Asset Publisher

Eine Punktation

Asset Publisher

Erstens: Jeder Mensch trägt Verantwortung für sich und seine Familie. Er sorgt vor für Krankheit und Alter, für die Ausbildung seiner Kinder, für besondere Lebenslagen, für ein wohnliches Zuhause. Er verlässt sich also nicht nur auf den Staat und auf fremde Hilfe, sondern er trifft private Vorsorge. Wenn es sein Einkommen zulässt, legt er monatlich etwas zurück. Er verbraucht nicht seinen ganzen Lohn. Er spart. Das ist vernünftig.

Zweitens: In der Regel hat er für seine Geldanlage klare Prinzipien – Sicherheit, Zuwachs durch Zinsen und Prämien, Verfügbarkeit im Notfall.

Die einfachste Form des Sparens ist das Sparbuch. Es erfüllt in der Regel alle diese drei Prioritäten. Selbst heute, wo die Habenzinsen sehr niedrig sind und nicht die Inflationsrate decken, entscheiden sich viele für das Sparbuch, weil sie Sicherheit vor riskante Wertpapieren setzen, die sich in den letzten Jahren teilweise als wertlos erwiesen haben.

Drittens: Aus der Sicht des Staates ist das Sparen vernünftig. Die Spareinlagen der Bürger werden von der Sparkasse oder Bank an Selbstständige ausgeliehen, die damit Investitionen finanzieren und Arbeitsplätze schaffen. Sie werden ausgeliehen an Mitbürger, die sich zum Bau eines Hauses oder zum Kauf einer Eigentumswohnung entschlossen haben und sie teilweise durch Darlehen finanzieren müssen. Auch dies führt zur Steigerung der Produktivität und zu Aufträgen für das Bauhandwerk.

Weil der Staat Sparen und Eigentumsbildung für gut hält, fördert er das Bausparen mit Prämien, die Altersvorsorge mit Sparerfreibeträgen, die Vermögensbildung mit Steuervergünstigungen, die Spareinlagen durch Garantieerklärungen der Bundeskanzlerin.

Zu vernünftigen Sparformen haben sich bei uns neben dem Bausparen auch die Lebensversicherungen entwickelt.

Zum Sparen zähle ich außerdem, wenn Eigentümerunternehmer über Jahre hinweg wesentliche Teile ihres Gewinnes nicht ausschütten, sondern im Unternehmen belassen und investieren und so wirtschaftliches Wachstum ermöglichen.

Viertens: Sparen ist eine Grundhaltung. Menschen mit einem Sparwillen leben nicht in den Tag hinein. Sie haben Ziele. Sie leben nicht über ihre Verhältnisse. Sie stellen keine unerfüllbaren Forderungen an den Staat und die Gemeinde. Sie wissen, dass der Staat nicht eine Kuh ist, die im Himmel frisst und auf Erden gemolken werden kann, sondern dass er alles, was er verteilt, vorher den Bürgern abnehmen muss.

Fünftens: Diese Bürger lehnen Schulden nicht grundsätzlich ab. Sie wissen, dass kein Mensch ein Haus bauen kann, ohne dass er vorher spart, sich mit einem Teilbetrag der Kosten verschuldet und dann viele Jahre abzahlt. Keine Gemeinde kann ein Schulhaus bauen ohne Schulden. Kein Land kann eine Hochschule bauen ohne Schulden. Es gibt Schulden, die Investitionen sind. Schlimm ist, wenn sich die öffentliche Hand für laufende Ausgaben verschuldet – für Personalkosten, für Sozialleistungen oder schlicht zum Haushaltsausgleich. Wer dafür Schulden macht, lebt heute auf Kosten der nächsten Generation. Der Spielraum für öffentliche Aufgaben wird immer geringer. Die Zinslast wird immer größer. Am Ende muss der Staat Schulden aufnehmen, um fällige Anleihen zurückzuzahlen und zu verzinsen. Ein Staat, der so handelt, vernichtet das Vermögen und die Ersparnisse der Bürger durch Inflation.

Sechstens: Es gab einmal Zeiten, in denen sich der Staat verhielt wie die Sparer. Es waren nicht Zeiten einer blühenden Wirtschaft mit sprudelnden Steuereinnahmen. Es war vielmehr die schlimmste Nachkriegszeit, die ersten Jahre der jungen Bundesrepublik Deutschland. Damals war große Not. Städte waren zerstört und mussten neu aufgebaut werden. Millionen Heimatvertriebene mussten untergebracht werden. Wohnungsbau war eine zentrale Aufgabe. Soforthilfe und Lastenausgleich haben Milliarden verschlungen, und die Kriegsopfer waren zu versorgen. Die Wirtschaft war erst im Aufbau. In genau dieser Zeit größter Not hatten wir einen Bundesfinanzminister Fritz Schäffer, der neben der Erfüllung dieser Aufgaben noch Rücklagen ansammelte. Er zeigte, was menschenmöglich ist, wenn die Gesinnung der Bürger und der Mut der Politiker übereinstimmen. Später sagte der Bundesfinanzminister Franz Josef Strauß: „Eher legt ein Hund einen Wurstvorrat an, als dass die öffentliche Hand Rücklagen bildet.“ Wir sind seither in guten Zeiten in eine immer stärkere Verschuldung hineingeraten. In schwierigen Konjunkturlagen wurde die Neuverschuldung damit begründet. In besseren Konjunkturlagen hat man nicht Schulden getilgt, sondern sich zusätzlich verschuldet.

Heute stellt man semantisch die Dinge auf den Kopf, wenn man die Reduzierung der Neuverschuldung als „Sparen“ bezeichnet. Sparen ist: nicht über seine Verhältnisse leben. Sparen ist: Geld zurücklegen, das man hat, und nicht etwa die Neuverschuldung reduzieren.

Siebtens: Natürlich hat die hohe Staatsverschuldung auch etwas mit der Erwartungshaltung der Bürger zu tun. Aber am Anfang jeder Ausgabenwelle des Staates stand die Erwartung eines bestimmten Wahlverhaltens der Bürger als Antwort darauf, dass die öffentliche Hand Geld unter die Leute bringt. So wurde eine Erwartungshaltung gezüchtet und gefördert.

Politische Verantwortung heißt, den Bürgerinnen und Bürgern offen die eigene Situation zu schildern und nicht den jetzt Jungen die Last aller heutigen Wohltaten aufzubürden. Wir müssen mit den Ressourcen auskommen, die wir haben. Die Staatsausgaben müssen sich an den Staatseinnahmen orientieren. Niemand kann auf Dauer ungestraft über seine Verhältnisse leben, kein Bürger und kein Gemeinwesen.

Achtens: Auch wer Sparen als Einsicht des gesunden Menschenverstandes sieht, ist nicht für Sparen um jeden Preis. Wann gehen Eltern an das Sparbuch? Für die Ausbildung ihrer Kinder. Bücher sind noch wichtiger als Sparbücher. Sparen ist kein Selbstzweck. Wir sparen für gute Ziele und Werte.

Neuntens: Wir müssen heute auch sparen, um den kommenden Generationen ihre Lebensgrundlagen zu sichern. Die natürlichen Ressourcen wie Wasser, Luft, gesunde Böden, unsere Wälder und Bodenschätze sind endlich und dürfen deshalb nicht verschwendet werden. Das gebietet sparsamen Umgang und Nachhaltigkeit. Unsere Generation darf die Zukunft unserer Kinder nicht belasten oder gar vernichten.

Verantwortung ist ein Schlüsselwort unserer Zeit. Sparen ist verantwortlicher Umgang im Heute für Lebenschancen morgen. Deshalb ist Sparen vernünftig.

 

Erwin Teufel, geboren 1939 in Zimmern bei Rottweil, von Januar 1994 bis April 2005 Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Mitglied des Kuratoriums der Konrad-Adenauer-Stiftung.

comment-portlet