“

Erst durch die beginnende Verstaatlichung des Schulwesens im 19. Jahrhundert änderte sich dies. Grundlegend waren die damit einhergegangen Verbesserungen, wie feste Schulbudgets, eine verbesserte Lehrerausbildung und der allmähliche Aufbau einer eigenen Schulaufsicht. Die Schulentwicklung sei dennoch nicht durch zentralstaatliche Impulse vorangetrieben worden, sondern wurde durch lokale Akteure geprägt.

Mit einem Blick auf die Schweiz versuchte Prof. Dr. Oelkers allgemein gültige Erfolgskriterien für Schulentwicklung zu definieren. So sei durch das Volksschulgesetz von 1832 ein kleiner staatlicher Rahmen gegeben worden, der ein hohes Maß an lokaler Autonomie ermöglichte. Dies sei auch ein Vorbild für heute. Man könne nicht auf ministerialer Ebene Schulentwicklung vorantreiben. Ob Neuerungen umgesetzt werden, hängt immer von den Akteuren vor Ort ab. Daher sei es wichtig, diesen Raum für Schulentwicklung zu geben.

Die Idee des Kindergartens - ein Weltkulturerbe

Am Abend folgte im Palais Weimar der Stadt- und Kurbibliothek Bad Liebenstein der Vortrag: „175 Jahre Kindergarten: Friedrich Wilhelm August Fröbels Idee von Kindheit – Ein Weltkulturerbe?“ von Dr. Matthias Brodbeck mit anschließender Podiumsdiskussion.

Dr. Brodbeck plädierte in seinem Impulsvortrag für eine Aufnahme der Idee des Kindergartens in das Weltkulturerbe.

Er skizzierte Stationen des Lebens von Fröbel nach und betonte die Aktualität der Pädagogik des „Erfinders“ des Kindergartens. Seine Spielgaben und Beschäftigungsmaterialien haben nichts an ihrem pädagogischem Wert und ihrer Attraktivität verloren. Dies wurde durch die anwesenden Kinder-gärtnerinnen des Fröbel-Kindergartens in Schweina bekräftigt. Die Kinder spielen nicht nur begeistert mit den Materialien, sondern hätten auch Spaß am wöchentlichen Aufräumen. Dr. Michael Brodführer, Bürgermeister der Stadt Bad Liebenstein, lobte die Arbeit des Kindergartens und bedankte sich für die Aktivitäten im Rahmen der Fröbel-Woche.

Er wies allerdings auch daraufhin, welche finanziellen Belastungen für Kommunen mit der Unterhaltung von Kindertagesstätten verbunden sind.

Dr. Brodführer machte jedoch klar, dass die Stadt Bad Liebenstein die Investition in diesem Bereich als sinnvoll und notwendig erachtet.

Prof. Dr. Oelkers wies auf den Widerspruch hin, dass es einerseits allgemeiner Konsens sei, dass vor allem der frühkindlichen Erziehung große Bedeutung beigemessen wird. Andererseits ist es in Deutschland der einzige Bildungsbereich der kostenpflichtig ist.

Er kritisierte in diesem Zusammenhang die Ungleichverteilung von Steuereinahmen und Aufgaben von Bund, Ländern und Kommunen und sprach sich für ein Modell analog der Schweiz aus, in der die Steuereinnahmen je zu einem Drittel auf die staatlichen Ebenen verteilt werden.

Marcus Malsch, Mitglied des Thüringer Landtages, dämpfte vor dem Hintergrund der hohen Belastungen der Kommunen die Hoffnungen auf ein gebührenfreies Kindergartenjahr. Zwar sei dies wünschenswert, jedoch muss die Finanzierung ausgewogen sein. Er möchte nicht, dass die Kosten am Ende auf der Kommune hängen bleiben und somit gegebenenfalls mit Mehrbelastungen der Eltern einhergehen könnten.

Pfarrer im Ruhestand, Christoph Martin Neumann, blickte euphorisch auf die Aktionen mit den Kindern im Rahmen der Fröbel-Woche zurück. Er verstand es, die Podiumsdiskussion launig zu moderieren. Dabei lockerte er die Atmosphäre durch das gemeinsame Singen des Fröbel-Liedes auf.

Friedrich Wilhelm August Fröbel und sein Einfluss auf die Moderne

Am Samstagvormittag referierte Dr. Brodbeck über „Friedrich Wilhelm August Fröbel und die Moderne“. Die Spielgaben und Beschäftigungsmaterialien des „Erfinders“ des Kindergartens seien eine Inspiration für zahlreiche Künstler und Architekten gewesen.

Der Architekt Frank Lloyd Wright beschrieb diesen Einfluss in seiner Autobiographie. Aus Dankbarkeit wollte Walter Gropius ein Friedrich-Fröbel-Haus in Bad Liebenstein bauen.

Anhand von Gegenüberstellungen zeigte Dr. Brodbeck mögliche Anlehnungen moderner Künstler an die Materialien Fröbels. Neben der inspirierenden Wirkung Fröbels, sei dieser auch ein Wegbereiter der Emanzipation der Frauen gewesen. Hier ist die Schaffung des Berufs der Kindergärtnerin hervorzuheben. Die in der heutigen Bildungswelt oft verwendeten Begriffe der Selbsttätigkeit und Ganzheitlichkeit fanden bereits in der Pädagogik Fröbels ihre Anwendung.

Erkundung des Fröbel Rundwanderwegs

Im Anschluss an den Vortrag führte Dr. Brodbeck die Teilnehmer zu ausgewählten Stationen des Fröbel Rundwanderweges. Zunächst ging es zur Fröbelsruh‘. Hierbei handelt es sich um den ersten Grabstein Fröbels, der später an seinen heutigen Standort umgesetzt wurde. Dorthin wo Fröbel den wunderbaren Blick in das Werratal genossen hat. Anschließend ging es zum Marienthaler Schlösschen. 1850 hatte Fröbel hier die erste Kindergärtnerinnenschule der Welt gegründet.

Die nächste Station war der Schweinaer Friedhof. Hier fand Fröbel seine letzte Ruhe. Genau wie bei seinem ersten Grabstein dienten die Motive „Kugel-Walze-Würfel“ als Vorlage. Die Exkursion endete im Park Altenstein. Das hiesige Schloss befindet sich in Wiederherstellungsarbeiten.

Anschließend fuhren die Teilnehmer nach Schnepfenthal, wo sie im Betsaal des Salzmann-Gymnasiums von Schulleiter Dirk Schmidt begrüßt wurden. Dieser nutzte die Gelegenheit, um seine Schule vorzustellen.

Der Philanthropismus und seine fundamentalen Neuerungen

Es folgte der Vortrag von Prof. Dr. Jens Brachmann, Professor für Allgemeine Pädagogik und Historische Wissenschaftsforschung an der Universität Rostock: „Christian Gotthilf Salzmann – Seelsorger, Erziehungspraktiker, Schulgründer und pädagogische Unternehmer“.

Bevor Prof. Dr. Brachmann in seinen eigentlichen Vortrag einstieg, sensibilisierte er die Teilnehmer dafür, dass historische Betrachtungen immer den Einflüssen der jeweiligen Gegenwart unterliegen und dass die jeweiligen Lebensbedingungen der Vergangenheit nicht miterlebt wurden. Dies müsse man sich immer in Erinnerung rufen.

Zunächst führte Prof. Dr. Brachmann kurz in die Thematik des Philanthropismus ein. Fundamentale Neuerungen dieser Richtung waren die religiöse Toleranz und Menschenfreundschaft sowie die Berücksichtigung der Bedürfnisse der Heranwachsenden. Damit gingen Reformen des Unterrichts und didaktische Innovationen einher. Der Philanthropismus war kurzfristig wirkungsmächtig, jedoch einflusslos, da er zunehmend ausschließlich pädagogisch verstanden wurde. Durch seinen Wechsel an das Philanthropinum in Dessau, geriet Salzmann in Kontakt zu den Philanthropen.

Er blieb jedoch in Dessau vor allem Seelsorger und distanzierte sich von der Einrichtung und ihrem Gründer Basedow. Stattdessen entschloss sich Salzmann 1784 in Schnepfenthal eine eigene Erziehungsanstalt zu gründen. Hier entstand kein klassisches Internat, sondern eine patriarchal geführte Erziehungsfamilie. Die Pädagogik Salzmanns war auf eine Achtung des Zöglings ausgerichtet. Erziehung hatte den Vorrang vor Bildung.

Durch das Erlernen moderner Fremdsprachen sollten sich die Schüler im Bürgertum bewähren können. Aus dieser Schicht stammte der überwiegende Teil der Schülerschaft, die im Laufe von Salzmanns Wirken stetig größer wurde.

Der Letzte der Philanthropen - Johann Christoph Friedrich GutsMuths

Am Sonntag referierte Prof. Dr. Brachmann über „Johann Christoph Friedrich GutsMuths - ,Der Letzte der Philanthropen‘: Schulpraktiker, Fachdidaktiker, Publizist, Herausgeber und Begründer der modernen Leibeserziehung“. GutsMuths studierte in Halle und wurde in dieser Zeit von F.W. Ritter gefördert. Nach dessen Tod begleitete GutsMuths die Söhne Ritters nach Schnepfenthal. Vom ersten Moment an war er von der dortigen Schule und ihrem Leiter, Salzmann, begeistert, weshalb er sich zum Bleiben entschied.

Er publizierte zahlreiche Werke auf den Gebieten Geographie, Natur- und Heimatkunde sowie Technologie. Auch allgemein pädagogische Werke und Zeitschriften verfasste GutsMuths. An der Editionsgeschichte seiner drei Zeitschriften lässt sich der Übergang vom pädagogischen zum schulpädagogischen Jahrhundert in der pädagogischen Kommunikationskultur dokumentieren. Er schuf einen Diskursraum zur Stabilisierung der professionellen Identität von Schulmännern. Somit war GutsMuths ein Wegbereiter zu einer sich entwickelnden Unterrichtswissenschaft. Sein Wirken geht also weit über das des Begründers der modernen Leibeserziehung hinaus, wenngleich er auch in diesem Bereich Maßstäbe setzte.

GutsMuths sah den Zerfall des Körpers durch Geistesanstrengung bei gleichzeitiger Leibesruhe. Er wollte mit einer physischen Erziehung präventiv gegen Krankheiten wirken. Dazu sammelte er zahlreiche Bewegungsübungen und Spielformen und publizierte diese.

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