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Klimaschutz und Landwirtschaft - ein Zwischenruf aus der Praxis

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Der Klimawandel ist ein Thema, das jeden, aber aufgrund der Arbeit unter freiem Himmel besonders die Landwirte angeht. Zwar scheint der menschliche Anteil am Klimawandel noch nicht bis ins letzte Detail erforscht zu sein; dennoch bestreitet niemand den Anstieg der Durchschnittstemperaturen in den letzten Dekaden. So weist der Klimareport für Mecklenburg-Vorpommern seit 1881 eine um 1,3 Grad Celsius gestiegene Durchschnittstemperatur und zunehmende Winterniederschläge auf, während die Sommerniederschläge tendenziell weiter zurückgehen. Auch die Wachstumsseiten der Pflanzen haben sich verändert. So hat sich der Blüteeintritt der Gemeinen Hasel, die als Zeigerpflanze für den Vorfrühling dient, im Zeitraum von 1991 bis 2017 um siebzehn Tage gegenüber dem Vergleichszeitraum 1961 bis 1990 nach vorn verschoben. Der Vollfrühling, der durch den Blühbeginn der Apfelbäume gekennzeichnet ist, verlagerte sich im gleichen Zeitraum von Mitte auf Anfang Mai. Dementsprechend steigt auch das Risiko von Ernteschäden durch Spätfröste.

Welche Rolle spielt der Klimawandel in der Landwirtschaft, und wie ist die Stellung der Landwirtschaft als Emittent von Klimagasen? Sind wir Bauern Klimasünder oder Teil der Lösung? Einfache Antworten gibt es nicht. Was sagt der im August 2019 veröffentlichte Sonderbericht des Weltklimarates (Intergovernmental Panel on Climate Change, IPCC) über Klimawandel und Landsysteme dazu? Wir brauchen eine Agrarwende! Mehr „Bio“, weniger industrielle Landwirtschaft! Das Rind ist ein Klimakiller! Weniger Fleisch! So tönte es allerorten aus den Medien.

Wenn man sich die Mühe macht, den IPCC­-Bericht im Original zu lesen, erscheint das Bild längst nicht mehr so klar. Vor allem fällt auf, dass der Bericht als nüchterne Betrachtung ohne Alarmismus auskommt. Vieles bleibt vorsichtig und vage formuliert. Es werden verschiedene Szenarien von Temperaturerhöhungen in ihren Auswirkungen auf die Landnutzung und verschiedene Varianten von Landnutzungsintensitäten betrachtet.

 

Mehr Niederschläge im Winter, Dürre im Sommer

Höhere Temperaturen bedeuten für die Landwirtschaft einerseits, dass sich neue Anbaumöglichkeiten bieten und sich Vegetationsperioden verlängern. Der höhere Kohlendioxidgehalt der Luft wirkt sich positiv auf die Photosyn­these aus; es ist sogar von einem Düngeeffekt die Rede. Andererseits gehen die meisten Experten davon aus, dass die Negativeffekte der Klimaverände­rungen diese positiven Begleiterscheinungen überlagern werden. Die ent­scheidende Komponente, die oftmals über Wohl und Wehe entscheidet, ist das Wasser. Es ist davon auszugehen, dass sich künftig die Niederschläge anders verteilen und in die Wintermonate verlagert werden, während im Sommer verstärkt mit Dürre oder auch Starkregenereignissen zu rechnen ist.

Hitze verkürzt die Reifezeit und die Kornfüllungsphase des Getreides, schädigt den Ährenansatz während der Blüte und stresst durch gesteigerte Verdunstungsraten. Das mindert Erträge qualitativ und quantitativ. Mildere Winter führen ebenfalls dazu, dass Nutzpflanzen wie Weizen, Gerste und Raps das Wachstum im Herbst nicht einstellen und das Überwinterungs­ stadium nicht erreichen. Sie sind somit bei Frost anfälliger für Erfrierungs­ schäden. Fehlt jedoch der Reiz durch eine längere Kälteperiode völlig, kom­ men die Winterkulturen im darauffolgenden Frühjahr nicht in die Blüte; es drohen Ernteausfälle. Fehlende Wasserverfügbarkeit führt in sensiblen Wachstumsphasen zu sinkenden Erträgen oder verminderten Qualitäten. Längere Trockenphasen schränken die Wasseraufnahmefähigkeit des Bodens stark ein, und bei folgenden Niederschlägen kann es zu verstärktem ober­ flächlichem Wasserabfluss und Erosion kommen. Getreidehalme knicken ein; die Bestände lassen sich nicht oder nur schwer dreschen. Es droht eine Nicht­befahrbarkeit der Böden und ein völliger Verlust der Ernte.

 

Mehr Hitze, weniger Milch

Die Tierhaltung leidet ebenfalls unter dem Klimawandel. Den Weidetieren, also Rindern, Schafen und Ziegen, droht Futtermangel; die Wasserversor­ gung ist mit höherem Aufwand verbunden. Milchkühe haben ein Temperatur­ optimum von vier bis sechzehn Grad Celsius. In dieser Spanne fühlen sie sich am wohlsten und müssen die Körpertemperatur nicht zusätzlich regulieren. Bei höheren Temperaturen fressen sie weniger und geben weniger Milch. Auch Geflügel und Schweine wachsen bei Temperaturanstieg verhaltener. Bei allen Tierarten steigt die Krankheitsanfälligkeit. Schaderreger, die früher kaum eine Rolle spielten – wie etwa die Blauzungenkrankheit bei den Wieder­ käuern –, treten häufiger auf. Die Landwirtschaft und damit unser gefüllter Teller könnten also ein Opfer des Klimawandels werden!

Landwirtschaft ist jedoch auch „Täter“, was den Klimawandel betrifft. Nahezu alle Produktionsprozesse nutzen fossile Energien in direkter Form über Diesel (etwa für Bestellung des Feldes oder für Transporte) oder mittel­ bar als Elektrizität (so für Stallklimatisierung). Gleichzeitig emittieren die Tiere Methangas infolge von Verdauungsprozessen oder Kohlendioxid durch die Atmung. Die Düngung von Pflanzen führt zur Bildung von klimarelevan­ tem Lachgas. Diese Prozesse sind naturgemäß nicht vollständig vermeidbar. Die Landwirtschaft wird weltweit für etwa 25 Prozent aller Treibhausgas­ emissionen verantwortlich gemacht. In der Europäischen Union (EU) steht sie für zehn Prozent der Emissionen, in Deutschland für sieben Prozent. Muss und kann man die Nahrungsmittelproduktion zugunsten des Klimaschutzes einschränken?

Eine weitere Extensivierung kann nicht das Mittel der Wahl sein, im Gegenteil: Effizienz ist gefragt. Immer mehr Menschen werden von einem Hek­ tar landwirtschaftlicher Nutzfläche satt, und das in einer hohen Qualität und einer stetig gestiegenen Vielfalt! Während kurz nach dem Zweiten Weltkrieg ein Landwirt für die Ernährung von zehn Menschen sorgte, so tut er es heute für bereits mehr als 150. Die gestiegene Produktivität kam dem Klima zugute, denn pro Kilogramm landwirtschaftlicher Erzeugnisse wurden immer weni­ ger Emissionen ausgestoßen. Diese Erfolgsgeschichten haben wir dem techni­ schen Fortschritt, einer leistungsfähigen Züchtung sowohl im Pflanzenbau als auch in der Tierhaltung und einer angepassten Fütterung zu verdanken.

Im internationalen Vergleich nimmt Deutschland in puncto Klimaschonung eine Spitzenposition ein: In der Milchkuhhaltung wird pro Liter Milch etwas mehr als ein CO2-­Äquivalent (CO2e) ausgestoßen, während der Wert weltweit bei 2,4 CO2e und beispielsweise in Afrika bei 7,5 CO2e liegt. Außerdem muss man bei der Betrachtung der Tierhaltung berücksichtigen, dass die Ausscheidungen ihren Ursprung im Futter, also in natürlichen Quellen, haben, der Kohlenstoff also nicht aus fossilen Rohstoffen stammt, sondern lediglich in Kreisläufen ab­ und aufgebaut wird.

Zur Klimaschädlichkeit des Methans, dessen Wirkung deutlich höher eingeschätzt wird als die von CO2, gibt es Erkenntnisse, die nahelegen, dass das Methan in der Atmosphäre nach etwa zehn Jahren wieder abgebaut wird und sich ebenfalls in einem stetigen Kreislauf befindet.

In der globalisierten Welt sorgt die Arbeitsteilung bei der Nahrungsmittelerzeugung dafür, dass die Lebensmittel dort produziert werden, wo die günstigsten klimatischen Bedingungen herrschen und ausreichend fruchtbare Flächen zur Verfügung stehen. Der globale Handel führt zu einer möglichst sinnvollen Nutzung der natürlichen Ressourcen. Produktions- und Handelseinschränkungen an Gunststandorten für bestimmte Erzeugnisse – etwa Getreide und Milch in Europa oder Soja in Südamerika – würden zu Verlagerungen der Produktion an weniger günstige Standorte führen. Das könnte sich zwar in der jeweiligen nationalen Klimabilanz positiv auswirken, würde aber global gesehen zu höheren Emissionen bei gleicher Produktionsmenge führen.

Wie verhält es sich mit der Klimaeffizienz im ökologischen Landbau? Dort wird auf energieintensive mineralische Düngemittel („Kunstdünger“) verzichtet, es gibt einen differenzierteren Anbau und eine positive Wirkung auf die Biodiversität. Der Verzicht auf synthetische Düngemittel und Pflanzenschutzmittel wirkt sich jedoch negativ auf die Flächenerträge aus. In Bezug auf die Fläche kann der Ökolandbau in puncto Emissionen vorteilhaft sein, in Bezug auf die Produkteinheit ist er es jedoch nicht. Für eine Steigerung der Klimaschutzwirkung ist im Ökolandbau eine weitere Steigerung der Effizienz notwendig!

 

Klimastrategie der Landwirte

Landwirtschaftliche Prozesse können Kohlenstoff binden und damit in erheblichem Maße zur Dekarbonisierung beitragen. Durch jeden Grashalm, jede Weizenpflanze, jede Kartoffel, jede Rübe, jeden Kubikmeter Holz in den Wäldern, jede Wurzel wird Kohlendioxid gebunden! In der Summe übersteigt die CO2­-Bindung sogar die Summe der Emissionen, die in der land­ und forstwirtschaftlichen Produktion sowie in der Herstellung von Stickstoffdüngern anfallen. Die Land­ und Forstwirtschaft sorgt jedoch nicht nur für Nahrungs­ und Futtermittel, sondern ersetzt zum Teil fossile Energie und stellt verschiedenen produzierenden Gewerben Rohstoffe für die stoffliche Verwendung zur Verfügung. Die CO2-Vermeidung durch Bioenergie aus Wald und Forst in den vergangenen Jahren entspricht etwa der Größenordnung der Emissionen, die durch Land­ und Forstwirtschaft selbst verursacht werden. In der Landwirtschaft und im ländlichen Raum spielen erneuerbare Energien wie Windkraft und Photovoltaik eine nicht unerhebliche Rolle.

 

Die Landwirte in Deutschland haben sich in der Klimastrategie 2.0 des Deutschen Bauernverbandes ambitionierte Klimaziele gesetzt:

- Wir wollen uns an Klimaveränderungen und Wetterextreme erfolgreich anpassen sowie eine sichere und hochwertige Nahrungsmittelversorgung sicherstellen.

- Wir wollen die Klimaeffizienz unserer Erzeugnisse weiter steigern und die Klimaeffekte der landwirtschaftlichen Produkte senken.

- Wir wollen die Treibhausgasemissionen (hauptsächlich Methan und Lachgas) bis 2030 um dreißig Prozent gegenüber 1990 senken.

- Wir wollen durch Anbau und Verwendung von Energiepflanzen und die energetische Nutzung von Wirtschaftsdünger die Leistung im Bereich der Vermeidung von CO-Emissionen fossiler Rohstoffe bis 2030 verdoppeln (Basis 2010).

- Wir wollen die CO-Senkenleistung im Bereich Landnutzung, Landnutzungsänderung und Forstwirtschaft erhalten und ausbauen, und dies ohne Verlust an landwirtschaftlicher Nutzfläche.

 

Wie kann das im Einzelnen erreicht werden? Welche Rahmenbedingungen sind dazu notwendig?

Die Vergärung von Gülle, Mist und Futterresten in Biogasanlagen leistet einen erheblichen Beitrag zur Methanreduktion. Neben der Verringerung klimarelevanter Gase können gleichzeitig fossile Energieträger eingespart werden. Die pflanzenrelevanten Nährstoffe aus der Gülle stehen nach der Vergärung als wichtiges Düngemittel zur Verfügung. Zur Erhöhung des Anteils der Biogasanlagen mit Gülleverwertung wäre es erforderlich, das Erneuer­ bare­Energien­Gesetz (EEG) zu ändern. Der Umstieg von vorhandenen An­ lagen auf eine verstärkte Wirtschaftsdüngerverwendung müsste durch entsprechende Anreize gefördert werden. Die derzeitige Bevorzugung kleiner Biogasanlagen auf Güllebasis sollte auf größere Anlagen ausgedehnt werden. Für kleinere sollten die bürokratischen und baurechtlichen Genehmigungen erleichtert werden.

In der Tierhaltung gibt es viele Stellschrauben zur Verbesserung der Klimaeffizienz. Ein möglicher Ansatzpunkt ist die Züchtung. Die genomische Selektion – die Vorhersage von Leistungsmerkmalen aufgrund der genetischen Merkmale – böte zum einen die Möglichkeit, ein Zuchtziel „geringere Methanemission“ für die Wiederkäuer zu etablieren. Es ist angezeigt, die Leistungen der Tiere, ihre Gesundheit und die Futterverwertung zu steigern, um den Ausstoß von Klimagasen pro Kilogramm Fleisch oder Milch zu senken. Dazu muss der Futtereinsatz optimiert werden. Für Schweine und Geflügel führen eine eiweißangepasste Fütterung in den verschiedenen Wachstumsphasen und zugesetzte synthetisch hergestellte Aminosäuren zu einem verringerten Aufwand an Futtermitteln und damit zu Einsparungen. Gleichzeitig reduzieren sich die Nährstoffausscheidungen, insbesondere von Stickstoff, wodurch sich geringere Lachgasemissionen bei der Ausbringung der Wirtschaftsdünger ergeben.

Im Pflanzenbau bemüht sich die Agrarwirtschaft seit Langem, den Überschuss an Nährstoffen, vor allem Stickstoff, zu reduzieren. Die 2017 in Kraft getretene Düngeverordnung zwingt uns, den vorhandenen Wirtschaftsdünger effizienter einzusetzen. Eine ab 2020 drohende pauschale Verringerung der notwendigen Düngung in Gebieten, in denen mitunter eine einzige Messstelle großflächige Auswirkungen hat, wird sehr viel Zeit benötigen, um überhaupt zu wirken, und aus Sicht des Klimaschutzes ergeben sich Zielkonflikte.

Großes Handlungspotenzial gibt es bei der Ausbringung von Wirtschaftsdünger, wie Mist oder Gülle, der heute noch bis zu fünfzig Prozent breitflächig und nicht bodennah verteilt wird. In einigen Bundesländern, beispielsweise in Mecklenburg-Vorpommern, wird die Ausbringung von Gülle durch umweltschonende Verfahren bereits über ein spezielles Programm gefördert: Der natürliche Mehrkomponentendünger Gülle wird direkt in den Boden und an die Pflanze transportiert, kann unmittelbar wirken und energieintensiv produzierten Mineraldünger ersetzen. Es werden Nährstoffkreisläufe geschlossen und das regionale System Boden-Futter-Tier-Boden gestärkt.

 

Hin zu mehr Sachlichkeit

Zur Steigerung der Effizienz des Stickstoffeinsatzes im Ackerbau muss ein optimales Pflanzenwachstum gewährleistet werden. Dazu gehört, dass man weiterhin die Pflanzen vor Konkurrenz, Krankheiten und Schädlingen schützen kann! Eine breite Palette von Pflanzenschutzmitteln gehört ebenso dazu wie eine entsprechende Fruchtfolgegestaltung und eine breit aufgestellte Züchtung! Selbstverständlich kann in Zukunft ein Teil des chemischen Pflanzenschutzes durch mechanische Verfahren ersetzt werden. Es gab ein Leben vor Glyphosat, und es würde ein Leben nach Glyphosat geben. Allerdings liegen die Dinge hier nicht so einfach auf der Hand: So ermöglicht Glyphosat bodenschonende Anbauverfahren wie die Mulchsaat, bei der die Stoppeln des Getreides auf dem Acker verbleiben können und die Folgefrucht direkt in die durch das Glyphosat abgetötete Pflanzenmatte eingedrillt wird. Gleichzeitig bieten diese Verfahren einen hervorragenden Schutz vor Wind­ oder Wassererosion.

Für Schadinsekten und Pilzerkrankungen gibt es bisher keine gängige physikalische Lösung. Hier kann zum Teil die Resistenzzüchtung helfen. Neue gezielte Züchtungsverfahren mittels präziser Gentechnik (der sogenannten Genschere) könnten einerseits Abhilfe schaffen, sind allerdings in Europa verboten. Andererseits dürfen Produkte, die mit gentechnischen Verfahren hergestellt wurden, ungehindert auf dem globalen Markt gehandelt und auch in Deutschland verfüttert werden. Hier droht sich Europa von der internationalen Entwicklung abzukoppeln.

Landwirtschaft und Klimawandel – das ist ein weites Feld! Wir Landwirte haben uns längst auf den Weg gemacht! Wir sind bereit, unseren Beitrag zu leisten, aber zum Nulltarif können wir es nicht!

Einen Klimawandel gibt es, den wir selbst herbeisehnen: in der gesellschaftlichen Debatte! Weg von dem Alarmismus, mit dem immer neue Sauen durch das Dorf getrieben werden! Hin zu Sachlichkeit und Zukunftsoptimismus!

 

Literatur

Müller, Heike: Spätsommergewitter. Eine Liebesgeschichte aus Milch und Tönen, Spica Verlag, Blumenholz 2018.

 

Heike Müller, geboren 1965 in Königs Wusterhausen, Landwirtin und Vizepräsidentin des Bauernverbandes Mecklenburg-Vorpommern e.V., Neubrandenburg.

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