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Event Reports

Europa-Szenarien

Europa-Fachgespräch der KAS-Brandenburg mit den Botschaftern der USA und Ungarns

Zum traditionellen Europa-Fachgespräch trafen sich Brandenburger Europapolitiker und interessierte Bürger mit Experten am Wochenende vom 9./10. Juni 20ß17 im Seehotel Zeuthen.

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Das jährliche Fachgespräch gehört mittlerweile zur guten Tradition in der Arbeit des Politischen Bildungsforums Brandenburg der Konrad-Adenauer-Stiftung. Hier versammeln sich interessierte Bürger, Mitglieder der Europa-Union und des CDU-Landesfachausschusses Europapolitik in Brandenburg sowie eingeladene Experten zur Diskussion.

Dieses Jahr wurde die Debatte durch den Geschäftsträger der US-Botschaft, Kent Logsdon, eröffnet zum Thema der Beziehungen der USA mit der EU unter US-Präsident Donald Trump. Beim Gespräch, das der Teamleiter EU-Sanktionspolitik im Auswärtigen Amt, Christian Plate, moderierte, kamen kritische Fragen zur Person und Politik des neuen Präsidenten, zur Klima-, Handels-, Sicherheits- und Außenpolitik zur Sprache. Der Diplomat erläuterte die aktuelle politische Entwicklung in seinem Land und stellte heraus, dass die USA und die EU die selben Werte verträten und weitgehend auch die selben Ziele anstrebten. Wenn Differenzen oder Unstimmigkeiten auftauchten, sollten diese offen miteinander besprochen werden. Deutschland und die EU gehörten zu den besten Freunden und Alliierten der USA.

In der anschließenden Runde „Brandenburg und Europa 2017“ mit Michael Stübgen MdB, dem Europapolitischen Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, und Barbara Richstein MdL, der für Europapolitik zuständigen stellvertretenden CDU-Fraktions- und -Landesvorsitzenden in Brandenburg, ging es um Einschätzungen zum Brexit und die andauernde Staatsschuldenkrise in Griechenland sowie um die regionale Förderpolitik der EU, die Rolle der Europapolitik in Brandenburg bis hin zu der oft sehr schlechten Wahlbeteiligung bei Europawahlen und um die Nachbarschaftspolitik mit Polen. Dr. Christian Ehler, Europaabgeordneter der CDU in Brandenburg, konnte aus familiären Gründen an der Runde diesmal nicht teilnehmen.

Das Nachtgespräch nach dem Abendessen nahm Russland und den Krieg in der Ukraine in den Blick. Das Gespräch wurde von Dr. Christian Pernhorst, Stellvertretender Referatsleiter Russland im Auswärtigen Amt eingeleitet und durch Christian Plate, Teamleiter EU-Sanktionspolitik im Auswärtigen Amt, sowie Knut Abraham, Referatsleiter Mittelosteuropa im Kanzleramt, mit weiteren Aspekten fortgeführt. Deutlich wurde der eingetretene Vertrauensverlust in den Beziehungen zu Russland, der Rückfall Russlands in alte politische Denkkategorien von Einfluss-Zonen und Konfrontation statt Kooperation und Partnerschaft. Über die Frage, ob über Sanktionen hinaus eine politische Strategie im Sinne eines "Wandels durch Annäherung", wie sie in den 1970er Jahren im Kalten Krieg praktiziert wurde, sinnvoll sei, entbrannte eine historisch wie aktuell interessante Debatte.

Am Samstag ging es zunächst im Austausch mit dem Koordinator für Europapolitik der Konrad-Adenauer-Stiftung, Olaf Wientzek, der früher im Europabüro der KAS in Brüssel gearbeitet hatte, noch einmal um den Brexit und den Wahlausgang in Großbritannien, der die Premierministerin Theresa May schwächt. Wientzek warnte diesbezüglich vor Schadenfreude, denn durch den Wahlausgang würden die anstehenden Verhandlungen wahrscheinlich nicht leichter. Er erläuterte, welche Fragen zu klären seien und welche Fallstricke dabei lauerten.

In einer zweiten Runde wurden die von der EU-Kommission aufgestellten Szenarien für die Zukunft der EU diskutiert:

1. weiter so, wie bisher;

2. Konzentration auf den Binnenmarkt;

3. eine Union verschiedener Geschwindigkeiten;

4. weniger, aber effizienter (Subsidiarität);

5. mehr politische Union.

Neben der Frage, ob es überhaupt in der momentanen Situation mit unterschiedlichen Krisen sinnvoll sei, eine solche Perspektivdebatte zu führen und nicht vielmehr politische Führung und Problemlösung notwendig seien, ging die Diskussion um die Interpretation der Szenarien und ihre Verwirklichungschancen. Eine Probeabstimmung unter den Teilnehmern ergab, dass die Varianten drei (verschiedene Geschwindigkeiten) und vier (Subsidiarität) den meisten Zuspruch fanden, einige wenige plädierten auch für mehr EU (Variante fünf). Keiner sprach sich für die ersten beiden Szenarien aus. Später legte sich jedoch der ungarische Botschafter auf ein "Weiter, wie bisher" fest, weil dies das einzige Szenario sei, dass durch die geltenden Verträge legitimiert sei und zudem die anderen Aspekte weitgehend beinhalte.

In dem anschließenden knapp zweieinhalbstündigen Gespräch zum Abschluss der Tagung mit dem ungarischen Botschafter Dr. Péter Györkös, einem EU-Experten, der sein Land auch mehrere Jahre in Brüssel vertreten hat, wurde die ungarische Europapolitik vorgestellt und nicht zuletzt in Bezug auf die Flüchtlingspolitik diskutiert. Moderiert wurde die Diskussion von Knut Abraham, Referatsleiter Mittelosteuropa im Bundeskanzleramt. Györkös legte dar, warum Ungarn ein guter Partner in der EU sei und warum es dennoch im kritischen Fokus der Öffentlichkeit stehe. Er plädierte für eine Lösung der aktuellen Probleme der EU durch die Umsetzung der geltenden Regeln und Verträge und eine Konzentration der EU auf die Fragen der Sicherheit und des Wachstums, wie dies etwa im "Bratislava Prozess" 2016 verabredet worden sei. In der Flüchtlingspolitik sprach er sich dafür aus, Hilfe zu exportieren, nicht Probleme zu importieren. Dafür seien eine strikte Kontrolle der EU-Außengrenzen, klare Kriterien für die Aufnahme von Flüchtlingen und verstärkte Hilfe vor Ort notwendig. Eine zwangsweise Verteilung von Flüchtlingen nach Mehrheitsbeschluss in der EU lehne Ungarn aus prinzipiellen Gründen ab. Welche und wie viele Menschen aufgenommen werden, sollte jedes Land selbst entscheiden. Ungarn engagiere sich mit erheblichen Aufwendungen beim Schutz der Außengrenzen der EU und in der Flüchtlingshilfe vor Ort sowie mit Sonderprogrammen, wie Stipendien für Flüchtlinge. Das Land beharre aber auf dem Prinzip der Freiwilligkeit und eigenen Entscheidung bei der Aufnahme von Flüchtlingen.

Um die anstehenden europapolitischen Herausforderungen zu meistern, ist es notwendig, die Perspektive der Partner wahrzunehmen und gerade bei unterschiedlichen Positionen das Gespräch zu suchen. In diesem Sinne war gerade der Austausch mit den beiden Vertretern von Ungarn und der USA nicht nur interessant, sondern auch erhellend, ebenso wie das Nachdenken über die Brandenburger Europapolitik, den Brexit und die Zukunftsszenarien der Europäischen Union. Nur gemeinsam, kaum in einem Gegeneinander wird man erfolgreich vorankommen.

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Stephan Georg Raabe

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