Es ist noch nicht allzu lange her, dass die US-Amerikaner am 6. November 2024 Donald J. Trump erneut zu ihrem Präsidenten gewählt haben. Und sehr schnell war unmissverständlich klar, dass mit der neuen Trump-Vance-Administration ein fundamental neuer Kurs der USA sowohl in der Außen- und Sicherheitspolitik als auch in der internationalen Handelspolitik ins Weiße Haus Einzug gehalten hatte. Trumps erratische Zollerhöhungen – angekündigt, zurückgenommen bzw. befristet ausgesetzt – und die damit einhergehende Verschärfung tarifärer Handelshemmnisse sind schon wenige Wochen nach Amtsantritt ebenso denkwürdig wie JD Vances Auftritt auf der Münchener Sicherheitskonferenz. Ins Gedächtnis eingebrannt hat sich, vor allem bei deutschen Spitzenpolitikern, die Mahnung des US-Vize-Präsidenten, die demokratischen Werte in Europa, und vornehmlich in Deutschland, seien gefährdet, woraus er schloss: „If you’re running in fear of your own voters, there is nothing America can do for you.“ Auf diese offensichtliche Einmischung in innenpolitische Belange ist von deutscher Seite mit Empörung und Zurückweisung reagiert worden. Doch die Botschaft von JD Vance hatte noch eine zweite, eine sicherheitspolitische Dimension. Die Befürchtung, die USA könnten aus der NATO austreten, hat sich zwar bisher nicht bewahrheitet, sehr wohl aber, dass Trump den NATO-Artikel 5 in Frage zu stellen scheint und dass die Amerikaner ins Kalkül ziehen, sich aus Europa zurückzuziehen. Auch Trumps Umgang mit dem ukrainischen Präsidenten Selenskyj sorgte in Europa für Aufsehen. Der Eklat im Oval Office, die vorübergehende Einstellung des Informationsaustauschs aus US-Frühwarnsystemen, das Grounding von US-Waffensystemen wie HIMARS sowie das gleichzeitige, scheinbar beschwichtigende Auftreten gegenüber Putin – etwa mit Blick auf einen schnellen Waffenstillstand und ein mögliches Rohstoffabkommen – riefen nicht nur starke Irritationen hervor, sondern setzten die Europäer unter Zugzwang.
Europäische Sicherheitsexperten diskutieren bereits seit Jahren, die Möglichkeit eines zu erwartenden harten Kurswechsels in der US-Sicherheitspolitik unter einem wiedergewählten Präsidenten Trump. Allein die Geschwindigkeit und Gleichzeitigkeit, mit der sich ein möglicher Rückzug der US-Unterstützung für die Ukraine abzeichnete – inklusive des unausgesprochenen Drucks auf Kiew zu kapitulieren – sorgten für große Unruhe. Zugleich belastete die Aussage der US-Regierung, militärische Beistandspflichten künftig an die Verteidigungsausgaben der Partner zu knüpfen, das Vertrauen der europäischen NATO-Staaten massiv. Beides kam überraschend und machte sofortiges Handeln erforderlich. Doch keineswegs, um Donald Trump zu gefallen, sondern um Europas Beitrag zur kollektiven Sicherheit im transatlantischen Bündnis zu stärken, damit es als Spieler auf der Weltbühne anders wahrgenommen wird und seine Interessen klarer vertreten kann.
Das vorrangige Argument der Trump-Administration ist, die europäischen NATO-Partner würden die USA „ausnutzen“, da sie weniger als zwei Prozent ihres BIPs für die Verteidigung ausgeben. Dieser Zielwert wurde erstmals beim NATO-Gipfel 2014 in Wales in einem Gipfeldokument festgehalten. Richtig ist, dass die Europäer von den US-Sicherheitsgarantien profitieren. Dass dies zum Nachteil der USA geschieht, darf allerdings bezweifelt werden. Aus nachfolgenden drei Gründen:
- Die US-Truppen in Europa dienen weniger der Verteidigung Europas selbst, sondern in erster Linie der Funktionsfähigkeit und Sicherheit amerikanischer Einrichtungen. Die US-Einrichtungen unterstützen mit ihrer Logistik die Machtprojektion der USA in Europa und im Nahen Osten. Ohne diese Infrastruktur könnten die USA dort nicht militärisch aktiv werden. Die europäischen Verbündeten sind zwar an vielen der Einsätze beteiligt, jedoch immer unter amerikanischer Führung. Der Eindruck, die USA seien in Europa ganz uneigennützig engagiert, ist falsch. Ihr Engagement dient der Wahrung der eigenen Interessen.
- Die Höhe der US-Verteidigungsausgaben war noch nie von den Verteidigungsausgaben ihrer europäischen Verbündeten abhängig. Die USA planen ihren Haushalt so, dass sie ihre gewünschten Fähigkeiten aufrechterhalten, um als einzige globale Supermacht ihre strategische Dominanz sicherzustellen. Und das, wenn nötig, unabhängig vom Bündnis, ganz auf eigene Rechnung.
- Zentraler Bestandteil der NATO-Doktrin ist die Ausweitung des US-Nuklearschirms auf die europäischen Verbündeten. Mit der nuklearen Abschreckung, die sich vor allem auf amerikanische Atomwaffen stützt, steht und fällt das Prinzip kollektiver Sicherheit gemäß Artikel 5 des NATO-Vertrages. Alle sollen wissen, dass ein bewaffneter Angriff auf einen NATO-Mitgliedstaat einen Atomkrieg auslösen könnte. Zwar tragen die US-amerikanischen Steuerzahler erhebliche Kosten, um die nukleare Abschreckung aufrechtzuerhalten, aber zum einen wäre wohl niemand in den USA bereit, auf die nukleare Überlegenheit zu verzichten, und zum anderen verhindert die Schutzgarantie, dass andere Länder selbst nach Atomwaffen streben (die gleiche Logik gilt für die US-Allianzen mit Japan und Südkorea). Weil Trump dieses Modell wiederholt in Frage gestellt hat, werden in Asien und Europa nun Forderungen nach eigenen Nuklearwaffen laut. Es darf stark bezweifelt werden, ob den Interessen der USA besser gedient wäre, wenn in Europa oder Asien der Atomwaffensperrvertrag aufgekündigt und ein nukleares Wettrüsten ausbrechen würde.
Wegen des erratischen und strategisch widersprüchlichen Verhaltens der Trump/Vance-Administration, ist es mehr als ratsam, dass wir als ihre europäischen Verbündeten nüchtern und rein interessengeleitet mit dieser Art der Ambivalenz umgehen. Denn jenseits der politischen Führung der USA ist den meisten sicherheitspolitischen Akteuren klar, dass das Bündnis selbstverständlich auch im Interesse der USA ist. Nahezu niemand unterstützt Trumps Infragestellung der Bündnissolidarität. Doch ungeachtet dessen ist die europäische Aufrüstung notwendig. Die Zeiten haben sich geändert: Wer seine Interessen durchsetzen will, braucht mehr als nur Soft Power und wirtschaftliche Stärke. Gefragt ist auch robuste Hard Power in Form militärischer Fähigkeiten. Und das Zeitfenster für die europäische Aufrüstung schließt sich angesichts Russlands Handeln schneller als gedacht. Wir sehen bereits nahezu alle Spielarten hybrider Kriegsführung – unterhalb der Schwelle offener Kampfhandlungen. Und wir sehen eine russische Rüstung und Rhetorik, die über den Angriffskrieg gegen die Ukraine hinausweist. So stellte der Generalinspekteur der Bundeswehr fest, dass Russland spätestens bis 2029 zu einem „großmaßstäblichen Krieg gegen Bündnisgebiet“ bereit sein werde. Trotz aller Schwierigkeiten muss der Ausbau der militärischen Fähigkeiten der europäischen NATO-Partner oberste sicherheitspolitische Priorität haben. Deutschland als größter und wirtschaftlich stärkster europäischer NATO-Mitgliedstaat kommt hierbei eine entscheidende Führungsrolle zu. Daher hat Bundeskanzler Merz kürzlich angekündigt, die Bundeswehr zur stärksten Armee Europas aufbauen zu wollen. Es geht nicht darum, Trump zu besänftigen, indem man das 2-Prozent-Ziel erreicht oder die 5 Prozent der NATO in Aussicht stellt. Es geht darum, die sicherheitspolitische Abhängigkeit von den USA zu reduzieren, um unter den Europäern eine Operationsfähigkeit im großen Maßstab zu erreichen, und das im Zweifelsfall auch ohne die Enabler-Fähigkeiten der USA. Militärexperten zufolge braucht es dafür zehn Jahre, und wir müssen nicht nur mit höheren jährlichen Verteidigungsausgaben rechnen, sondern es müssen auch die Partner in EU/NATO aktiviert werden. Seit der Amtsübernahme von Bundeskanzler Merz hat sich gezeigt, dass der Motor dieser Entwicklung nicht nur EU-Staaten sind: Deutschland, Frankreich, Polen und Großbritannien, die sog. „E4“, werben für eine „Koalition der Willigen“ und bilden für die Unterstützung der Ukraine ein europäisches Quartett, das unabhängig von der EU die europäische Aufrüstung anleiten, koordinieren und voranbringen wird.
Möglicherweise wird auch eine alte Idee aufgegriffen: das Europa der zwei Geschwindigkeiten. Besonders fähige und willige Staaten schließen sich enger zusammen. Auch wenn das keine neue institutionelle Struktur mit sich bringt, könnte es ein Schritt in Richtung einer stärkeren politischen Union sein. Niemand erwartet, dass Europa jenseits des Maastrichter Vertrages und neben der EU-Ministerratsstruktur sowie der intergouvernementalen Ebene der Staats- und Regierungschefs eine grundlegend neue Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) entwickelt. So steht ein Europäischer Sicherheitsrat (mit ständigen und nicht-ständigen Mitgliedern wie auf UN-Ebene), an dem auch Großbritannien teilnimmt, nicht in Aussicht. Dennoch bleibt die Frage, ob und wie man Europa schneller und effektiver handlungsfähig machen kann. Ob US-Präsident Donald Trump das Bündnis tatsächlich destabilisiert, darüber lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt trefflich streiten. In jedem Fall hat das bisherige Vorgehen der neuen US-Administration die Europäer spürbar unter Anpassungsdruck gesetzt – sowohl in der Sicherheits- als auch in der Handelspolitik.
Am 2. April kündigte der US-Präsident im Rosengarten des Weißen Hauses die auf fragwürdigen Berechnungen basierenden neuen weltweit geltenden Zölle an. Seine Ankündigung feierte er als „Tag der Befreiung“ („Liberation Day“) und schockierte damit auch die Europäer. Ursprünglich sah der Plan von Präsident Trump vor, dass Importe aus der EU mit einem Zollsatz von 20 Prozent belegt werden sollten, für Autos sogar 25 Prozent. Inzwischen war von Zöllen von 50 Prozent die Rede, und das, obgleich die EU ihrerseits keine Anhebung der Zölle auf US-amerikanische Güter angekündigt hatte. Im Gegenteil: Zwischenzeitlich kursierte das Gerücht, die EU-Kommission wolle auf einen vollständigen Zollabbau im transatlantischen Handel hinarbeiten – was faktisch einer tarifären Freihandelszone gleichkäme.
Im Jahr 2023 waren die USA für die deutsche Exportwirtschaft so wichtig wie seit zwei Jahrzehnten nicht mehr, wie das Statistische Bundesamt mitteilt. Deutschland hat Güter im Wert von ca.158 Milliarden Euro in die USA exportiert, was ca. 10 Prozent der deutschen Gesamtexporte entspricht. Für die EU liegt das Exportvolumen in die USA bei ca. 500 Milliarden Euro , etwa 20 Prozent der weltweiten EU-Exporte. Umgekehrt stammten rund sieben Prozent der deutschen Gesamtimporte 2023 aus den USA – auf EU-Ebene waren es etwa 14 Prozent. Deutschland verzeichnete 2023 im Handel mit den Vereinigten Staaten einen Rekord-Exportüberschuss von rund 63 Milliarden Euro. Für die gesamte EU lag der Überschuss bei etwa 150 Milliarden Euro. Nach den Worten von Präsident Trump sei dies kein Einzelfall: Die USA hätten auch mit vielen anderen Ländern anhaltend negative Handelsbilanzen – das Land befinde sich insgesamt in einem permanenten Handelsbilanzdefizit.
Nun muss man kein großer Mathematiker sein, um zu sehen, dass diese Aussage von Trump zumindest für die deutsche und auch für die EU-Wirtschaft zutrifft, wenngleich die beiderseitigen Handelsvolumina seit zehn Jahren kontinuierlich gestiegen sind.
Den bloßen Zahlen hat der US-Präsident aber immer wieder auch eine moralische Dimension gegeben. Wie schon in der Sicherheitspolitik auf die NATO-Bündnisstruktur anspielend ließ er die Welt auch in Sachen Handelspolitik wissen, dass andere Länder die Vereinigten Staaten ausnutzen würden und dass damit nun endgültig Schluss sei. Was bei seinen Wählern sicher verfängt, schließlich ist Trump mit seiner America-First-Strategie erneut ins Weiße Haus eingezogen, dürfte dem eigenen MAGA-Anspruch („Make America Great Again“) nicht genügen. Denn „great“ wird Amerika kaum sein, wenn die USA plötzlich ihr Exportvolumen in die EU von derzeit etwa 347 Milliarden Euro nicht mehr halten können. Das ist auch Trump bewusst. Ein Einbruch der Exportwirtschaft würde über kurz oder lang Arbeitsplätze kosten, denn neue Absatzmärkte lassen sich nicht über Nacht erschließen. Und auch das weiß er. Außerdem, so ist absehbar, werden hohe Zölle auf EU-Produkte diese auf dem US-Markt erheblich verteuern, und so das Preisniveau ansteigen lassen. Und auch das wird weniger großartig sein, als er es seinen Wählern versprochen hat. Im Wahlkampf tönte es aus dem republikanischen Lager, die Inflation sei das Versagen der Biden-Regierung. Auch diese Behauptung dürfte kaum haltbar sein, wenn Trump – trotz laufender Rechtsstreitigkeiten – seine Zollpolitik tatsächlich durchsetzt. Schließlich betreffen die angekündigten Zollerhöhungen – und damit steigende Preise – nahezu alle Importgüter und nicht nur jene aus der Europäischen Union. Um dem Unmut in der Bevölkerung vorzubeugen, ist daher bereits die Rede davon, einen absehbaren Reallohnverlust durch die zu erwartende Inflation kurz- und mittelfristig über Steuersenkungen aufzufangen.
Diese „Strategie“ hat jedoch einen entscheidenden Haken: Die tatsächliche Inflation lässt sich nur im Nachhinein feststellen. Eine Einkommenssteuersenkung, die den Preisauftrieb kompensieren soll, greift in der Regel mit Verzögerung von mindestens einem Jahr. Das ist auch der Mindestzeitraum, in dem sich ein realer Kaufkraftverlust bemerkbar machen würde. Führt der Kaufkraftverlust zur Konsum- und Investitionszurückhaltung, wird das negativ auf das amerikanische BIP-Wachstum einzahlen.
Auch diese – vorhersehbaren – Effekte lassen sich aus Sicht der US-Administration als Teil des Plans verkaufen. So soll ihre Zollpolitik dazu führen, dass die ganze Welt vermehrt in den USA investiert. Auf die Abschreckung folgt der Anreiz, dass Unternehmen Produktionsstandorte in die USA verlagern. Damit dies auch gelingt, bietet man ein investitionsfreundliches Umfeld: niedrige Energiepreise, flexible Arbeitsmärkte, geringe Steuern auf Unternehmensgewinne. Die harten Investitionsfaktoren mögen überzeugen, ob die Strategie jedoch auf lange Sicht aufgeht, bleibt abzuwarten. Wenn man davon ausgeht, dass Investitionsentscheidungen vor allem von Gewinnerwartungen abhängen, bleibt die Frage, ob die Binnennachfrage in den USA den Rückgang der Exporte zumindest ausgleichen oder sogar übertreffen kann, um das amerikanische BIP-Wachstum zu sichern. Insgesamt atmet der protektionistische Kurs in der US-Wirtschafts- und Handelspolitik den abgestandenen Hauch des Merkantilismus – ein Ansatz, der mindestens waghalsig ist. Offen bleibt die Frage, wie lange ein so abgeschotteter, sehr großer Wirtschaftsraum seine Innovationskraft bewahren kann.
Was jahrzehntelang das Denken und Handeln der Wirtschaftssubjekte weltweit bestimmte, die Orientierung am internationalen Freihandel wegen seiner komparativen Kostenvorteile, wird nun von US-Präsident Trump im Handstreich erledigt.
Die Welthandelsorganisation (WTO), Mitte der 1990er Jahre aus dem GATT (General Agreement on Tariffs and Trade) hervorgegangen – dessen Ziel der weltweite Abbau von Zöllen und nicht-tarifären Handelshemmnissen war–, droht in die Bedeutungslosigkeit zu rutschen. Auch das hat eine politische Dimension, die weit über das bloße Ringen um Handelsbeziehungen hinausgeht. Mehr als 160 Staaten haben sich in der WTO, einer eigenständigen Sonderorganisation der UN, auf Grundsätze des Welthandels verständigt. Diese Regeln sind nun von den USA de facto aufgekündigt worden. So sieht der Grundsatz der Meistbegünstigung vor, dass ein WTO-Mitglied alle Partner im Handel gleich behandeln muss. Wer einem Land bestimmte Vorteile einräumt, muss das grundsätzlich gegenüber allen anderen auch so handhaben. Trumps Zollpläne verstoßen gegen die Statuten der WTO: Während Importe aus einigen Ländern nur mit dem Mindestzoll von 10 Prozent belegt werden, werden auf Güter aus anderen Ländern oder Wirtschaftsräumen plötzlich 20, 25, 50 oder gar 150 Prozent Zoll erhoben. Am 2. April verkündetes Donald Trump im Rosengarten also nichts Geringeres, als sich über die internationalen Spielregeln der Welthandelsordnung hinwegzusetzen, um stattdessen seine eigene Ordnung zu schaffen: basierend auf bilateralen Deals, maßgeschneidert nach amerikanischem Interesse. Multilaterale Institutionen stehen bei Trump ohnehin nicht hoch im Kurs: Sie haben seiner Ansicht nach ausgedient. Jüngst verstieg sich der aus der US-Administration ausgeschiedene DOGE (Department of Gouvernment Efficiency)-Behördenvorsteher und Tech-Milliardär Elon Musk zu der Aussage, die USA könnten – oder besser sollten – gleich ganz aus den Vereinten Nationen austreten. Dass solch ein Austritt auch den UN-Sicherheitsrat destabilisieren würde, steht indes auf einem anderen Blatt.
Vorerst hat Donald Trump die höheren Zölle für die EU bis Juli 2025 ausgesetzt. Sowohl EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen als auch Bundeskanzler Friedrich Merz werden darauf hinwirken, eine für beide Seiten tragfähige Lösung zu finden – im besten Fall zum gegenseitigen Vorteil. Eine Null-Zoll-Politik wäre zumindest ein erster Schritt, wenngleich der US-Präsident schon verlauten ließ, dass er in den nichttarifären Handelshemmnissen das eigentliche und daher grundsätzliche Problem sieht: Die Europäische Union als Bürokratiemonster. Und ganz von der Hand zu weisen, ist die Kritik nicht.
Nach jahrelangen Verhandlungen scheiterte 2016/2017 TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership). Man hatte sich nicht auf gemeinsame Standards einigen können. In Erinnerung geblieben ist vor allem das berüchtigte „Chlorhühnchen“, das als Symbol der Debatte mediale Wellen schlug. Es gilt als äußerst unwahrscheinlich, dass die formal nur auf Eis gelegten TTIP-Verhandlungen unter Präsident Trump wieder aufgenommen werden. Da Deutschland in puncto Handelsabkommen seine Souveränität an die EU abgegeben hat, die Bundesrepublik jedoch die größte europäische Volkswirtschaft und somit der ökomischen Motor der EU ist, hängt es sehr vom Verhandlungsgeschick von Bundeskanzler Merz und Kommissionspräsidentin von der Leyen ab, ob die zukünftigen Gespräche im Oval Office erfolgreich sein werden.
Spätestens dann schließt sich auch wieder der Bogen zur Sicherheitspolitik und den Bündnisverpflichtungen. Die europäischen Länder täten gut daran, Präsident Trump mit einer geeinten, selbstbewussten Stimme zu begegnen, ein flächendeckendes Signal für höhere Verteidigungsausgaben zu senden und dabei als gleichberechtigter Partner, nicht als Bittsteller, aufzutreten., Dass dieses Unterfangen ein hohes Maß an Diplomatie erfordert, liegt auf der Hand.
Nicht zuletzt macht das auch Trumps Vorstoß deutlich, sich notfalls Grönland – das zwar autonom ist, aber zum EU- und NATO-Mitglied Dänemark gehört – aus wirtschaftlichen und geostrategischen Motiven militärisch einverleiben zu wollen. Diese beispiellose Provokation dürfte kaum vergessen sein, bedeutete sie doch nichts weniger, als innerhalb der NATO einen Bündnisfall mutwillig heraufzubeschwören.
Im Umgang mit der mitunter erratisch agierenden US-Administration Trump/Vance braucht es sicherheits- wie handelspolitisch eine ruhige Hand: zugewandt und selbstbewusst, zugleich kühl, strategisch und konsequent interessengeleitet.
Europa steht am Scheideweg. Die Weltordnung befindet sich im Umbruch. Mit seinem Angriffskrieg gegen die Ukraine hat Putin die europäische Sicherheitsarchitektur erschüttert. Noch ist ungewiss, wie sich Trumps Russlandpolitik entwickeln wird und ob sich die USA als verlässlicher Partner Europas erweisen werden. In Zeiten wie diesen braucht Europa – und besonders Deutschland – Kraft, Mut und den Willen, entschlossen zu handeln. All das haben wir. Blicken wir also mit Klarheit und Selbstvertrauen nach vorn.