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Gestaltung: StanHema

Mehr oder weniger anerkannt

by Kerstin Vieregge

Zur öffentlichen Sicht auf die Bundeswehr

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Der damalige Bundespräsident Horst Köhler sprach 2005 mit Blick auf das Ansehen der Bundeswehr in der Öffentlichkeit von einem „freundlichen Desinteresse“ der Bevölkerung. Aus Sicht der Bundeswehr glaubte Thomas de Maizière – zu diesem Zeitpunkt Verteidigungsminister – 2013 einen „übertriebenen Wunsch nach Wertschätzung“ zu erkennen und meinte sogar, viele Soldatinnen und Soldaten seien „vielleicht geradezu süchtig nach Anerkennung“. Ich teile letztere Auffassung nicht, jedoch deuten die beiden Zitate auf ein schon länger bestehendes Grundproblem in unserer Gesellschaft hin.

Bekanntermaßen wurde die Gründung der Bundeswehr in Teilen der Bevölkerung misstrauisch und auch ablehnend verfolgt. In den 1980er-Jahren gab es Friedensdemonstrationen und Ostermärsche mit großem Zulauf, die sich gegen eine angebliche Militarisierung West-Deutschlands richteten. In diesem Zeitraum wurde auch die diffamierende Äußerung „Soldaten sind Mörder“ populär. Das Bundesverfassungsgericht hob 1994 und 1995 Urteile gegen Pazifisten, die den Ausdruck verwendet hatten, auf, da – so eine Begründung des Gerichts – ein spezieller Bezug zur Bundeswehr nicht bestehe. Eine negative Beurteilung des Berufs des Soldaten besteht teils auch heute noch, auch wenn die Diskussionen darüber, mit Ausnahme einschneidender Ereignisse wie der Luftangriff 2009 bei Kundus, abgeflacht sind.

Über die Jahrzehnte gewöhnten sich die meisten Menschen an die Bundeswehr und akzeptierten sie als Teil der Gesellschaft; dazu trug auch die Wehrpflicht bei. Allerdings ging mit einer langen Friedensperiode, insbesondere nach dem Fall der Berliner Mauer, das Bedrohungsempfinden weitgehend verloren. Es ist diese Kombination aus kollektiver Erinnerung an den Schrecken und die Schuld der Weltkriege und der Gewöhnung an den Frieden, die Horst Köhler zu seinem Ausspruch motivierte. Die Deutschen vertrauen mehrheitlich der Bundeswehr, allerdings sind vielen Menschen ein vertieftes Interesse an ihr oder sogar Stolz auf sie bisher fremd. Soldatinnen wie Nariman Hammouti-Reinke beklagen deshalb zu Recht, dass in einigen Kreisen ein Herabblicken auf den Soldatenberuf zum vermeintlich guten Ton gehört.

Die sich lange Zeit verschlechternde Materiallage der Bundeswehr tat ihr Übriges. Der Ausfall von Maschinen der Flugbereitschaft; die Notwendigkeit, für Wintermützen eines Einsatzverbandes die Bestände der gesamten Bundeswehr zu plündern; die teilweise komplett stillgelegte U-Boot-Flotte und weitere Mängel wurden in den vergangenen Jahren bekannt. Diese Entwicklung gipfelte in der Bemerkung des Heeresinspekteurs zu Beginn des Ukraine-Krieges, nach der die Bundeswehr „mehr oder weniger blank“ dastehe.

 

Running Gag in Satireshows

 

Die Öffentlichkeit reagierte auf die schlechte Materiallage zwar zum einen schockiert, zum anderen aber auch spöttisch. Die Bundeswehr wurde zum Running Gag diverser Satireshows, und ihr Image als professionelle und einsatzbereite Streitkraft bleibt vorerst beschädigt. Zu behaupten, dass die Vorwürfe zu Unrecht erhoben wurden, wäre falsch. Allerdings erwuchsen aus ihnen selten gesellschaftliche Forderungen nach einer signifikant besseren Ausstattung. Dies ist ein Indiz dafür, dass die Bundeswehr zwar zum Teil geschätzt wurde, jedoch nicht in dem Maße, dass man sich mit den Implikationen der genannten Mängel auseinandersetzte.

Festzustellen ist, dass die Bundeswehr – außerhalb der Amtshilfe bei Katastrophen, der Flüchtlingshilfe und zum Teil bei den Auslandseinsätzen – in den Medien nahezu ausschließlich im Zusammenhang mit Mangelwirtschaft oder Extremismus erwähnt wird. Insbesondere linke Parteien und Interessengruppen sind schnell dabei, einen Generalverdacht gegenüber der Bundeswehr zu formulieren, der ihre grundlegend ablehnende Haltung verdeutlicht. Auch ihre führenden Politiker lassen teilweise ihre Distanz erkennen; so etwa Martin Schulz 2017, als er zuspitzend Investitionen in die Verteidigung in einen Wettbewerb mit Ausgaben für Bildung und andere, gesellschaftlich anerkanntere Aufgabengebiete stellte.

Diese künstlichen Dichotomien verfälschen und vergiften die öffentliche Diskussion, da sicherlich niemand gegen mehr Bildung argumentieren würde. Schlussendlich schützen Investitionen in die Bundeswehr nicht nur die Soldatinnen und Soldaten in Uniform, sondern vor allem die Bürgerinnen und Bürger. Und auch die Freiheit, zu lehren und zu lernen, muss verteidigt werden können. Die englische Schriftstellerin Evelyn Beatrice Hall hat Voltaire das vielzitierte Bonmot „Ich missbillige, was Sie sagen, aber ich werde bis zum Tod Ihr Recht verteidigen, es zu sagen“ in den Mund gelegt. Diese große Errungenschaft unserer liberalen Demokratie wird als Selbstverständlichkeit hingenommen und nicht wirklich geschätzt.

 

„Pazifismus auf Kosten anderer“

 

Initiativen wie „Schule ohne Militär“ tragen zu einem wenig freundlichen Klima gegenüber der Bundeswehr bei. Einige Schulen verweigern Jugendoffizierinnen und -offizieren, die politische Hintergründe – etwa von Auslandseinsätzen der Bundeswehr – erläutern wollen, den Zutritt. Viele Lehrkräfte sind der Meinung, dass eine derartige politische Bildung ihnen selbst überlassen werden sollte. Oftmals drückt sich darin eine pazifistische Haltung und die Ablehnung jeglicher militärischen Aktionen aus. Wolfgang Thierse sprach vor Kurzem von einem „Pazifismus auf Kosten anderer“.

An Universitäten besteht ein manchmal sogar feindliches Klima. Diese Erfahrung konnte unter anderem Thomas de Maizière machen, als er 2013 einen Vortrag an der Berliner Humboldt-Universität über die Bundeswehr halten wollte. Sprechchöre wie „Nie wieder Krieg. Nie wieder Deutschland“ verhinderten jegliche Diskussion und verdeutlichten die Eindrücke, die auch Soldaten bei Gelöbnissen wahrnehmen.

Während in manchen Ländern die Befürchtung herrscht, gesellschaftlich ausgegrenzt zu werden, wenn man die eigenen Streitkräfte nicht lautstark unterstützt, ist es in Deutschland geradezu umgekehrt. Aufgrund der deutschen Geschichte sind Pazifismus und Antimilitarismus vielfach akzeptierte Normen. Diese Selbstregulierung gilt insbesondere für den Journalismus und den akademischen Bereich. Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass die überwiegende Mehrheit der Volontärinnen und Volontäre im öffentlich-rechtlichen Rundfunk und fast alle Allgemeinen Studierendenausschüsse (AStAs) politisch links ausgerichtet sind. Dabei ist aufgrund vieler Umfragen nicht davon auszugehen, dass bundeswehrkritische Stimmen in der Gesamtgesellschaft die Mehrheit bilden. Sie sind jedoch oftmals sehr laut- und meinungsstark, da sie sich auf die deutsche Geschichte berufen können. Die geradezu hysterische Berichterstattung und Empörung in den sozialen Medien anlässlich des Großen Zapfenstreichs und Fackelmarsches im letzten Jahr ist ein anschauliches Beispiel.

 

Angst vor Diskreditierung

 

In den letzten Jahrzehnten haben Umfragen stets ergeben, dass die Bundeswehr bei einem Großteil der Bevölkerung entweder ein hohes oder zumindest durchschnittliches Ansehen genießt. Angesprochen auf die individuelle Einschätzung der Befragten, wie sie das Ansehen der Bundeswehr in der Restbevölkerung beurteilen würden, wurde diese als durchweg schlechter eingeschätzt. Dieser Umstand führt dazu, dass sich in anonymen Umfragen ein Großteil zwar positiv über die Bundeswehr äußert, dies allerdings nicht auch offensiv nach außen vertritt. Es besteht die Angst davor, als Militarist diskreditiert zu werden.

Es ist daher wichtig, zu vermitteln, dass der Großteil der Bevölkerung hinter der Bundeswehr steht und ihren Einsatz sowie den Dienst wertschätzt. Dazu ist es jedoch notwendig, dass sich diese Wertschätzung auch in öffentlicher und breiter Unterstützung äußert. Es besteht schließlich ein Unterschied zwischen anonymen Umfragen und einem selbstbewussten Einstehen für die eigenen Werte. Linke Aktivistinnen und Aktivisten sowie Echoräume bilden weder die Mehrheit noch den gesellschaftlichen Konsens ab. Aufgrund unserer Geschichte sind wir zu Recht kritischer gegenüber dem Militär eingestellt als die Bürger anderer Staaten. Dies darf jedoch nicht zu einer reinen Reflexhaltung werden, mit der jedwede Investition in die Bundeswehr oder öffentliches Auftreten und Anerkennen der Bundeswehr als „faschistische Kriegstreiberei“ verunglimpft wird.

Soldatinnen und Soldaten „gieren“ zwar nicht nach Anerkennung. Doch sind Akzeptanz und Anerkennung laut Umfragen für sie der zweitwichtigste Faktor, wenn sie überlegen, sich als Berufssoldatinnen und -soldaten zu bewerben. Dabei geht es nicht darum, dass ihnen alle auf die Schulter klopfen und für den Dienst danken, sondern vielmehr um aktive Solidarität, die pauschale Angriffe und Diffamierung abwehrt. Diese Entwicklung ist noch nicht eingetreten, und es bleibt abzuwarten, ob der Schock des Angriffskrieges in der Ukraine zu einem meiner Meinung nach notwendigen Umdenken führen wird. Die angekündigte Zeitenwende muss zu einer aktiveren Wertschätzung der Bundeswehr und ihrer Soldatinnen und Soldaten durch die deutsche Gesellschaft führen.

 

Kerstin Vieregge, geboren 1976 in Rinteln, seit 2022 Obfrau der CDU/CSU-Fraktion im Verteidigungsausschuss des Deutschen Bundestages.

 

 

 

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