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Veranstaltungsberichte

Transatlantischer Dialog

von Markus Ruschke, Daniel Braun
Teil 10: Familie, Vereine, Gemeinde - Was unsere Gesellschaft zusammenhält

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Am 20. Juni 2012 begrüßte der Tagungsleiter Daniel Braun im Namen der Veranstalter, dem US-Generalkonsulat Leipzig und der Konrad-Adenauer-Stiftung, zahlreiche Gäste zum zehnten Transatlantischen Dialog in der Kleinen Synagoge Erfurt. Nachdem bereits zentrale gesellschaftspolitische Themen wie, Gesundheits-, Sozial-, Bildungs- oder auch Wirtschaftspolitik im Mittelpunkt der Veranstaltungsreihe standen, drehte sich das Thema diesmal um die kleinsten sozialen Einheiten einer Gesellschaft. "Familie, Vereine, Gemeinde - Was unsere Gesellschaft zusammenhält" sollte einen Blick auf das gesellschaftliche Zusammenleben in den USA und Deutschland werfen sowie Unterschiede herausstellen.

Nachdem die Gäste und das Thema der Veranstaltung durch den Tagungsleiter Daniel Braun vorgestellt wurden, wurde noch einmal auf die neue Adresse des Bildungswerks in der Andreasstraße 37b hingewiesen. Im Anschluss daran betrat die Konsulin für öffentliche Angelegenheiten am US-Generalkonsulat Leipzig Teta Moehs das Rednerpult. Die gebürtige Frankfurterin, deren Vater Amerikaner ist, wuchs in einem kleinen Skiort in den USA auf. Dabei lernte sie, dass dem Gemeindeleben in den USA eine besondere Rolle zukommt. Denn dadurch, dass die staatlichen Leistungen, sowohl finanziell, als auch materiell im Gegensatz zu Deutschland sehr gering sind, spielen die sozialen Beziehungen in der Familie, der Nachbarschaft und den Vereinen eine bedeutende Rolle. Wobei es einen Unterschied macht, ob man auf dem Land oder in der Stadt lebt.

Gegenseitige Unterstützung und ehrenamtliches Engagement gehören genauso zum amerikanischen Selbstverständnis dazu, wie Spendenbereitschaft, Selbstverantwortung und Selbstverwirklichung. Der amerikanische Bürger möchte nicht durch irgendwelche Institutionen bevormundet werden, sondern frei entscheiden und handeln können. Dies sei der Historie geschuldet, führte Moehs weiter aus. Dieser Drang nach Freiheit und Selbstverwirklichung wird deutlich an der Westwanderung der amerikanischen Bevölkerung im 19. Jahrhundert. Dadurch, dass in den neu erschlossenen Gebieten eine moderne Infrastruktur fehlte, war die Bevölkerung auf sich allein gestellt, war aber auch frei und unabhängig. Einen kontrollierenden und regulierenden Staat gab es nicht. Damit erlangte der gesellschaftliche Zusammenhalt immer mehr an Bedeutung, der es darüber hinaus Immigranten auch erleichterte sich in die Gesellschaft zu integrieren. Allerdings, so Moehs, gehe dieser Trend, wie in der gesamten westlichen Welt zurück. Beispielhaft dafür sind die weniger geschlossenen Ehen, die steigenden Scheidungsraten und die in nicht-ehelichen-Verhältnissen lebenden Menschen.

Die amerikanische Vereinskultur wird vor allem durch die Sport- und Interessensvereine der Schulen und Universitäten bestimmt. Vor allem historische Vereine sind weit verbreitet. Politische Vereinigungen bzw. die Mitgliedschaft in Parteien ist hingegen eher die Ausnahme. Auch hier drückt sich der Freiheitsgedanke aus. Die Bürger wollen frei und unabhängig sein und sich nicht frühzeitig bzw. langfristig festlegen, welchen Standpunkt sie präferieren.

Im Gegensatz dazu bilden auch Religionsgemeinschaften eine wichtige gesellschaftliche Instanz. Fünzig Prozent der amerikanischen Bevölkerung gehen regelmäßig zum Gottesdienst. Die Bedeutung dieser Institutionen für die Bürger zeigt sich durch ein großes Engagement der Mitglieder und einer hohen Spendenbereitschaft. Zum Schluss ihres Vortrags machte Moehs das ehrenamtliche Engagement der Amerikaner anhand von Zahlen deutlich. Demnach investiert ein Amerikaner durchschnittlich fünfzig Stunden und 700 Euro im Jahr für wohltätige Vereine und Religionsgemeinschaften.

Als nächstes sprach der Thüringer Landesbeauftragte für das Zusammenleben der Generationen Michael Panse. Zu Beginn betonte Panse, dass die Familie eine Generationenbeziehung sei, die in den letzten Jahren jedoch immer mehr in den Hintergrund gerückt ist. Das Vereinsleben habe im Gegenzug mehr an Bedeutung gewonnen. Denn Vereine bringen Menschen mit gemeinsamen Interessen und Zielen zusammen und prägen immer mehr die Gesellschaft. Das gelingt dadurch, dass sie als Bindeglied in den familären Beziehungen fungieren und soziale Beziehungen fördern.

Im Anschluss stellte Panse das deutsche Staatsverständnis dem amerikanischen gegenüber, mit der Frage was der Einzelene vom Staat erwartet. Nachdem Panse kurz die klassischen Staatsverständnisse von Hegel und Hobbes skizzierte, merkte er an, dass die Aufgabe des Staates sein soll die unterschiedlichen Interessen einer Gesellschaft in Einklang zu bringen. Außerdem müsse der Staat für einen sozialen Ausgleich sorgen. Diesen Ausgleich versucht das politische System in Deutschland mit der sozialen Marktwirtschaft zu erreichen. Am Ende stellte Panse die Frage in den Raum, wie viel Staat eine Gesellschaft verträgt. Sollte sich der Staat mehr zurücknehmen oder mehr regelnd eingreifen?

Im darauffolgenden Podiumsgespräch, das von Karsten Jauch von der Thüringer Allgemeinen geleitet wurde, wurden die Unterschiede im Gesellschaftsleben in den USA und Deutschland noch einmal detailliert angesprochen. So stellte sich heraus, dass die amerikanische Gesellschaft bei der Frage nach der Grenze der staatlichen Vorsorge zwar tief gespalten ist, die Meinungen jedoch nicht sehr weit auseinander gehen. Panse wies im Gegensatz dazu darauf hin, dass der Begriff der Daseinsvorsorge dynamisch ist und im gesellschaftlichen Diskussionsprozess immer wieder neu definiert werden muss. Allerdings dürfte das nicht dazu führen, dass die geforderten staatlichen Leistungen irgendwann nicht mehr erwirtschaftet werden können. Daran anschließend machte Moehs deutlich, dass in den USA das Grundprinzip herrscht, dass jeder seinen Lohn erarbeitet und frei entscheiden kann, was er damit anstellt. Vor allem die Wirtschaft soll leisten, was der Staat nicht leisten kann, da durch sie vieles effizienter bewältigt wird, als durch staatliche Hand. Danach wurde das fehelende ehrenamtliche Engagement in Deutschland noch einmal thematisiert. Was in den USA eine Charakterfrage ist, stößt in Deutschland vor allem auf Seiten der Arbeitgeber auf Probleme. Als Beispiel wurde das ehrenamtliche Engagement in einer freiwilligen Feuerwehr angeführt. Schließlich wird sich ein Arbeitgeber zwei Mal überlegen, ob er jemanden einstellt, den er aufgrund seines Ehrenamtes mehrfach freistellen müsste.

Zum Schluss stellte das überaus interessierte Publikum noch mehrere Fragen, vor allem zu den unterschiedlichen Finanzierungsmodellen von öffentlichen Einrichtungen in den USA. Hier wurde vor allem nach der Finanzierbarkeit von Schulen, Kindergartenplätzen, Theatern und Museen gefragt. Die Konsulin verwies auf ihre vorhergehenden Ausführungen, dass diese Einrichtungen zum Großteil privat getragen und mit Hilfe ehrenamtlicher Mitarbeiter betrieben werden können.

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