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Und wo warst du? 30 Jahre Mauerfall

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„Und wo warst du?“ – eine Frage, die den meisten Deutschen, insbesondere den Ostdeutschen, wohl schon öfters gestellt wurde. Die Frage bezieht sich darauf, wo man zum Zeitpunkt des Mauerfalls am 9. November 1989 gerade war. Aber, abgesehen von dem momentanen Aufenthaltsort, offenbaren sich in den Antworten auf diese Frage oft ganze Lebensgeschichten und die unterschiedlichen Gefühle, die mit dem Mauerfall und der Wiedervereinigung einhergingen – von existentiellen Ängsten zu größter Euphorie. Genau darum geht es in dem von Freya Klier herausgegebenen Buch „Und wo warst du? – 30 Jahre Mauerfall“.

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In dem Buch schreibt Klier nicht nur über ihre eigenen Erfahrungen in der DDR, sondern sammelt in einer Reihe von Beiträgen auch die Eindrücke von anderen Ost- und Westdeutschen. Dank den unterschiedlichsten Biographien und Bezügen zur DDR, dem Mauerfall und der deutschen Wiedervereinigung seitens der mitwirkenden Autoren, erzählt das Buch eine facettenreiche Geschichte der deutsch-deutschen Erfahrungen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts.
 

Am 1. Oktober 2019 veranstaltete das Politische Bildungsforum Thüringen eine Lesung des im August 2019 herausgegeben Buches in der Friedrich-Schiller-Universität in Jena mit einer anschließenden Podiumsdiskussion. Dort las nicht nur Freya Klier selbst einen Ausschnitt aus dem Buch vor, sondern auch der ehemalige Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz und Thüringen und ehemaliger Vorsitzender der KAS, Prof. Dr. Bernhard Vogel, welcher selbst einen Beitrag für das Buch verfasst hatte. Nach den einleitenden Worten von Daniel Braun, dem kommissarischen Leiter des Politischen Bildungsforums Thüringen der KAS, las Freya Klier von ihrem Einsatz gegen die Verharmlosung des Reaktorunfall in Tschernobyl und dessen Folgen in der DDR, von ihrem Berufsverbot nach jahrelangem Engagement als Bürgerrechtlerin und schließlich von ihrer Ausbürgerung aus der DDR vor. Entgegen den allgemeinen Erwartungen, vermerkte Bernhard Vogel am Leserpult, dass niemand ihm vorgeschrieben habe seinen eigenen Beitrag zum Buch vorzulesen. Stattdessen las er das von Düzen Tekkal verfasste Kapitel, in dem die in Westdeutschland geborene, jesidisch-kurdische Autorin und Regisseurin von dem tiefen Eindruck, den der Fall der Mauer bei ihr als Kind hinterlassen hat, berichtet. Die Bedeutung dieses Ereignis für eine Elfjährige aus Westdeutschland, erklärt sie nicht zuletzt durch die Solidarität im ‚Anders-sein‘, die sie mit den neuen Mitschülern, die nach dem Fall der Mauer von Osten nach Westen zogen, verband und maßgeblich ihre weitere Lebensgeschichte beeinflusste.
 

Nach den Lesungen, folgte eine angeregte Podiumsdiskussion zwischen Freya Klier, Bernhard Vogel und zwei KAS Stipendiaten, Lida Gnatzy und Sebastian Hundt, die jeweils aus Ost- und Westdeutschland stammen, unter Leitung der KAS Stipendiatin  Freya Wanierke.  Darin wurde die titelgebende Frage des Buches an die Diskussionsteilnehmer gestellt: „Wo waren Sie am 9. November 1989?“. Freya Klier erzählte von ihrer Wohnung in Westberlin gegenüber der Mauer, in der sie und ihre Tochter nach ihrer Ausbürgerung aus der DDR lebten. Sie habe das Geschehen am Abend des 9. November 1989 im Fernseher mitverfolgt, doch als sie am nächsten Morgen aufstand war fast kein Platz mehr auf der Straße vor ihrer Wohnung, da sie voll von geflüchteten Ostdeutschen war. Bernhard Vogel war gerade mit Helmut Kohl in Warschau auf Staatsbesuch, als ihn die Nachricht des Mauerfalls erreichte. Vogel erzählte, dass er und der Rest von Kohls Delegation nicht ganz daran geglaubt hatten, dass Kohl, nachdem er aufgrund des Mauerfalls zurück nach Berlin geflogen war, nach Warschau zurückkehren würde um seinen Staatsbesuch fortzuführen. Doch genauso kam es – am 11. November war Kohl wieder zurück in Warschau.
 

Gegen Ende der Veranstaltung nahmen die Redner am Podium noch Fragen aus dem Publikum entgegen. Eine Publikumsfrage handelte davon ob die hohen Wahlergebnisse der AfD im Osten dazu führen, dass wieder verstärkt eine spaltende Ost-West Rhetorik aufkommt, die den Osten als Problemkind Deutschlands darstellt. Eine Stipendiatin sprach in dem Zusammenhang von der Tendenz der Medien, Errungenschaften in den ostdeutschen Bundesländern kaum zu behandeln, jedoch die höhere Anzahl an AfD Wählern im Osten medial auszuschlachten. Freya Klier merkte hier an, dass sie in dem Buch „Und wo warst du?“ bewusst einen Beitrag von jemanden, der bei Pegida Veranstaltungen mitläuft, aufgenommen hat, um nicht die typischen Feindbilder zu bedienen, sondern die Motivationen der Menschen, die Pegida und AfD zugetan sind, zu verstehen. Im Laufe der Fragestunde sprachen sich sowohl Freya Klier als auch Bernhard Vogel für eine Erinnerungs- und Gedenkkultur aus, die wichtige Jahrestage angemessen feiert und Errungenschaften wie die friedliche Revolution würdigt. In dem Zusammenhang teilte Freya Klier auch ihr elftes Gebot mit dem Publikum: „Du sollst Dich erinnern!“.
 

Im Anschluss an die Veranstaltung hatte das Publikum die Möglichkeit eine Ausgabe des vorgestellten Buches zu erwerben, es von Freya Klier und Bernhard Vogel signieren zu lassen und sich mit ihnen und untereinander während eines kleinen Empfangs zu unterhalten.

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Steven Bickel

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