Indien
Aus indischer Sicht ist China die Antithese zum demokratischen Indien. Entsprechend widersetzt man sich der Wahrnehmung eines „neuen China“ – auch mit Blick auf die Bedeutung des Militärs und die staatliche Wirtschaftslenkung. Beide Länder sind inzwischen wirtschaftliche Giganten mit gemeinsamen Grenzen, tauschen sich allerdings bislang wenig miteinander aus. Eine verbreitete Sichtweise geht dahin, dass Indien mit Know-how handele, China dagegen Produkte kopiere und natürliche Ressourcen im Übermaß an sich binde. Indessen wird ein wirtschaftlich starkes China durchaus auch als Chance für Indien verstanden. Der zurzeit asymmetrischen Handelsbilanz zugunsten Chinas möchte die indische Regierung unter anderem durch Anreize für chinesische Unternehmen in Indien begegnen.
China wird ferner als Gegengewicht zur westlichen Weltordnung gesehen, wobei die Sorge wächst, dass die Volksrepublik zu mächtig werden könnte. Der Ausbau von Militärstützpunkten im Indischen und Pazifischen Ozean sowie Chinas Nachbarschaftspolitik beunruhigen Indien. Dem Erstarken des Nachbarn kann nur eine multipolare Ordnung, in der auch Indien eine gewichtige Rolle spielt, entgegenstehen. Entsprechend zielt die indische Politik darauf, die Kooperation mit anderen asiatischen und pazifischen Staaten zu intensivieren.
Historisch sind die Beziehungen zwischen Indien und China durch wiederholte Grenzkonflikte sowie die Tibetfrage belastet. 1962 war es zu einem Grenzkrieg gekommen, der zur Teilung des Bundesstaates Arunachal Pradesh führte. Die sogenannte McMahon-Linie wird von China gegenwärtig immer noch nicht anerkannt. Bis heute dringen chinesische Einheiten regelmäßig auf indisches Gebiet vor und errichten militärische Posten. Den Einfluss Chinas in Afghanistan und Pakistan sowie die angebliche Unterstützung terroristischer Gruppierungen im Nordosten Indiens und in den Nachbarländern beobachten die Inder mit Argwohn.
Indien versucht, China aus einer Position der Stärke zu begegnen. Die zuletzt aufgetretenen wirtschaftlichen Turbulenzen Chinas und die Währungsabwertung bei gleichzeitigen hohen Wachstumszahlen in Indien haben das Potenzial, das wirtschaftliche Kräfteverhältnis zugunsten Indiens zu verschieben. Die Abwertung der Rupie infolge der chinesischen Währungsabwertung zeigt jedoch auch, wie sehr Indien an einem wirtschaftlich stabilen China gelegen sein muss.
Lars Peter Schmidt, Auslandsbüro Neu-Delhi der Konrad-Adenauer-Stiftung
Pakistan
China zählt zu den engsten Verbündeten Pakistans. Das Land ist bestrebt, Chinas Einfluss in der Region zu nutzen, um eigene regionalpolitische Interessen zu wahren. Dabei geht es vor allem um die Machtbalance zwischen Pakistan und Indien. So besitzt das Verhältnis zu China über die erhebliche wirtschaftliche Bedeutung hinaus – China ist der mit Abstand größte ausländische Investor – eine zentrale strategische Bedeutung für Pakistan. Entsprechend besteht zwischen beiden Ländern sowohl im zivilen als auch im militärischen Bereich eine intensive Kooperation. In politischen Kreisen Pakistans werden die Beziehungen zu China langfristig als bedeutender und existenzieller eingeschätzt als jene zu den USA.
Den Grundstein für die engen Beziehungen legten die beiden Länder in den frühen 1950er-Jahren. Pakistan gehörte damals nicht nur zu den ersten Ländern, die die neu gegründete Volksrepublik China anerkannten, sondern war das erste muslimische Land, das diesen Schritt vollzog. Für die Volksrepublik China war die Anerkennung durch Pakistan von hoher Bedeutung, da sich für das Land ein Zugang zum nichtkommunistischen Teil der Welt ergab.
In der Zeit der chinesischen Kulturrevolution, als China international isoliert war, ergriff Pakistan die diplomatische Initiative und vermittelte zwischen China und den USA. Ohne Pakistans diplomatische Entschlossenheit hätte 1972 der Besuch von US-Präsident Nixon in Peking nicht stattgefunden. Pakistan gehörte zudem zu den Ländern, die die Übertragung des UN-Sitzes der vormaligen Republik China auf die Volksrepublik China im Oktober 1971 maßgeblich forcierten. In China wird Pakistan daher als der treue Partner angesehen, der in schwierigen Zeiten an Chinas Seite stand und es aus der internationalen Isolation holte.
Pakistan profitiert vor allem militärisch und wirtschaftlich von den vertrauten Beziehungen zu China. Seit 1966 gibt es eine enge militärische Zusammenarbeit zwischen beiden Ländern, die 1972 in eine strategische Allianz mündete. Pakistan bezieht seitdem einen bedeutenden Teil seiner militärischen Ausrüstung aus China. Das Land entwickelte sich für Pakistan zum wichtigsten Lieferanten von Rüstungsgütern und militärischem Know how. Daneben ist – bedingt durch den rasanten wirtschaftlichen Aufstieg Chinas – für Pakistan auch das wirtschaftliche Engagement der Volksrepublik von wachsender Bedeutung. Das Investitionsvolumen beläuft sich für die kommenden Jahre auf 46 Milliarden US-Dollar, mit denen China den China Pakistan Economic Corridor (CPEC) als Teil der neuen Seidenstraße entwickeln möchte. China verfolgt mit dem CPEC ein klares Ziel: den direkten Zugang zum Arabischen Meer via Pakistan.
Ronny Heine, Auslandsbüro Islamabad der Konrad-Adenauer-Stiftung
Südkorea
Die südkoreanisch-chinesischen Beziehungen sind aktuell so gut wie lange nicht mehr. Unter der Präsidentin Park Geun hye und dem Präsidenten Xi Jinping haben sich die beiden Staaten angenähert, während die Beziehungen beider zu Japan erkalten und jene zu Nordkorea deutlich angespannt sind. Gemeinsame Ziele sind die Schaffung von Sicherheit und Stabilität in Nordostasien sowie die Denuklearisierung Nordkoreas. Dazu haben sich Park und Xi binnen dreier-Jahre sechsmal getroffen. Parks Teilnahme an der chinesischen Militärparade im September 2015 symbolisierte eine Loslösung Seouls von der Mentalität des Kalten Kriegs.
Die Verbindung ist vor allem ökonomischer Natur. Seit 2003 ist China mit jährlich etwa 230 Milliarden US-Dollar Südkoreas stärkster Handelspartner und mit rund dreißig Prozent der Ausfuhren größter Exportabsatzmarkt. 2015 unterzeichneten die beiden Staatschefs ein Freihandelsabkommen; außerdem trat Seoul der von China initiierten Asiatischen Infrastrukturinvestmentbank bei.
Die blühenden Beziehungen sind auch auf die enge persönliche Verbindung zwischen Park und Xi zurückzuführen. Diese reicht mehr als zehn Jahre zurück und basiert auf einem ähnlichen biografischen Hintergrund. Parks Vater war Präsident, beide Eltern wurden ermordet; Xis Vater war Vizepremier und wurde politisch verfolgt. Dies schuf Verbundenheit und gegenseitigen Respekt. Unter den früheren Staatschefs Lee Myung-bak und Hu Jintao sah das noch anders aus: Lees Regierung war den USA und Japan zugewandt und gegenüber China eher zurückhaltend. Seoul laviert jedoch zwischen seiner Sicherheitsallianz mit den USA und den Wirtschaftsbeziehungen mit China. Der Beitritt Südkoreas zur Asiatischen Infrastrukturinvestmentbank trotz US-Gegendrucks zeigt den hohen Stellenwert der Wirtschaft. Auch in Sicherheitsfragen möchte man sich nicht mehr allein auf die USA verlassen. Park hofft, dass Peking eine aktive Rolle bei der Wiederbelebung der innerkoreanischen Beziehungen übernimmt und Pjöngjang zur Fortsetzung der Sechs Parteien Gespräche sowie zum Stopp weiterer Atomwaffentests bewegen kann.
Konflikte zwischen den beiden Wirtschaftsmächten bestehen aber dennoch: Die Stationierung des Raketenabwehrsystems THAAD der USA in Korea könnte die Beziehungen zu China gefährden. Park schiebt eine Entscheidung bislang auf; auch bei der Kritik in Bezug auf regionale Streitigkeiten im Südchinesischen Meer hält sich die Präsidentin Südkoreas zurück: Es gilt, China nicht zu verärgern und im Falle eines Konflikts mit dem Norden auf ihre Seite zu ziehen.
Norbert Eschborn und Andrea Drotleff, Auslandsbüro Seoul der Konrad-Adenauer-Stiftung
Vietnam
Das Verhältnis zwischen beiden kommunistischen Nachbarn – selten von Einigkeit geprägt – hat einen neuen Tiefpunkt erreicht. Der eskalierende Konflikt im Südchinesischen Meer erscheint aus vietnamesischer Sicht als ein Ergebnis der Großmachtbestrebungen, die Xi Jinpings Amtszeit auszeichnen. Xis „Reich der Mitte“ hat Vietnam allerdings wenig entgegenzusetzen. Der historische Feind und kommunistische Freund hat sich in den Augen der Vietnamesen zu einem unberechenbaren Drachen gewandelt, der von Diplomatie nicht mehr viel hält. Politisch wie wirtschaftlich ist Vietnam eng an China gebunden. Seit der Normalisierung der Beziehungen 1991 wurde China Vietnams größter Handelspartner. 2001 verpflichteten sich beide Staaten zu einer umfangreichen strategischen Partnerschaft – für Vietnam neben Russland die einzige. In Zahlen dargestellt, werden die Interessenkonflikte schnell deutlich: Das Handelsdefizit mit China betrug 2014 knapp dreißig Milliarden US-Dollar (+21,8 Prozent im Vergleich zu 2013). Vietnam exportiert vor allem Kohle, aber ohne die Elektronik-, Textil-, Chemie- und Industrieimporte aus China könnte Vietnam derzeit nicht existieren. Das aktuelle Handelsvolumen beträgt 63,6 Milliarden US-Dollar – angestiegen um das Vierzehnfache im vergangenen Jahrzehnt. Allein neunzig Prozent der Ausschreibungen im Bereich Detailplanung und Kontrolle, Beschaffungswesen, Ausführung der Bau- und Montagearbeiten (Engineering, Procurement and Construction, EPC) gingen an China. Da bleibt wenig Spielraum für eigenständige Politik.
Nach dem Parteitag im Januar 2016 wird das neue Personaltableau der Kommunistischen Partei Vietnams zeigen, ob sich die Regierung weiter an China anlehnt oder künftig stärker aufbegehrt. Das Misstrauen der nationalistisch geprägten Vietnamesen gegen China ist historisch tief verwurzelt. Chinesische Produkte werden im Alltag boykottiert, chinesischen Firmen und Wanderarbeitern begegnet man mit gesteigertem Argwohn. Mit der Bohrinsel HD 981, platziert in Vietnams maritimer Wirtschaftszone im Mai 2014, brachen die Grenzstreitigkeiten wieder auf. Das Volk demonstrierte gegen den „Aggressor“ – der sonst rigide vietnamesische Staat ließ es gewähren.
Der Streit um die Vorherrschaft im Südchinesischen Meer kann auch als Glücksfall für die politische Zukunft Vietnams gewertet werden. Will der chinesische Präsident Xi seine Politik der „Community of Shared Destiny“ erfolgreich gestalten und sein Seidenstraßen Projekt „One Belt, One Road“ durchsetzen, kann er keine militärischen Konflikte gebrauchen. Zwar schafft die illegale Bebauung der Spratly-Inseln Fakten, aber auf lange Sicht werden Xis große Initiativen nicht ohne die ASEAN-Staaten durchsetzbar sein.
Vietnam hat seine Außenpolitik derzeit stärker auf den Westen ausgerichtet. Die USA sind politisch, militärisch und wirtschaftlich nicht nur näher an Vietnam gerückt. Die neuen Allianzen stören den chinesischen Weg, über bilaterale Beziehungen politische Erfolge zu erzielen. Das Freihandelsabkommen mit der Europäischen Union und die Trans-Pacific Partnership (Transpazifische Partnerschaft, TPP) bedeuten für Vietnam wirtschaftliche Diversifizierung – vorausgesetzt, es löst sich von seiner sozialistisch geprägten Marktwirtschaft. Je weiter Vietnam sich gen Westen öffnet, desto mehr wird China daran interessiert sein, den Nachbarn unter allen Umständen als wohlgesinnten Partner zu behalten.
Rabea Brauer, Auslandsbüro Hanoi der Konrad-Adenauer-Stiftung
Philippinen
Politisch territoriale und wirtschaftliche Interessen scheinen im Verhältnis der Philippinen zu China stärker denn je auf Kollisionskurs zu gehen. Im seit Jahren andauernden Disput um Chinas Aktivitäten im Südchinesischen Meer haben die Philippinen 2013 einen mutigen Schritt gewagt: Der Inselstaat hat den Ständigen Schiedshof in Den Haag angerufen und um Klärung gebeten. Streitpunkte sind vor allem die Besitzansprüche auf die Spratly-Inseln und das Scarborough-Riff. Entschieden werden soll in Den Haag nicht über tatsächliche territoriale Souveränitätsfragen, sondern über Chinas Besetzung und Kontrolle von Riffen wie Fiery Cross, Cuarteron, Subi, McKennan, Johnson South, Gaven, Mischief und Scarborough.
Im Juli 2015 sollte in einer Anhörung die Frage der Zuständigkeit des Gremiums geklärt werden, bevor das ordentliche Schiedsverfahren seinen Anfang nähme. Am 14. Juli forderte das Gremium die Philippinen auf, ihren Anspruch mit weiteren Dokumenten zu untermauern. Im Oktober erklärte sich der Schiedshof nun für zuständig und kündigte an, den Fall zu behandeln. Trotz Chinas Weigerung, an der Verhandlung teilzunehmen oder ihr Ergebnis anzuerkennen, ist dies bereits ein kleiner Sieg für Präsident Benigno Aquino. Selbst wenn dies für die Lage im Südchinesischen Meer faktisch keine sofortigen Konsequenzen bedeutet, ist es in der Wahrnehmung der internationalen Gemeinschaft ein Achtungserfolg für die Philippinen.
Wirtschaftlich besteht zwar durchaus eine große Abhängigkeit von China, hinsichtlich des Handelsvolumens mit der Volksrepublik liegen die Philippinen allerdings weit hinter südostasiatischen Nachbarn wie Thailand, Malaysia, Indonesien und Vietnam. Was Direktinvestitionen aus China betrifft, nehmen die Philippinen innerhalb der ASEAN sogar den vorletzten Platz ein.
Vizepräsident Jejomar Binay, der im Mai 2016 bei den Präsidentschaftswahlen Aquino beerben will, hat für den Fall seines Wahlsieges bereits angekündigt, einen Beitritt zur Asiatischen Infrastrukturinvestmentbank anzustreben. Trotzdem habe die Territorialfrage im Südchinesischen Meer auch für ihn höchste Priorität. Das Verhältnis zu China ist im Vorfeld des anstehenden Wahlkampfes besonders brisant, da ein großer Teil der reichsten Familien auf den Philippinen chinesische Wurzeln hat.
Benedikt Seemann, Auslandsbüro Manila der Konrad-Adenauer-Stiftung
Japan
Als der chinesische Staats- und Parteichef Xi Jinping im November 2014 am Rande des Asien-Pazifik Gipfels in Peking erstmals den japanischen Premierminister Shinzō Abe empfing, wirkte der Händedruck noch reichlich verkrampft.
Spätestens seit ihrer zweiten offiziellen Begegnung beim Asien-Afrika-Gipfel im April 2015 in Jakarta stehen die Zeichen aber auf Annäherung. Für die meisten internationalen Beobachter war mit dem halbstündigen Meinungsaustausch der beiden Spitzenpolitiker gar ein „Tauwetter“ in den seit Jahren durch territoriale Streitigkeiten belasteten Beziehungen angebrochen. Mit „großer Freude“ reagierte Regierungschef Abe dann einen Monat später darauf, dass Xi Jinping sich in Peking auch mit japanischen Abgeordneten traf. Deren dreitägiger Besuch in der Volksrepublik hatte ebenfalls die Verbesserung der bilateralen Beziehungen zum Ziel. Unter anderem ging es um eine Stärkung des Tourismus zwischen Japan und China. Der vorläufige Höhepunkt im beiderseitigen Verhältnis war schließlich Anfang November das Gipfeltreffen zwischen Shinzō Abe, Chinas Premierminister Li Keqiang und der südkoreanischen Präsidentin Park Geun hye in Seoul.
In den japanischen Medien wurden die Spitzengespräche der letzten Monate überwiegend positiv bewertet. In der Bevölkerung des Inselstaates dominiert gegenüber China jedoch weiterhin Skepsis. Nach einer Anfang September veröffentlichten Umfrage des US-amerikanischen Pew Research Center vertrauen nur zwölf Prozent aller Japaner darauf, dass Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping „in weltweiten Angelegenheiten richtig handelt“. 83 Prozent aller Befragten äußerten sich besorgt bis sehr besorgt über die territorialen Spannungen mit der Volksrepublik. Eine bereits im Juni 2015 veröffentlichte Umfrage des Pew Research Center kam zum Ergebnis, dass fast neunzig Prozent aller Japaner den wirtschaftlichen Einfluss Chinas negativ einschätzen. Gleichzeitig sind nur zwanzig Prozent aller Befragten der Meinung, dass die USA von der Volksrepublik als globale Supermacht bereits abgelöst wurde oder in Zukunft abgelöst werden wird.
Paul Linnarz, Auslandsbüro Tokio der Konrad-Adenauer-Stiftung