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Nicht "lupenreine Demokraten" und Demokratieförderung

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Mit kritischen Situationen und der Arbeit in schwierigen Umständen hat die Auslandsarbeit der Konrad-Adenauer-Stiftung in den über fünfzig Jahren ihrer Existenz immer wieder Erfahrungen gesammelt. Auf allen Kontinenten. In Lateinamerika etwa war schon früh und über lange Jahre die Frage, wie mit Militärdiktaturen wie in Chile umzugehen sei. Soll man unter solchen Umständen überhaupt im Land bleiben? Muss man sich dafür zu sehr verbiegen? Kann man andererseits durch eine solche Anwesenheit Solidarität zeigen, Partner vor Übergriffen schützen, am Wandel arbeiten? Lässt sich die Sicherheit eigener Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gewährleisten? Gerade Letzteres galt auch und immer wieder für die zahlreichen Bürgerkriegssituationen und bewaffneten Auseinandersetzungen, in denen sich diese oft wiederfanden, vom Mittelamerika der Sandinisten und „Contras“ über die vielfältigen Konflikte Afrikas bis ins heutige Afghanistan. Grundsatzfragen, die brennend aktuell klingen und sind.

 

Demokratieförderung ist nicht ohne Risiko

Auch heute arbeitet die Stiftung in vielen Ländern, die den Standards westlicher Demokratien wenig oder gar nicht entsprechen. Nicht zuletzt deshalb rechtfertigt sich ja gerade die Anwesenheit einer Politischen Stiftung, die ihren Auftrag der Demokratieförderung weltweit ernst nimmt. Unsere Aufgabe ist es, an demokratischen Transitionen mitzuwirken, demokratische Akteure in Parteien und Zivilgesellschaft zu stärken, sie fit zu machen für den demokratischen Wettstreit. Dazu kann auch gehören, antagonistisch anmutende Auffassungen zusammenzubringen, Dialoge zu ermöglichen, Vertrauen aufzubauen. Denn oft, das hat der Wandel in Mittel- und Osteuropa gezeigt, geht es ohne die alten Eliten nicht oder zumindest nicht friedlich. Wie ein solcher Wandel erfolgreich sein kann, zeigen nicht nur länger zurückliegende Beispiele aus Spanien und Südafrika, sondern auch solche in der näheren östlichen Nachbarschaft.

Der Weg kann mühsam sein und ist nicht ohne Risiken, wie die zurückliegenden Monate und Jahre zeigen. Da hindert der aufbrechende „Arabische Frühling“ in Ägypten nichts daran, dass gegen Stiftungsvertreter unter fadenscheinigen Vorwänden ein politischer Prozess angezettelt wird, da ist es vorgekommen, dass in anderen Weltregionen ein Mitarbeiter verhaftet oder des Landes verwiesen wurde. Mitunter wird „nur“ die Einreise verweigert.

Einmalig ist der Vorgang, dass eine Regierung in einem nahöstlichen Staat über Nacht die Schließung eines Stiftungsbüros verordnet hat. Mitunter ist auch die Steuerfahndung ein Druckmittel. Jüngst in Sankt Petersburg führte die „Überprüfung von Software-Lizenzen“ zur Beschlagnahmung von Computern. Die öffentliche Aufregung hat berechtigterweise hohe Wellen geschlagen. Sie war ebenso wie die politische Unterstützung notwendig und wird hoffentlich für die ungestörte Arbeit der Politischen Stiftungen in Russland hilfreich sein.

 

Beeinträchtigungen sind die Ausnahme, nicht die Regel

Das Spektrum der Beeinträchtigungen ist breit, aber sie sind glücklicherweise nach wie vor die Ausnahme und nicht die Regel. Aber: Je politischer die Konrad-Adenauer-Stiftung auftritt – die politisch eher unverfänglichen Projekte der Genossenschaftsarbeit, der Kleinunternehmerförderung, der Managementausbildung oder der ländlichen Entwicklung gibt es kaum noch im Portfolio – desto größer die „Chance“, interessierten politischen und wirtschaftlichen Machteliten unbequem und der „Einmischung in die inneren Angelegenheiten“ geziehen zu werden. Der Ausgang von Transitionsprozessen ist allemal offen – und auch Rückschläge sind nie auszuschließen.

In Deutschland allerdings muss immer wieder dafür geworben werden, sich in solchen Situationen nicht voreilig zurückzuziehen. Der Grundsatz etwa, dass oft ein vertrauensvolles Hintergrundgespräch mehr bewirken kann als die flotte öffentliche Stellungnahme, hat nicht nur Anhänger. Zu Recht wird gerade in sensiblen Fragen der Menschenrechte immer wieder „klare Kante“ angemahnt, gleichwohl gibt es dafür unterschiedliche Formate. Der Dialog auch mit denen, die nach unseren Maßstäben nicht unbedingt als lupenreine Demokraten durchgehen, kann sinnvoll und nötig sein, will man sich möglicher Einflusschancen nicht selbst berauben. Das hat mit Werterelativismus nichts zu tun. Und die reine Anwesenheit in autoritären Staaten darf nicht als eine Identifizierung mit deren Gesellschaftsmodell missverstanden werden.

 

Europa muss seine Hausaufgaben erledigen

Auch jenseits autoritärer Strukturen wird der Wind rauer. Gerade aufstrebende Schwellenländer begegnen Beratungs- und Dialogangeboten mit einem neuen und gestärkten Selbstbewusstsein. Die Nachfrage nach unseren Angeboten von repräsentativer Parteiendemokratie und Sozialer Marktwirtschaft lebt nicht zuletzt von der Ausstrahlung des eigenen Modells – und da hört man international vermehrt den Hinweis auf zu erledigende Hausaufgaben in Europa. Gleichzeitig beeindruckt speziell die wirtschaftliche Entwicklung neuer Systemkonkurrenten wie China – manchmal bis hinein ins deutsche Unternehmerlager, das die ausgeprägten Partizipationsstrukturen in der Heimat nicht immer als Segen empfindet und gern die „Effizienz“ an anderen Standorten preist, unabhängig von deren demokratischer Qualität.

Ein gewisses Spannungsverhältnis wird unsere Standort- und Programmentscheidungen sicher auch künftig prägen: Mit wem lässt sich wo was wirkungsvoll umsetzen, in welchen Formaten und unter unterschiedlichsten Bedingungen, im Sinne der Demokratieförderung weltweit? An der Lösung dieser Frage mitzuwirken, bleibt für alle Beteiligten im In- und Ausland eine verantwortungsvolle und lohnende Aufgabe.

 

Frank Priess, Stellvertretender Leiter der Europäischen und Internationalen Zusammenarbeit

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