Asset Publisher

Ein Ärgernis für die CDU

Asset Publisher

Am 5. Juli 2015 fand der zweite Wahlgang zum Oberbürgermeister von Dresden statt. Gewählt wurde Dirk Hilbert mit 54,2 Prozent. Eva-Maria Stange unterlag mit 44 Prozent. Die Wahlbeteiligung betrug gut 42 Prozent.

Die bisherige Amtsinhaberin, Helma Orosz (CDU), hatte die Stadt erfolgreich geführt, musste aber wegen Krankheit ihr Amt vorzeitig aufgeben.

Der erste Wahlgang sah die Kandidatin der SPD, die Wissenschaftsministerin Eva-Maria Stange, die auch von den Grünen, den Linken und den Piraten unterstützt wurde, mit 36 Prozent in Führung, dicht gefolgt von dem sich als unabhängiger Kandidat eines Bürgervereins bewerbenden bisherigen Ersten Bürgermeister, Dirk Hilber, der der FDP angehört, mit 31,7 Prozent. Weit abgeschlagen folgten der Kandidat der CDU, Innenminister Markus Ulbig, mit nur 15,4 Prozent, auf Platz vier, mit erstaunlichen 9,6 Prozent, die Pegida-Kandidatin. Ulbig und sie verzichteten darauf, im zweiten Wahlgang noch einmal anzutreten.

Mit Dresden verlor die CDU die politische Führung auch in der letzten Landeshauptstadt. Das löst, zu Recht, erneut eine lebhafte Diskussion über das Erscheinungsbild der CDU in Großstädten aus. Zumal am gleichen Wahltag bei der Wahl von zehn Landräten Sachsens ausschließlich die CDU-Bewerber bereits im ersten Wahlgang erfolgreich waren. Die Gründe für diese unterschiedlichen Ergebnisse sind vielschichtig. Ihnen allen muss sorgfältig nachgegangen werden. Dabei darf allerdings ein, meines Erachtens entscheidender Grund nicht vernachlässigt werden: die Auswahl der Kandidatinnen und der Kandidaten. Wer nicht von der örtlichen CDU einmütig getragen wird, wer mühsam und oft sehr kurzfristig zur Kandidatur gedrängt werden muss, wer als Aushilfskandidat antritt, wer nicht über hinreichende berufliche Voraussetzungen für das angestrebte Amt verfügt, wer nicht mit ganzer Hingabe nach dem umkämpften Amt strebt und dafür Opfer zu bringen bereit ist, wer nicht gestalten, sondern nur verwalten will, hat – ich meine zu Recht – keine Chance.

Gut qualifizierte geeignete Kandidaten stehen zurzeit in Deutschland nicht Schlange. Der schlechte Ruf, unter denen Politik und Politiker heute zunehmend leiden, stößt manchen ab. Hier muss dagegengehalten werden. Die CDU ist reich an vorzüglichen Beispielen von Männern und Frauen, die nicht nur vor Ort, sondern bundesweit hohes Ansehen genossen haben: von Konrad Adenauer (Köln) über Manfred Rommel (Stuttgart) bis zu Eberhard Diepgen (Berlin), Ole von Beust (Hamburg) und Petra Roth (Frankfurt am Main). Sie haben ihre Städte nicht nur während ihrer langen Amtszeit, sondern weit darüber hinaus geprägt. Sie standen zum Markenkern der CDU und verfügten über die notwendige Ausstrahlung. Ihr Beispiel sollte auch heute noch Schule machen. Was die CDU braucht, ist eine langfristige Personalplanung: zum Beispiel einen kleinen, beim Generalsekretär der CDU angesiedelten Arbeitskreis, der über große Personalkenntnis verfügt, Personalchecks durchführt und abrufbar Vorschläge machen kann. Rechtzeitig und um Jahre im Voraus. Er darf die Entscheidungshoheit unserer Kreisverbände natürlich nicht infrage stellen, aber er soll ihnen helfen, die richtige Auswahl treffen zu können.

Dann wird es sich nicht wiederholen, dass ein von außerhalb kommender Kandidat sich weigert, im Falle seiner Wahl in die betreffende Stadt zu ziehen. Beispiele sind bekannt: „Ich bewerbe mich um das Rathaus, nicht um eine neue Wohnung!“ Dann wird es nicht passieren, dass man in unruhigen Zeiten, noch dazu in einer durch Pegida beunruhigten Stadt, ausgerechnet einen führenden Innenpolitiker zur Kandidatur drängt. Das ist schon in Frankfurt am Main schiefgegangen, das musste auch in Dresden schiefgehen.

Nicht ihr Programm, ihre Strategie muss die CDU ändern, wenn sie auch in Großstädten wieder Wahlen gewinnen will.

 

Bernhard Vogel, geboren 1932 in Göttingen, von 1976 bis 1988 Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz, von 1992 bis 2003 Thüringer Ministerpräsident, Ehrenvorsitzender der Konrad-Adenauer-Stiftung.